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Heilen und Hokuspokus

Flüge mit der Hexensalbe

Datum 02.09.2015  13:59 Uhr

Von Holger Goetzendorff / Kenntnisreiche Kräuterhexe, weise Frau und Heilerin, aber auch Opfer auf dem Scheiterhaufen. Die Geschichte der Hexe ist vielschichtig. Ein Blick in die Hexenwelt des späten Mittelalters.*

Im normalen Leben waren Hexen oft Hebammen, Ammen, Kräuterkundige oder Wahrsagerinnen. Solange sie sich nicht in die Angelegenheiten anderer einmischten, wie zum Beispiel durch Liebschaften, hatten sie ein auskömmliches Leben. Macht und Rituale der Frauen und ihre scheinbar magischen Kräfte schürten aber auch die damals verbreitete Dämonenfurcht. Häufig wurden sie diffamiert und durch die sogenannte Besagung als Hexe gemeldet.

 

Es hieß, sie könnten unfruchtbar machen, verhexen, nicht nur Menschen, sondern auch das Wetter, sie schlössen einen Pakt mit dem Teufel, gäben sich lasterhaftem Treiben hin und würden fliegen. Bei Vergiftungsfällen oder beim Tod eines Kindes während der Geburt, wurden sie zur Gift­mischerin und Kindsmörderin abgestempelt.

Magische Medizin

 

Als kundige Kräuterfrauen bereiteten die sogenannten Hexen Heilmittel für die Behandlung von Kranken, die oft schon in der Antike zum Einsatz kamen. So sprach Theophrast (371 bis 287 v. Chr.) von der Alraune als Aphrodisiakum und Dioskurides im 1. Jahrhundert n. Chr. von der Alraunentinktur mit Wein als Narkosemittel.

 

Die Herstellung von Aphrodisiaka, Verhütungs- und Abtreibemitteln, Rauschmitteln sowie das Mischen von scheinbar lebensverlängernden und verjüngenden Elixieren war ein einträgliches Geschäft. Die für ihr Wissen geschätzten Frauen nutzten für die Abgabe »unter der Hand« die Alraune als Aphrodisiakum, Absinth als Rauschmittel und Goldrute als Wundheilmittel. Der Goldrute (Virga aurea), auch Unsegenkraut genannt, wurde dabei noch eine besondere Wirkung nachgesagt. Sie diente als Abwehrmittel gegen Schadenszauber durch Hexen und Dämonen. Auch die Große Fetthenne (Sedem telephium), manchmal Donnerkraut genannt, verhinderte, in den Kamin gehangen, den Durchflug der Hexen.

 

Die Flugsalbe, unentbehrlich bei Ausflügen auf den Blocksberg, enthielt Löwenzahn, Silberblatt, Eisenkraut, Bingelkraut, Donnerkraut und eine Farnart namens Frauenhaar. Hexenforscher haben eine Mischung verschiedener Solanaceen (Nachtschattengewächse) aus schwarzer Tollkirsche (Atropa belladonna), schwarzem Bilsenkraut (Hyoscyamus niger), gemeiner Alraune (Mandragora officinarum) und Stechapfelarten (wie Datura stramonii) nachgekocht. Kurze Zeit nach der Einnahme der Abkochung verfielen sie in einen tiefen Rausch und träumten vom Fliegen. Die Verwendung dieser Rauschdrogen bei Flugsalben ist allerdings erst im 18. Jahrhundert nachweisbar. In der Literatur benennen Ärzte als Zutaten für Hexensalben auch den giftigen Eisenhut (Aconitum napellus), den Schierling (Conium maculatum) und den Schlafmohn (Papaver somniferum).

 

Verfolgt und verurteilt

 

Wurde den als Hexen abgestempelten Frauen der Prozess gemacht, kam es zur sogenannten Peinlichen Befragung mit der Androhung von Folter. Ein Geständnis konnte die Folter noch verhindern. Meistens war es nur eine Frage der Zeit, bis die Frauen alles gestanden, was ihnen vorgeworfen wurde.

Die Verhandlung wurde dabei in allen Einzelheiten aufgezeichnet. Aus damaliger Sicht lagen den Verfahren rechtsstaatliche Methoden zugrunde. In der von Maria Theresia 1769 veröffentlichten »Peinlichen Gerichtsordnung« waren nicht nur die Paragrafen, sondern auch die Folterinstrumente in Kupferstichen abgebildet, um für eine einheitliche Herstellung zu sorgen. Die Handwerker fertigten die Daumenschrauben, Beinschrauben, Streckleitern und Maschinen zum Auf- und Auseinanderziehen des Körpers in ausgesprochen solider Qualität an, sodass diese noch heute in den Foltermuseen in Hamburg, Bamberg, Rothenburg oder Leipzig besichtigt werden können.

 

Auch wenn ein Angeklagter – es gab auch einige wenige männliche Hexen – gestand und wegen minderschweren Vergehens davonkam, hatte er die Kosten des Verfahrens zu tragen. Aus den Scharfrichterverordnungen im 18. Jahrhundert kann man die Vergütungen entnehmen, die der Angeklagte – auch über den Tod hinaus – zu zahlen hatte. So kostete es beispielsweise einen Taler, eine Leiter oder den Scheiterhaufen aufzurichten oder die Asche des Verstorbenen ins Wasser zu streuen.

 

Nicht in allen Teilen Europas gab es Hexen­verfolgung. In Mitteleuropa aber beispielsweise wurde sie erst eingestellt, als der Jesuit Friedrich von Spee (1591–1635) in seinem Buch »Cautio Criminalis« aus dem Jahr 1631 auf die unhaltbaren Zustände hinwies. Bis dahin hatte der von Jakob Sprenger und Heinrich Kramer 1497 veröffentlichte »Hexen­hammer« (Malleus Maleficarum) die brutale Hexenverfolgung legitimiert. Die letzten Hexen sollen 1781 im Stift Kempten im Allgäu und 1782 in Glarus in der Schweiz hingerichtet worden sein. Tatsächlich ist die in Kempten inhaftierte Hexe Maria Schwägeli nicht mehr hingerichtet worden. Sie starb eines natürlichen Todes.

 

Hexen in der Kunst

 

Berühmte Darstellung von Hexen in der Kunst stammen von Hans Baldung, genannt Grien (1485–1545), dem bekanntesten Schüler von Albrecht Dürer. Grien umging das damalige Verbot der Aktmalerei, indem er Hexendarstellungen malte, rätselhafte, oft erotische Allegorien und mythologische Werke. Hexendarstellungen waren von dem Verbot der Aktmalerei ausgenommen. Grien schuf das heute im Frankfurter Städel-Museum ausgestellte Bild »Die zwei Grazien«, das zeitweise den Namen »Wetterhexen« trug. Das Bild »Der behexte Stallknecht«, das er 1544 kurz vor seinem Tod malte, zeigt die Machtlosigkeit gegenüber dem Hexenzauber. Bei den Bildern fällt auf, dass entweder junge oder alte Frauen als Hexe dargestellt werden, nicht das mittlere Alter. Dass man heute Kenntnisse über Hexenküchen-Requisiten hat wie Salben, Totenköpfe, Hexenkessel oder »ekliges Getier«, ist auch den Malereien der damaligen Zeit zu verdanken. /

 

* Der Text basiert auf dem Vortrag »Giftmischerinnen oder Apothekerinnen?« von Holger Goetzendorff im Rahmen einer Fortbildungsveranstaltung der Apothekerkammer Nordrhein auf Schloss Diersfordt in Wesel.

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