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Appendizitis

Bei Kindern immer noch ein Notfall

Datum 18.08.2015  14:22 Uhr

Von Christina Müller / Klagen Kinder über Bauchschmerzen und treten gleichzeitig weitere Symptome wie Fieber, Appetitlosigkeit oder Erbrechen auf, könnte eine Appendizitis vorliegen. Die Erkrankung ist vor allem für Kleinkinder gefährlich und muss in der Regel unverzüglich operiert werden. Schnelles Handeln ist dann gefragt.

Die Appendizitis, umgangssprachlich als Blinddarmentzündung bezeichnet, hat zwar in den vergangenen Jahrzehnten viel von ihrem Schrecken verloren, stellt aber immer noch einen Notfall dar. Nicht rechtzeitig erkannt, kann sie auch heute noch zum Tod führen. Bei einer Appendizitis ist der Wurmfortsatz (Appendix vermiformis), eine Ausstülpung am oberen Ende des Dickdarms, der an dieser Stelle Blinddarm heißt, entzündet. Medizinisch betrachtet, ist der umgangssprachliche Ausdruck Blinddarmentzündung demzufolge nicht korrekt. Die Länge des Wurmfortsatzes variiert zwischen 2 und 20 cm, im Durchmesser ist er bis zu 1 cm breit. Als Teil des lymphatischen Systems enthält er viele immuno­logisch aktive Zellen und ist beim Gesunden an der Erregerabwehr beteiligt. Ist die Verbindung zum Blinddarm beispielsweise durch Kotsteine verstopft, stauen sich Sekrete im Wurmfortsatz. Darmbakterien können sich vermehren und eine Entzündungsreaktion auslösen.

Klassische Anzeichen einer Appendizitis sind neben den in der Regel starken Bauchschmerzen Übelkeit, Erbrechen und Appetitlosigkeit, Verstopfungsneigung sowie in späteren Stadien auch Durchfall. Oft tritt gleichzeitig Fieber auf, wobei die axillar gemessene Temperatur meist um mehr als 1° Celsius unter der rektal gemessenen liegt. Die Schmerzen manifestieren sich zunächst diffus um den Bauchnabel herum und wandern nach einigen Stunden in den rechten Unterbauch. Sie werden bei Druck auf die betroffene Region und Hüpfen auf einem Bein stärker. Bei ungewöhnlicher Lage des Wurmfortsatzes fehlt oft der typische Druckschmerz. Auch in der Schwangerschaft ist der Appendix häufig nach oben verschoben. Bricht der Wurmfortsatz durch, ergießt sich der Darminhalt in die Bauchhöhle. Eiter und Bakterien können dann eine Bauchfellentzündung auslösen. Unbehandelt kann dies dramatische Folgen haben.

 

Stellt der Arzt anhand einer körper­lichen Untersuchung, der Laborwerte und einer Differentialdiagnostik mittels Ultraschall eine Appendizitis fest, ist bei Kindern eine sofortige Operation die einzig richtige Maßnahme. Das betonte Professor Dr. Peter Vogt, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie (DGCH), am Rande des 132. Kongresses der DGCH in München. Dabei kann der Arzt sich anhand von patientenindividuellen Kriterien für eine offene Operation mit Bauchschnitt oder die Laparoskopie, einen minimalinvasiven Eingriff mit drei kleinen Schnitten, entscheiden.

 

Schmerzen, Fieber und Übelkeit

 

Wann die Situation ernst ist, ist jedoch oft sehr schwer zu erkennen. Gerade bei Kleinkindern treten häufig atypische Verläufe auf. Charakteristische Symptome wie Fieber oder Schmerzen können unter Umständen nur mild bis gar nicht in Erscheinung treten. Daher sollte bei akuten gastrointestinalen Beschwerden ohne erkennbaren Grund immer der Kinderarzt aufgesucht werden, um eine Appendizitis auszuschließen.

