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MCP und Domperidon

Das sind die Alternativen

Datum 10.09.2014  09:56 Uhr

Von Ulrich Koczian, Hans Dieter Allescher1, Peter Malfertheiner2, Martin Strauch3 / Für Metoclopramid (MCP) und Domperidon beschloss die europäische Arzneimittelbehörde EMA deutliche Einschränkungen der Indikationen und Dosierungsempfehlungen. Wie kann der durch den Wegfall der MCP-Tropfen entstandene Engpass kompensiert werden? Und welche therapeutischen Alternativen stehen in den gestrichenen Indikationsfeldern beider Arzneistoffe zur Verfügung? Ein Überblick.

Die gute Nachricht vorweg: In den meisten Fällen stehen für die gestrichenen Indikationen leitliniengerechte Alternativen zur Verfügung. So kann der entstandene Engpass in der Indikation gastrointestinale Motilitätsstörung mit Domperidon behoben werden. Dessen antiemetischer Effekt beruht auf der Kombination gastrokinetischer Wirkungen und der Blockade von Dopamin (D2)-Rezeptoren in der Chemorezeptor-Triggerzone der Area postrema. Im Unterschied zu Metoclopramid durchdringt Domperidon die Blut-Hirn-Schranke kaum.

 

Als Alternativen in der weggefallenen Indikation Refluxösophagitis stehen Protonenpumpenhemmer, H2- Rezeptorantagonisten und andere säurebindende Substanzen, für die positive Nutzenbelege vorhanden sind, zur Verfügung. Die Behandlung der funktionellen Dyspepsie und Refluxerkrankung mit gleichzeitigen Oberbauchbeschwerden kann ersatzweise mit pflanzlichen Kombinationspräparaten mit belegtem Nutzen wie STW 5 (Iberogast®) erfolgen. Das Phytotherapeutikum zeichnet sich durch ein positives Nutzen-Risiko-Verhältnis aus und ist auch für längerfristige Therapien geeignet.

MCP wurde als intravenöse Hochdosistherapie zur Prophylaxe akuter Chemotherapie-induzierter Übelkeit und Erbrechen verwendet. Dies ist nun wegen der Begrenzung auf maximal 30 mg Wirkstoff in 24 Stunden nicht mehr möglich. Für diese Indikation empfehlen die Leitlinien 5-HT3-Antagonisten in Kombination mit Dexamethason in Abhängigkeit vom emetogenem Score der Chemotherapie. Keine ernsthafte Alternative zu MCP in dieser Indikation ist Alizaprid (Vergentan®) aufgrund seines dosisabhängigen Potenzials, extrapyramidale Störungen (EPS) auszulösen.

 

Diphenhydramin (Vomex®), ein H1-Antihistaminikum der ersten Generation, greift ebenfalls an den Chemorezeptoren der Area postrema an und bewirkt eine selektive Dämpfung des Brechzentrums. Die Wirksamkeit ist bei Kinetosen stärker ausgeprägt als bei arzneimittelbedingtem oder postnarkotischem Erbrechen. Zu beachten ist das anticholinerge Potenzial sowie die ausgeprägt sedierende Wirkung von Diphenhydramin. Wegen des Abhängigkeitsrisikos ist der Wirkstoff für einen längerfristigen Gebrauch ungeeignet.

 

Keine Übergangsfrist für die Hersteller

 

Zum Hintergrund: Im April dieses Jahres wurde in Deutschland aufgrund einer EU-weit rechtlich bindenden Entscheidung der European Medicines Agency (EMA) für alle vorliegenden, hoch dosierten Darreichungsformen von MCP-haltigen Produkten die Zulassung widerrufen. Dies betrifft vor allem die Tropfen, die in Deutschland mit circa 90 Prozent Anteil die am häufigsten verordnete Darreichungsform sind. Zukünftig darf eine Konzentration von 1 mg/ml nicht überschritten werden. Der Widerruf der Zulassung für MCP als Resultat des europäischen Risikobewertungsverfahrens wurde von den Zulassungsinhabern erwartet. Überrascht wurden sie jedoch vom sofortigen Widerruf der Zulassung, sodass durch die fehlende Übergangsfrist die Einführung niedrig konzentrierter Metoclopramid (MCP)-haltiger Tropfen nicht möglich war. Am 20. August 2014 informierte das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) in einem Rote-Hand-Brief über die in Abstimmung mit der EMA getroffenen Zulassungsänderungen für Domperidon.

 

Was für MCP nun gilt

 

Folgende Änderungen sind bei der Therapie mit MCP seit dem 9. April 2014 zu beachten:

 

  • Intravenöse Formulierungen mit Konzentrationen über 5 mg/ml und Zäpfchen mit 20 mg sind nicht mehr verkehrsfähig.
  • Die zulässige Höchstkonzentration oraler Darreichungsformen wird auf 1 mg/ml (bisher 4 beziehungsweise 5 mg/ml) beschränkt und die Dosierungsgenauigkeit muss durch ein graduiertes Applikationssystem (zum Beispiel orale Dosierspritze) gewährleistet sein, da vor allem bei der Gabe von Tropfen an Kinder häufig Überdosierungen festgestellt wurden.
  • Die Anwendungsdauer wird auf fünf Tage begrenzt, um die Risiken vor allem neurologischer Nebenwirkungen zu minimieren. Damit geht konsequenterweise auch der Wegfall der Indikationen chronischer Erkrankungen, wie gastrointestinale Motilitätsstörungen einschließlich Gastroparese sowie gastroösophageale Refluxkrankheit und Dyspepsie einher.
  • Kontraindikation bei Kindern im Alter < 1 Jahr ungeachtet der Anwendungsoption.
  • Die Indikation Prävention von akuter durch Chemotherapie induzierter Übelkeit und Erbrechen ist zu streichen.
  • Bei Erwachsenen beträgt die maximale Einzeldosis 10 mg, maximal 30 mg täglich, bei Kindern 0,1 bis 0,15 mg/kg/KG bis zu dreimal täglich.
     

