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Personalisiert gegen Mukoviszidose

04.09.2012  15:21 Uhr

Von Sven Siebenand / Seit Mitte August gibt es mit Ivacaftor (Kalydeco™ 150 mg Filmtabletten, Vertex Pharmaceuticals) nicht nur erstmals eine ursächliche Therapieoption bei Mukoviszidose. Auch die personalisierte Medizin erlebt damit ihre Premiere in der Behandlung dieser Erkrankung.

Mukoviszidose (zystische Fibrose, CF) ist eine Erbkrankheit. Etwa 8000 Patienten leben in Deutschland. Sie leiden an einer Fehlfunktion der schleimbildenden Drüsen, der eine Mutation im CFTR-Gen zugrunde liegt. Dadurch entsteht zäher, in seiner Zusammensetzung veränderter Schleim, der die Atemwege und den Fluss der Verdauungssäfte blockiert. Dies führt vor allem zu Problemen mit der Lunge und der Verdauung sowie der Resorption von Nahrungsstoffen.

Häufige Symptome sind chronischer Husten, Atemwegsinfektionen und Untergewicht. Die Behandlung der Erkrankung zielt bislang vor allem darauf ab, Mangelzustände auszugleichen, Fehlfunktionen zu kompensieren sowie Organzerstörung und Funktionsausfall zu vermeiden. Wichtig sind das Abhusten des Schleims unterstützt von Inhalationstherapie und Krankengymnastik, die Behandlung von Atemwegsinfektionen und die ausreichende Zufuhr von Energielieferanten, Enzymen und Vitaminen. Häufig kommen Mucolytika und Antibiotika zum Einsatz.

 

Ivacaftor

 

Dank Ivacaftor gibt es nun erstmals eine ursächliche Therapieoption. Allerdings ist sie nur bei Betroffenen mit einer bestimmten Genmutation wirksam. Vor dem Einsatz bestimmen Ärzte daher den Genotyp des Patienten und behandeln danach nur die Träger einer bestimmten Mutation.

 

Zugelassen ist Ivacaftor für Pa­tienten ab sechs Jahren, bei denen die G551D-Mutation im CFTR- (Cystic Fibrosis Transmembrane Conductance Regulator)-Protein nachgewiesen wurde. Diese tritt bei circa 4 Prozent aller Betroffenen auf. Ivacaftor erhöht bei diesen Patienten die Wahrscheinlichkeit, dass der defekte Chloridionenkanal CFTR geöffnet ist (siehe Abbildung). Der Wirkstoff wird demnach als CFTR-Potentiator bezeichnet. Er normalisiert den Ionentransport durch die Kanäle, was zu weniger zähflüssigen Sekreten und somit zu einer Milderung der Krankheitssymptome führt. Der genaue Wirkmechanismus ist bislang unklar.

Die empfohlene Dosis für das Orphan Drug beträgt 150 mg peroral alle zwölf Stunden. Bei Gabe mit einer fetthaltigen Mahlzeit steigt die Ivacaftor-Exposition deutlich an. Daher sollte der Wirkstoff mit einer fetthaltigen Speise eingenommen werden. Das können zum Beispiel mit Butter oder Öl zubereitete oder eier-, käse-, nuss-, vollmilch- oder fleischhaltige Lebensmittel sein. Auf Speisen, die Grapefruit oder Bitterorangen enthalten, sollten Patienten dagegen verzichten, da diese die Aufnahme und den Abbau von Ivacaftor im Körper beeinflussen können. Der Grund: Inhaltsstoffe dieser Früchte wirken als starke CYP3A4-Hemmstoffe. Auch einige Arzneistoffe, etwa Ketocon­azol, Itracon­azol, Posaconazol, Voriconazol, Telithromycin und Clarithromycin, hemmen dieses Enzym stark. Werden sie gleichzeitig mit Ivacaftor eingenommen, sollte dessen Dosis nur 150 mg zweimal wöchentlich betragen. Bei gleichzeitiger Gabe von mittelstarken CYP3A-Inhibitoren wie Fluconazol und Erythromycin sollte Ivacaftor 150 mg nur einmal täglich eingenommen werden. Laut Fachinformation wird auch die gleichzeitige Anwendung mit starken CYP3A4-Induktoren wie Rifampicin, Rifabutin, Phenobarbital, Carbamazepin, Phenytoin und Johanniskraut nicht empfohlen. Sie können von Ivacaftor die Wirksamkeit herabsetzen.

