BVA will Sortimentsverträge begraben |
24.08.2010 17:38 Uhr |
Von Daniel Rücker / Das Bundesversicherungsamt (BVA) hat die Aufgabe, die Gesetzliche Krankenversicherung zu kontrollieren. Dabei sind der Behörde Probleme bei Rabattverträgen aufgefallen. Die Vereinbarungen der Krankenkassen mit Hausärzten hat das BVA in seinem Jahresbericht für 2009 ebenfalls ausführlich betrachtet.
Einmal im Jahr stellt das BVA die Ergebnisse seiner Prüftätigkeit zusammen. Neben der GKV kümmert sich die Behörde auch um Pflege-, Unfall und Rentenversicherung. In der Regel nehmen diese Bereiche weniger Raum ein als die GKV. So auch in diesem Jahr. Ein Grund dafür sind die Rabattverträge zwischen Krankenkassen und pharmazeutischen Herstellern. Vor allem bei den Sortimentsverträgen gebe es »strukturelle Verwerfungen«, schreibt BVA-Präsident Dr. Maximilian Gaßner im Vorwort zum Jahresbericht.
Fehlende Ausschreibung
Es sind vor allem vergaberechtliche Probleme, die die Behörde bei den Verträgen sieht, mit denen ein Hersteller einer Krankenkasse einen Preisnachlass auf sein gesamtes Arzneimittelportfolio oder zumindest einen Teil dessen einräumt. Viele dieser Verträge seien laut BVA in den Jahren 2006 bis 2008 abgeschlossen worden. Oft habe es keine Ausschreibung gegeben und viele Vereinbarungen seien nicht zeitlich befristet. In einigen Fällen würden sogar Präparate des Herstellers, die nach erst dem Vertragsabschluss in den Markt kamen, von den Verträgen erfasst. Das BVA sieht in diesen Fällen einen klaren Verstoß gegen das Vergaberecht. Nach heutiger Rechtsauffassung verstoßen die Verträge gegen das Vergaberecht, an das die Krankenkassen seit der Neufassung von § 69 SGB V zweifelsfrei gebunden sind. Seitdem müssten sie europaweit ausgeschrieben werden. Das BVA hatte bereits 2007 europaweite Ausschreibungen gefordert, dies aber nicht durchsetzen können.
Es ist nicht wirklich neu, dass das BVA Sortimentsverträge ablehnt. Mehrfach hat das Amt die Kassen in der Vergangenheit aufgefordert, diese Vereinbarungen auslaufen zu lassen. Manche Kassen haben dies ignoriert. Der Behörde scheint nun der Kragen zu platzen, denn im Jahresbericht kündigt sie aufsichtsrechtliche Mittel an. Aus den BVA-Aktivitäten lässt sich aber keine generelle Abneigung gegen Rabattverträge ableiten. Ausdrücklich geht es dem Amt nur darum, den ordnungspolitischen Rahmen zu sichern.
Für den Jahresbericht hat das BVA rund 200 Rabattverträge von Krankenkassen analysiert. Dabei wurde ein deutlicher Trend weg von Vereinbarungen über Generika, hin zu Verträgen über patentgeschützte Me-too-Arzneimittel festgestellt.
Neben den Rabattverträgen hat sich das Bundesversicherungsamt auch mit der hausarztzentrierten Versorgung intensiv beschäftigt. Grund dafür sind »erhebliche Umsetzungs- und Auslegungsprobleme« der 2009 geänderten Regelung. Seitdem dürfen die Krankenkassen nur noch Verträge mit Gemeinschaften von Allgemeinmedizinern schließen, die mindestens die Hälfte aller an der hausarztzentrierten Versorgung im jeweiligen KV-Bezirk beteiligten Allgemeinärzte repräsentieren. Damit wurde der Hausärzteverband faktisch zum Monopollisten.
Absprachen über Diagnosen?
BVA-Chef Gaßner sieht hier Probleme. Das spiegele sich auch in der Zahl von 1123 Anträgen auf Bestimmung einer Schiedsperson für die Verträge nach 73b SGBV wider. Zudem sieht Gaßner die Gefahr, dass Kassen und Hausärzte sich darüber verständigen können, über eine Bevorzugung bestimmter Diagnosen die Zuwendungen der Kasse aus dem Gesundheitsfonds zu erhöhen.
Zweifelhaftes Werben
Mit Befremden hat das BVA Methoden zur Kenntnis genommen, wie Krankenkassen neue Versicherte für sich gewinnen wollen. Dazu bedienen sie sich immer häufiger der Dienste privater Unternehmen. Dies ist laut BVA grundsätzlich zwar statthaft. Der Höhe der Prämie für die Werber sieht das Amt aber enge Grenzen gesetzt. Höchstens 75,60 Euro darf der neue Versicherte die Kasse kosten. Mehr sei nicht statthaft, da das Geld ja aus den Beiträgen der Versicherten stamme. Mit dem Betrag sind laut BVA alle Kosten des Werbers abgedeckt. Fahrtkosten oder eine Aufwandsentschädigung zusätzlich seien nicht erlaubt.
Auch bei den Instrumenten zur Kundenbindung sieht das BVA enge Grenzen. So handeln manche Krankenkassen Rabatte für ihre Versicherten bei Fahrschulen, Blumengeschäften oder Fast-Food-Restaurants aus. Das BVA hält davon nichts. Zwar koste dies die Kassen kein Geld, es sei aber definitiv nicht ihre Aufgabe, für die Versicherten Vergünstigungen dieser Art auszuhandeln. Der Wettbewerb der Kassen um Mitglieder »gleicht nicht dem Wettbewerb des Teppichhändlers um seine Mitglieder«, so der Chef des Bundeversicherungsamts. /