Ein positives Nutzen- Risiko-Verhältnis wird für die folgenden Indikationen (unter Berücksichtigung der vorgesehenen Maßnahmen zur Risikominimierung) gesehen, bei Erwachsenen:

 

  • zur Prävention von verzögerter Chemotherapie-induzierter Übelkeit und Erbrechen (orale und rektale Art der Anwendung),
  • zur Prävention von Strahlentherapie-induzierter Übelkeit und Erbrechen (parenterale, orale und rektale Art der Anwendung),
  • zur Prävention von Übelkeit und Erbrechen nach Operationen (ausschließlich parenterale Art der Anwendung),
  • zur symptomatischen Behandlung von Übelkeit und Erbrechen, einschließlich akuter Migräne-induzierter Übelkeit und Erbrechen (parenterale Art der Anwendung) und symptomatischen Behandlung von Übelkeit und Erbrechen, einschließlich akuter Migräne-induzierter Übelkeit und Erbrechen. MCP kann in Kombination mit oralen Analgetika zur Verbesserung der Resorption von Analgetika bei akuter Migräne angewendet werden« (orale Art der Anwendung).
     

Bei Kindern im Alter zwischen ein und 18 Jahren:

 

  • zur Prävention von verzögerter Chemotherapie-induzierter Übelkeit und Erbrechen, als Zweitlinienoption (parenterale und orale Art der Anwendung),
  • zur Behandlung von gesicherter Übelkeit und gesichertem Erbrechen nach Operationen, als Zweitlinienoption (ausschließlich parenterale Art der Anwendung).
     

Begründung der EMA

Die Auswertung der EMA zeigte, dass 5-HT3-Rezeptorantagonisten wie Ondansetron und Tropisetron MCP bei der Behandlung akuter Chemotherapie-induzierter Übelkeit und Erbrechen überlegen sind. Bei der Prävention verzögert auftretender Übelkeit und Erbrechen liegt eine annähernde Vergleichbarkeit der Wirksamkeit von MCP und 5-HT3-Antagonisten vor.

 

MCP ist ein zentraler Dopamin (D2)-Rezeptorantagonist, der die Wirkung von Dopamin an der chemorezeptiven Triggerzone in der Area postrema verhindert. In höheren Dosen kann MCP auch an 5-HT3-Rezeptoren anbinden. Durch beide Mechanismen wird der antiemetische Effekt der Substanz erklärt. Aufgrund eines direkten Angriffs im Gastrointestinaltrakt werden eine Motilitätssteigerung des Magens und eine Förderung der Magenentleerung bewirkt. Die Blockade der Dopaminrezeptoren kann zu überschießenden cholinergen Effekten führen, die sich in – teilweise irreversiblen – EPS zeigen. Das Auftreten von EPS war die häufigste dokumentierte Nebenwirkung, die bei Kindern bis zu sechsmal häufiger auftrat als bei Erwachsenen.

 

Neben dem Alter gilt als weiterer Risikofaktor bei Kindern die häufige Überdosierung MCP-haltiger Tropfen. Die Wahrscheinlichkeit des Auftretens von EPS wird durch die Anzahl der applizierten Dosen und bei Infusionen durch die Infusionsgeschwindigkeit bestimmt. Auch ältere Patienten scheinen nach Langzeitbehandlungen ein deutlich höheres Risiko für potenziell irreversible Spätdyskinesien zu tragen.

 

Status quo für Domperidon

 

Aufgrund der Initiative der belgischen Gesundheitsbehörden wurde ein europaweites Neubewertungsverfahren der kardialen Risiken für Domperidon initiiert. Folgende Änderungen haben sich daraus ergeben:

 

  • Als Indikation bleibt nur die Anwendung zur Besserung bei Übelkeit und Erbrechen bestehen.
  • Wegen potenziell lebensbedrohlicher kardiotoxischer Effekte – vor allem im Alter über 60 Jahre, bei Dosierungen über 30 mg pro Tag oder bei kardiotoxischer Komedikation – werden ebenfalls Einschränkungen der maximalen Tagesdosis auf 30 mg, und der Anwendungsdauer auf eine Woche empfohlen. Somit steht Domperidon zur Dauertherapie nicht mehr zur Verfügung.
  • Bestehende Herzrhythmusstörungen beziehungsweise Risiken dafür sowie mäßige und schwere Leberfunktionsstörungen gelten a priori als Kontraindikation.
  • Ebenso ist die gleichzeitige Gabe von stark wirksamen CYP3A4-Inhibitoren, wie auch von QTc-Zeit verlängernden Arzneistoffen kontraindiziert. /

     

Literatur bei Verfassern 

  1. Klinikum Garmisch-Partenkirchen,
  2. Klinikum der Otto von Guericke-Universität Magdeburg,
  3. MVZ St. Cosmas Neubiberg

Kontakt

Ulrich Koczian, PharmD University of Florida, Linden-Apotheke, Stadtberger Str. 6, 86157 Augsburg, E-Mail: linden-apotheke(at)augustakom.net

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