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Verkeimte Infusionen

Apotheke trifft keine Schuld

31.08.2010  17:28 Uhr

Von Daniela Biermann / Drei Kinder starben in der Mainzer Uniklinik, nachdem sie eine mit Darmbakterien verseuchte Nährlösung bekamen. Die Bakterien gelangten vermutlich beim Transport in die Flasche einer als Ausgangssubstanz genutzten Infusionslösung. Damit richtet sich der Verdacht nicht mehr gegen das Mainzer Apothekenpersonal. Die Hygiene- und Herstellungsleitlinien stehen trotzdem in der Diskussion.

Ein Haarriss, mit dem bloßen Auge nicht erkennbar, war vermutlich die Eintrittspforte für die Darm- und Umweltbakterien Escherichia hermanii und Enterobacter cloacae in die Glasflasche einer der eingesetzten Infusionslösungen. Am Freitag, 20. August, stellten Mitarbeiter der Uniklinik Mainz wie jeden Tag individuelle parenterale Nährlösungen für die pädiatrischen Intensivstationen her. Die Infusionen wurden ab 17 Uhr verabreicht, parallel ging eine Probe aus dem Rückstellmuster laut Verfahrensanweisung der Apotheke in die Mikrobiologie.

 

Am Samstagmorgen stellte das Labor eine Verkeimung fest, worauf die noch laufenden 24-Stunden-Infusionen abgehängt und andere Ausgangslösungen für die parenterale Ernährung verwendet wurden. Ebenfalls am Samstag bemerkten die Ärzte eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes mehrerer Säuglinge auf der Intensivstation, drei Kinder verstarben im Laufe der nächsten Tage. Ob sie an Sepsis und Endotoxinschock starben oder an ihren Grundleiden, wird laut Staatsanwaltschaft in den kommenden Wochen zu klären sein, soweit dies überhaupt möglich ist.

»Nur durch das Rückstellmuster konnten wir so schnell reagieren«, sagt Professor Dr. Irene Krämer, Direktorin der Apotheke der Univer­sitätsmedizin Mainz, gegenüber der Pharmazeutischen Zeitung. »Das hat vermutlich den anderen Kindern das Leben gerettet.«

 

Zunächst stand die Klinikapotheke unter Verdacht, denn eine manuelle Herstellung birgt die größte Gefahr für Kontaminationen. Eine Kom­mis­sion verschiedener unabhängiger Experten bescheinigte der Mainzer Klinikapotheke jedoch gründliches Arbeiten. »Wir haben den gesamten Herstellungsprozess in der Apotheke untersucht und als absolut regelkon­form und einwandfrei angesehen«, sagt Kommissionsleiter Professor Dr. Martin Exner, unter anderem Präsident der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene, in einer Mitteilung der Uniklinik Mainz. »Wir konnten keine Prozess- beziehungsweise Hygienemängel feststellen. Einer der Experten sagte vielmehr, dass die Apotheke der Universitätsmedizin auf europäischer Ebene zur Spitze zählt.«

 

Krämer bestätigte der PZ, dass sich das Personal nicht nur an die europäischen GMP-Richtlinien hält, sondern darüber hi­naus an spezifische Regeln für das aseptische Arbeiten in der Klinikapotheke. »Es gibt genügend Richtlinien, man muss sie nur einhalten«, kommentiert Krämer die aktuelle politische Diskussion um strengere Regeln. Gerade die GMP-Richtlinien seien für die Industrie gedacht, die in ihren Herstellungsprozessen weniger Menschen und damit weniger Fehlerquellen involviert als dies bei der patientenindividuellen Herstellung im Krankenhaus der Fall sei. »Wir brauchen daher noch höhere Anforderungen, zum Beispiel pharmazeutisches Personal, das speziell geschult wurde«, so Krämer, die auch Vorsitzende der ADKA – Bundesverband Deutscher Krankenhausapotheker ist. Natürlich habe man nach den Mainzer Todesfällen die eigene Herstellungspraxis kritisch überprüft. Die Expertenkommission habe jedoch nur vier minimale Verbesserungsvorschläge gehabt, zum Beispiel die Brillen des Personals vor der Herstellung zu desinfizieren.

 

Schaden beim Transport

 

»Auch eine strikte Umsetzung der GMP-Leitlinien hätte diesen Fehler nicht verhindern können«, sagt Krämer. Vielmehr forderte sie eine gute Transportpraxis, denn derzeit deutet alles darauf hin, dass die Flasche den Hersteller unversehrt verließ und beschädigt in der Apotheke ankam. Dafür sprechen auch die hohen Keimzahlen und die hohe Konzentration an Endotoxinen in der Rückstellprobe, die nach Expertenmeinung in der kurzen Zeit zwischen Herstellung und Verabreichung nicht hätte entstehen können.

 

Auf die Spur des Fehlers kam man eher zufällig: Bei der Ursachensuche stieß ein Mitarbeiter der Mikrobiologie leicht gegen die Flasche mit der Ausgangslösung, die daraufhin zerbrach. Normalerweise sind diese Flaschen jedoch relativ robust. Die Ermittlungen von Staatsanwaltschaft und Polizei gehen nun in diese Richtung. »Wir sind zwar erleichtert, dass der Herstellungsprozess in der Apotheke nicht fehlerhaft war«, so Krämer. »Doch jetzt, wenn der Schock nachlässt, wird uns die Tragik der Ereignisse immer mehr bewusst. Wir haben an ein derartig unwahrscheinliches Ereignis vorher nie gedacht.« /

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