 

Ärzte sollten mithilfe von Blutuntersuchungen regelmäßig die Leberfunktion der Anwender überprüfen. Bei stark eingeschränkter Leberfunktion sollten sie Ivacaftor nur dann verordnen, wenn der Nutzen die Risiken überwiegt. Zudem sollten diese Patienten die Therapie mit einer Dosierung von nur 150 mg Wirkstoff an jedem zweiten Tag beginnen. In Schwangerschaft und Stillzeit sollte der neue Wirkstoff nur zum Einsatz kommen, wenn dies eindeutig notwendig ist beziehungsweise der potenzielle Nutzen das potenzielle Risiko überwiegt.

 

Ivacaftor wurde in zwei randomisierten, placebokontrollierten Doppelblindstudien mit 219 Patienten untersucht. Diese wiesen die G551D- Mutation im CFTR-Gen auf mindestens einem Allel auf und hatten eine Einsekundenkapazität (FEV1) von mindestens 40 Prozent des Sollwerts. Eine der beiden Studien wurde mit Patienten ab zwölf Jahren, die andere mit Kindern von sechs bis elf Jahren durchgeführt.

Primärer Wirksamkeitsendpunkt war in beiden Studien die mittlere absolute Änderung des FEV1 nach 24-wöchiger Behandlung. Die Ergebnisse: Während sich in den Placebogruppen erwartungsgemäß keine nennenswerten Verbesserungen oder Verschlechterungen bei den FEV1-Werten ergaben, verbesserte sich die Lungenfunktion der Ivacaftor-Patienten nachweislich. Bei den Patienten ab zwölf Jahren ergab sich eine durchschnittliche Verbesserung des FEV1 um 10,4 Prozent. Ähnliche Ergebnisse wurden bei Kindern im Alter von sechs bis elf Jahren beobachtet (12,6 Prozent).

 

Die häufigsten Nebenwirkungen waren Bauchschmerzen (16 Prozent), Durchfall (13 Prozent), Schwindel (9 Prozent), Hautausschlag (13 Prozent), Reaktionen der oberen Atemwege (63 Prozent), Kopfschmerzen (24 Prozent) und Bakterien im Sputum (7 Prozent).

 

Aufgrund der begrenzten Daten zu den längerfristigen Wirkungen von Ivacaftor muss der Hersteller Daten aus einer laufenden Langzeitstudie vorlegen und eine Beobachtungsstudie über einen Zeitraum von fünf Jahren durchführen. Diese Daten wird ein Gremium der europä­ischen Arzneimittelbehörde EMA überprüfen. /

 

vorläufige Bewertung: Sprunginnovation

Kommentar

Echte Sprunginnovation

Mit Ivacaftor ist es erstmals gelungen, bei Mukoviszidose-Patienten gezielt in den Pathomechanismus einzugreifen. Zudem kann einigen Patienten zum ersten Mal eine personalisierte Therapie angeboten werden. Ivacaftor ist demnach vorläufig als eine echte Sprunginnovation einzustufen. Da jedoch nur etwa 4 Prozent Träger der G551D-Mutation im CFTR-Protein sind, wird es leider nur wenigen CF-Patienten helfen. Ich bin aber guter Hoffnung, dass weitere Mutationen aufgedeckt werden, die zu ähnlichen Therapieansätzen führen.

 

Professor Dr. Hartmut Morck

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