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Großhändler brauchen neue Strategien

07.09.2007  11:35 Uhr

Studie

<typohead type="3">Großhändler brauchen neue Strategien

Von Daniel Rücker

 

Der pharmazeutische Großhandel steht unter Druck. Alternative Vertriebswege und ein rückläufiges Marktwachstum erschweren den 16 vollversorgenden Großhändlern das Geschäft. Höchste Zeit, darauf zu reagieren, sagt eine vom Bundesverband des Pharmazeutischen Großhandels (Phagro) in Auftrag gegebene Studie.

 

Die Dynamik im Arzneimittelmarkt trifft nicht nur die Apotheker. Auch einer der wichtigsten Marktpartner, der pharmazeutische Großhandel, muss sich umstellen. Zwar werden seine Leistungen von Apothekern wie Herstellern geschätzt, das bedeutet aber nicht, dass sie als alternativlos angesehen werden. Deshalb raten die Autoren der Studie von der Beratungsgesellschaft Deloitte den Großhandlungen, neue Wege einzuschlagen und sich im Wettbewerb mit Billig- und Nischenanbietern oder reinen Logistikern besser zu positionieren.

 

Die wesentlichen Risiken für das aktuelle Distributionsmodell hat Deloitte im zunehmenden Direktgeschäft bei Spezialmedikamenten, in geplanten Kommissionsmodellen der Pharmahersteller und in der Koppelung der Erlöse an den Arzneimittelpreis ausgemacht. Auch die in Deutschland steigende Zahl von Arzneimittelfälschungen birgt Gefahren für den Großhandel. Erschwerend kommt hinzu, dass diese Schwierigkeiten wohl kein temporäres Problem sind. »Die Liberalsierungstendenzen im Arzneimittelmarkt sind unumkehrbar«, sagen die Autoren der Studie.

 

In den Geschäftsbeziehungen zwischen Industrie und Großhandel knirscht es vor allem im Verhältnis zu den großen Konzernen. Sie wünschen sich laut Studie mehr Transparenz und gleichzeitig eine stärkere Kontrolle der Distribution ihrer innovativen und teuren Präparate. So vertreibt der weltgrößte Pharmakonzern Pfizer in Großbritannien seine Produkte nur noch über den Großhändler UniChem, der nur auf Pfizers Weisung aktiv wird. Die Ware bleibt bis zum Verkauf in der Apotheke im Besitz des Herstellers. UniChem wird allein für seine Dienstleistung bezahlt, ist eher Kurier als Zwischenhändler.

 

Seit rund zwei Jahren arbeitet Pfizer daran, ein ähnliches Kommissionsmodell in Deutschland zu etablieren. Noch erfolglos, neben den Großhändlern wehren sich auch die Apotheker massiv dagegen, weil sie die Verfügbarkeit der Produkte in Gefahr sehen. Andere Unternehmen planen ähnliche Modelle.

 

Einbußen durch Direktgeschäft

 

Das Direktgeschäft mit Spezialpräparaten zwischen Herstellern und Apotheken macht den Markt für die Großhändler ebenfalls kleiner. Von 1997 bis 2005 hat sich der Anteil am Gesamtmarkt von 8 auf 16 Prozent verdoppelt. Für den Ertrag besonders belastend seien die daraus resultierenden strukturellen Veränderungen im Sortiment. Vor allem teure innovative Medikamente mit dem absolut größten Ertrag pro Packung für den Großhandel werden auf diesem Weg vom Hersteller an die Apotheken geliefert.

 

Nicht ohne Risiken ist auch die Erlösstruktur des Großhandels. Er erhält für seine Leistungen eine prozentuale, vom Herstellerabgabepreis abhängige Spanne und hat so wenig Einfluss auf seine Erlöse. Dies macht ihn abhängig von staatlichen Eingriffen. Der Großhandel kann deshalb auch nur unvollkommen auf Marktentwicklungen wie Rabattverträge oder den zunehmenden Wettbewerb reagieren.

 

Angst vor Arzneimittelfälschungen

 

Kein sonderlich gutes Zeugnis stellen die Marktpartner den Großhandlungen beim Kampf gegen Arzneimittelfälschungen aus. Die Autoren der Studie haben für ihre Untersuchung Hersteller, Apotheker, Krankenkassenvertreter und Patienten befragt. Dabei sahen die Befragten keinen Sicherheitsgewinn durch die Großhändler. Das hat natürlich auch damit zu tun, dass die Großhandlungen Ware auf ausländischen Märkten einkaufen und auf diesem Weg Präparate unklarer Herkunft nach Deutschland kommen könnten.

 

Die Beziehungen zu den Pharmaherstellern seien vor allem wegen der allgemeinen Angst vor Arzneimittelfälschungen insgesamt »nicht störungsfrei«, schreiben die Autoren der Studie. Das gesunkene Vertrauen der pharmazeutischen Hersteller und die daraus resultierenden Versuche, neue Vertriebswege zu etablieren, senke den Umsatz der Großhändler und damit auch die Erlöse.

