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Renale Denervation

Hypertonie einfach wegoperieren?

30.08.2013  19:42 Uhr

Von Maria Pues / Ein kleiner Eingriff, und der hohe Blutdruck ist Geschichte? Viele Patienten würden sich von ihren Blutdrucksenkern lieber heute als morgen verabschieden. Aber ganz so einfach ist es dann doch nicht.

Wirklich neu ist der Gedanke nicht, einen hohen Blutdruck zu senken, indem man Sympathikusnerven durchtrennt. Bereits in den 1950er-Jahren wurden hierzu Verfahren erdacht und erprobt. Durch die Entwicklung von Antihypertonika, die inzwischen im Wesentlichen fünf Gruppen mit insgesamt mehr als 50 Wirkstoffen umfassen, wurde dies jedoch immer weniger attraktiv. Wer wollte sich noch unters Messer legen, wenn man das Ziel auch durch eine einfache Tabletteneinnahme erreichen konnte?

Seit etwa vier Jahren bewegt sich das Pendel jedoch erneut in Richtung OP-Saal. Denn trotz der breiten Anti­hypertonika-Palette gelingt es bei geschätzten 15 bis 20 Prozent der Patienten nicht, einen erhöhten Blutdruck auf ein akzeptables Maß zu senken, um Gefäße und Organe zu entlasten und das kardiovaskuläre Risiko zu senken. Die Entwicklung wenig invasiver Methoden hat auch der »Blutdruck-OP« neue Möglichkeiten eröffnet. Seit etwa vier Jahren gibt es ein Verfahren, durch Verödung bestimmter Sympathikusnerven einen hohen Blutdruck zu senken. Dabei wird ein Nerven­geflecht um die Nierenarterie punktuell verödet, das die Ausschüttung von Blutdruck erhöhenden Hormonen steuert. Häufig ist eine Überaktivität des Sympathikus an der Entstehung der Hypertonie beteiligt.

 

Nur bei Therapieversagen

 

Die renale Denervation kommt heute unter bestimmten Voraussetzungen zum Einsatz (siehe Kasten). Vorbedingung ist das Versagen anderer therapeutischer Möglichkeiten. Die Therapie musste dabei mindestens aus einer Dreifachkombination inklusive eines Diuretikums bestehen. Doch nicht jedem hartnäckig hohen Blutdruck liegt eine Therapieresistenz, ein Nicht-Ansprechen auf eine medikamentöse Behandlung, zugrunde. So gilt es auszuschließen, dass die therapierefraktäre Hypertonie nicht Folge anderer Ursachen wie mangelnde Adhärenz, ungeeignete Medikation oder Messfehler ist, mithin eine Pseudo­resistenz.

Kriterien

Voraussetzungen für eine renale Denervation:

 

  • Blutdruck dauerhaft mindestens 160/90 mmHg (Diabetiker 150/90 mmHg)
  • bisherige Therapie mit mindestens drei Antihypertonika inklusive eines Diuretikums nicht erfolgreich
  • Lebensstiländerungen führten zu keiner ausreichenden Blutdrucksenkung
  • eine sekundäre Hypertonie wurde ausgeschlossen
  • eine Pseudoresistenz wurde ausgeschlossen
  • normale oder allenfalls leicht verminderte Nierenfunktion
  • keine Abnormalitäten der Nierenarterien

Auch sollten vor einer renalen Denervation zunächst mögliche Ursachen einer sekundären Hypertonie ausgeschlossen oder behandelt werden. Zudem gilt es, die Möglichkeiten notwendiger Lebensstiländerungen auszuschöpfen, und das heißt: nicht rauchen, mehr Bewegung, Übergewicht reduzieren, eine angepasste, gesunde, kochsalzarme Ernährung und ein maßvoller Alkoholgenuss.

 

Nicht zuletzt sollte die gesamte Medikation eines Patienten auf mögliche Wechselwirkungen und auf Wirkstoffe überprüft werden, die die Blutdruck-senkende Wirkung von Antihypertonika mindern oder selbst den Blutdruck erhöhen können. Als anzustrebende Blutdruck-Zielwerte gelten derzeit maximal 140/90 mmHg (Diabetiker 130/85 mmHg). Der Blutdruck sollte 120/70 mmHg (insbesondere bei Patienten mit koronarer Herzkrankheit) nicht unterschreiten. Die Hypertonie-Leitlinie der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) befindet sich allerdings derzeit in Überarbeitung.