 

Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes wurde 2013 knapp 120 000 Bundesbürgern der Wurmfortsatz des Blinddarms entfernt. Damit lag die Appendektomie auf Platz 36 der am häufigsten durchgeführten Operationen in Deutschland. Bei Kindern rangierte sie sogar unter den Top fünf – rund 19 000 Heranwachsende unter 15 Jahren mussten sich dem gut 20-minütigen Eingriff unterziehen. Mit solch hohen Fallzahlen und vielen Jahrzehnten Erfahrung zählt die Append­ektomie zu den Routineoperationen. Um Komplikationen zu vermeiden, ist jedoch gerade bei Kindern wichtig, die Anzeichen für eine Entzündung des Wurmfortsatzes früh zu erkennen und richtig zu deuten. Denn das Zeitfenster zwischen dem Auftreten der ersten Symptome und einem möglichen Durchbruch ist umso kleiner, je jünger der Patient ist.

Eine US-amerikanische prospektive Beobachtungsstudie stellte 2010 einen Zusammenhang zwischen der verstrichenen Zeit bis zur Einlieferung ins Krankenhaus und der Perforationsrate bei Kindern mit Verdacht auf akutes Abdomen her: Von 202 Patienten zwischen 3 und 18 Jahren, denen der Appendix operativ entfernt wurde, litten 197 tatsächlich an einer Entzündung des Wurmfortsatzes. Das berichteten die Forscher um Dr. Chaitan Narsule von der Brown University, Providence, im »American Journal of Emergency Medicine« (DOI: 10.1016/j.ajem.2010.04. 005). Bei 10 Prozent der Kinder, die seit weniger als 18 Stunden über Symptome klagten, war er bereits durchgebrochen. 36 Stunden nach Auftreten der ersten Krankheitszeichen stieg die Perforationsrate auf 44 Prozent.

 

Eine Perforation verlängert auch die Genesungszeit. Die Studie zeigte, dass Kinder mit Perforation mit 4 bis 13 Tagen im Gegensatz zu 2 bis 6 Tagen deutlich mehr Zeit in der Klinik verbringen mussten. Das durchschnittliche Alter der Patienten, die einen Durchbruch erlitten, lag signifikant niedriger als das Durchschnittsalter derer, die unkomplizierte Verläufe aufwiesen.

 

Erwachsene zu häufig operiert

 

Anders gestaltet sich die Situation bei Erwachsenen. Hier kann die konservative Therapie mit Antibiotika durchaus eine Option sein, wie eine kürzlich im Fachjournal »JAMA« veröffentlichte Studie aus Finnland belegt (DOI: 10.1001/jama.2015.6154). Eingeschlossen waren 530 Patienten zwischen 18 und 60 Jahren, bei denen mittels Computertomografie eine akute Entzündung des Wurmfortsatzes diagnostiziert wurde. Davon wurden 273 Erkrankte sofort operiert, die anderen erhielten zunächst über drei Tage eine Infusion mit Ertapenem (1 g pro Tag) und anschließend sieben Tage lang oral dreimal täglich 500 mg Metronidazol und einmal täglich 500 mg Levofloxacin. Bei rund drei von vier Behandelten konnte so eine Operation umgangen werden und war auch während der Nachbeobachtungzeit von einem Jahr nicht nötig.

 

Die Tatsache, dass 70 Prozent der Patienten ohne Operation auskamen, sollte nachdenklich machen, heißt es in einem begleitenden Editorial (DOI: 10.1001/jama.2015.6266). Die Zeit sei gekommen, darüber nachzudenken, die Appendektomie als Routinetherapie für Patienten mit unkomplizierten Verläufen abzuschaffen. Dass die Appendizitis standardmäßig operiert werde, habe einen geschichtlichen Hintergrund: Der Eingriff wurde bereits 1889 durchgeführt – 40 Jahre vor der Entdeckung des ersten Antibiotikums. /

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