 

Die Geschäftsbeziehungen mit den Apothekern bergen nach den Ergebnissen der Studie deutlich geringere Risiken. Lediglich die Apothekenkooperationen könnten ein Problem sein. Mit ihrer größeren Einkaufsmacht erzielen sie bessere Konditionen und reduzieren damit die Margen der Großhändler. Gleichzeitig sehen die Autoren aber auch Chancen für die Großhändler. Diese liegen in einer größeren Kundenbindung und Perspektiven für eine intensive Zusammenarbeit.

 

Trotz der nicht unerheblichen Gefahren für das Geschäftsmodell des Großhandels als herstellerneutraler pharmazeutischer Vollversorger sieht Deloitte keine ernsthafte Alternative dazu. Spezialisierungen auf bestimmte Marktsegmente oder ein Discountkonzept seien noch riskanter, so die Analyse. Auch eine Integration von Großhandel und Hersteller sei nicht zu empfehlen , weil es dem Prinzip der Herstellerneutralität widerspricht.

 

Unverzichtbarkeit kommunizieren

 

Tatenlos sollten die Großhändler die aktuellen Bedrohungen jedoch nicht akzeptieren. Die Beratungsgesellschaft hat deshalb Optionen erarbeitet, mit den die im Phagro zusammengeschlossenen Unternehmen auf die Marktveränderungen reagieren können. So sollte der Phagro seine Bedeutung für die Arzneimitteldistribution in Zukunft offensiver kommunizieren. Dessen Ziel ist es, die pharmazeutischen Großhandlungen als unverzichtbares Glied der Arzneimittelversorgung zu positionieren.

 

Die Autoren der Studie raten dem Großhandel außerdem, sich für die Aufnahme in den öffentlichen Versorgungsauftrag einzusetzen und dies im Arzneimittelgesetz festzuhalten. Entgegen der europäischen Regelungen sei dies in Deutschland bislang nicht geschehen.

 

Die meisten Empfehlungen der Autoren an die Großhändler zielen auf die Zusammenarbeit mit der Industrie. Dazu gehören die Einführung von Industriestandards für die Daten- und Rechnungsübermittlung sowie ein Lagerbestandsabgleich. Dies wäre auch die Basis für eine integrierte Warenwirtschaft von Industrie und Großhandel. Über den Abgleich der Lagerbestände könnte dann die Verfügbarkeit der Waren verbessert werden.

 

Dem Bedürfnis der Hersteller nach einer sichereren Lieferkette soll der Großhandel durch die Einführung maschinenlesbarer Packungskennzeichnungen und einer zertifizierten Versorgungskette nachkommen. Mit diesen beiden Maßnahmen könnten zum einen Rückrufe erleichtert werden und zum anderen verhindert werden, dass mehr Arzneimittelfälschungen in Deutschland auftauchen.

 

Vertrauen soll wachsen

 

Die intensivere Zusammenarbeit mit der Industrie soll nicht nur die Effizienz erhöhen, sondern vor allem das angekratzte Verhältnis der Marktpartner verbessern. Sie soll das gegenseitige Vertrauen stärken und die Kundenbindung intensivieren. Zudem dürfte die bessere Kooperation den Eindruck der Industrie zerstreuen, der vollversorgende Großhandel könne gegen weniger aufwendige Distributionsformen ausgetauscht werden. Gedanken über eine Marktausweitung hat sich Deloitte auch gemacht und ist dabei auf die Krankenhausapotheken gestoßen. Allerdings rechnet man hier realistischerweise nur mit einer Ergänzung der Direktbelieferung durch die Industrie sowie eine Notfallbelieferung am Wochenende.

 

Um bis zu zehn Prozent, so die Prognose, könnte der Markt für die Großhändler wachsen. Diese Marktausweitung würde jedoch mit Mehraufwand erkauft. Denn die Großhandlungen müssten die Warenkreisläufe von öffentlichen und Krankenhausapotheken voneinander trennen. Außerdem sei die Bestellsystematik im Krankenhaus »wenig zeitgemäß und sehr arbeitsintensiv«.

 

Der Phagro hat einige der Vorschläge bereits aufgenommen. So hat er auf europäischer Ebene eine Initiative für maschinenlesbare Packungsdaten initiiert. Der Verband rechnet hier mit einem positiven Ergebnis.

 

Zudem arbeitet der Phagro an einer Alternative zu Pfizers Kommissionsmodell. Den Pharmafirmen soll eine rechtlich vertretbare Transparenz garantiert werden, gleichzeitig soll sich aber für die Apotheken nichts ändern und die Selbstständigkeit des Großhandels als Händler gewahrt bleiben. Das Konzept werde den Bedenken der Industrie Rechnung tragen, heißt es beim Phagro.

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