Mit Hitze veröden

 

Ob der renalen Denervation keine anatomischen Norm­abweichungen im Wege stehen, wird zunächst durch eine Angiografie untersucht. Mindestens 4 Millimeter im Durchmesser muss die Nierenarterie messen, und mindestens 20 Millimeter in der Länge. Stenosen könnten die Untersuchung hingegen unmöglich machen oder zumindest erschweren. Der Grund für die vorherige Angiografie ist, dass bei der eigentlichen Denervation ein Katheter in die Arteria femoralis eingeführt und dann ein sogenannter Radio­frequenz-Ablationskatheter bis zum Ort des Geschehens vorgeschoben wird. An dessen Spitze entwickeln sich Temperaturen von bis zu 70° C.

 

An verschiedenen Punkten wird damit in bestimmten Abständen der Sympathikusnerv verödet, indem die Katheterspitze an der Innenwand der Arterie, der Intima, angesetzt wird. Die Hitze gelangt von dort zum Nervengewebe des Sympathikus in der äußeren Schicht der Arterienwand, der Adventitia. Der Blutfluss innerhalb der Arterie verhindert eine Überhitzung und damit eine unbeabsichtigte Schädigung der Gefäßwand. Dies ist auch der Grund für den geforderten Mindestdurchmesser, der eine ausreichende Durchblutung gewährleistet. Eine dreiviertel bis eine Stunde dauert eine renale Denervation durchschnittlich. Da sich am Ort der Denervation ebenfalls sensible Nervenfasern befinden, bekommt der Patient während des Eingriffs Opiate und Sedativa. Dies erlaubt einen schmerzfreien Eingriff.

 

Nach einer renalen Denervation fällt der Blutdruck in der Regel nicht unmittelbar ab, sondern beginnt nach und nach zu sinken. Das haben Studien wie die Simplicity-HTN-1 und Simplicity-HTN-2 gezeigt. Bei Patienten der Simplicity-HTN-1-Studie sank der systolische Blutdruck im ersten Monat um durchschnittlich 14 mmHg, der diastolische um 10 mmHg. Die Abnahme stabilisierte sich im ersten Jahr auf durchschnittlich 27/17 mmHg und auch im Nachbeobachtungszeitraum von einem weiteren Jahr auf etwa 30 mmHg. Befürchtungen, der Effekt könnte durch eine Neubildung von Nervenfasern vermindert werden, wurden damit bisher nicht bestätigt. Zu vergleichbaren Ergebnissen kam die Simplicity-HTN-2-Studie. Komplikationen wie die Entwicklung von Pseudoaneurysmen wurden selten beobachtet. Kritiker bemängeln jedoch die geringe Probandenzahl von 45 beziehungsweise 106 Teilnehmern sowie fehlende Verblindung und Scheinbehandlung, die sich bei Verfahren dieser Art naturgemäß schwierig gestalten. Dieses Manko soll die noch laufende Simplicity-HTN-3-Studie beheben. Gleichwohl findet die renale Denervation bereits verhältnismäßig breite Anwendung. Rund 200 Kliniken in Deutschland bieten das Verfahren an.

Nicht alle profitieren

 

Nicht alle Patienten profitieren gleichermaßen. Das wurde trotz geringer Probandenzahlen bereits in den beiden ersten Studien deutlich. Außerdem sehen bei Weitem nicht alle Patienten ihre Hoffnung erfüllt, keine Blutdruckmittel mehr zu benötigen. So brauchen etwa 80 Prozent der Studienteilnehmer auch weiterhin eine medikamentöse Therapie, die aber in manchen Fällen reduziert werden konnte. Bei 10 Prozent der Patienten konnte keine Blutdrucksenkung erreicht werden. Welche Patienten besonders gut ansprechen, lässt sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt kaum vorhersagen. Zwei Ausgangslagen versprechen jedoch bereits jetzt einen besonders guten Effekt: ein sehr hoher systolischer Ausgangsblutdruck und die Einnahme zentral wirksamer sympatholytischer Antihypertonika. In einem internationalen Register sollen die Daten der Nachbeobachtung über drei Jahre gesammelt werden, im deutschen Ableger GREAT (German Renal Denervation Registry) über fünf Jahre.

 

In einigen Fällen senkte die renale Denervation nicht nur den zu hohen Blutdruck, sondern verbesserte auch den Blutglucosespiegel und die Insulinempfindlichkeit, die Nierenfunktion oder die Symptome einer obstruktiven Schlafapnoe beziehungsweise einer Herzinsuffizienz. Hierzu liegen jedoch bislang kaum Studiendaten vor. Studien sind jedoch entweder geplant oder bereits am Start. /

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