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Phytopharmaka

Zurück zur Natur

20.08.2008  11:26 Uhr

Phytopharmaka

<typohead type="3">Zurück zur Natur

Von Bettina Sauer, Mallorca

 

Pflanzliche Arzneimittel könnten in den Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenversicherung zurückkehren: durch Wahltarife. Zunehmend werben Krankenkassen mit maßgeschneiderten Versorgungsleistungen um Versicherte. Denn durch den Gesundheitsfonds lässt sich nicht mehr mit günstigen Beitragssätzen punkten.

 

Fünfzehn Prozent plus x. So hoch wird nächstes Jahr der Beitragssatz aller gesetzlichen Krankenkassen, schätzt Dr. Hans Jürgen Ahrens. Der Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes gab diese Prognose vergangenen Samstag bei einem Symposium des Pharmaunternehmens Bionorica auf Mallorca. Er warnte die Bundesregierung davor, einen zu niedrigen Beitragssatz festzulegen. »Wenn der Beitragssatz die Kosten der Gesetzlichen Krankenversicherung nicht abdeckt, dann scheitert der Gesundheitsfonds direkt bei der Einführung.«

 

Ahrens erläuterte auch die Funktionsweise des Fonds, der nächsten Januar startet. Speisen soll er sich aus den einheitlichen Versicherungsbeiträgen, die Arbeitgeber und Arbeitnehmer anteilig entrichten, sowie aus Steuermitteln, die im nächsten Jahr 4 Milliarden Euro betragen und stufenweise auf 14 Milliarden Euro steigen. Das Bundesversicherungsamt wird den Gesundheitsfonds verwalten und den etwa 210 Krankenkassen pro Versicherten einen Betrag zuweisen, der dessen unterschiedlichen Versorgungsbedarf berücksichtigt. Um diesen zu messen, dient der sogenannte Morbi-RSA, ein veränderter, morbiditätsorientierter Risikostrukturausgleich. Er beinhaltet 80 kostenintensive chronische Erkrankungen, die das Bundesversicherungsamt bereits ausgewählt hat. Die Höhe des Finanzausgleiches wird es im Herbst bekannt geben. Und voraussichtlich im November zeigt sich, ob Ahrens' Prognose stimmt. Dann nennt die Bundesregierung die Höhe des neuen einheitlichen Beitragssatzes.

 

Gesundheitsservice im Wettbewerb

 

Wenn eine Krankenkasse weniger ausgibt, als sie aus dem Fonds zugewiesen bekommt, kann sie Prämien für ihre Versicherten ausschütten. Im umgekehrten Fall muss sie einen Zusatzbeitrag erheben, der höchstens 1 Prozent des beitragspflichtigen Einkommens ausmachen darf. »Keine regionale AOK wird mit einem solchen Zusatzbeitrag beginnen«, kündigte Ahrend an. »Ausgleichszahlungen innerhalb des Bundesverbandes sollen dies verhindern.«

 

Dr. Rolf Koschorrek (CDU), Mitglied des  Bundestages und von dessen Gesundheitsausschuss, zeigte beim Symposium mögliche Gefahren durch den Gesundheitsfonds auf. Neben einer Unterfinanzierung, wie sie auch Ahrens befürchtet, sei dies vor allem eine Überregulierung des Gesundheitssystems.  »Der Fonds bietet aber auch Vorteile«, sagte Koschorrek. »Vor allem eröffnet er den Weg zu einem transparenten Wettbewerb in der Gesetzlichen Krankenversicherung, der die Qualität der medizinischen Versorgung in Deutschland verbessern könnte.« Denn wenn der Beitragssatz einheitlich sei, entscheide er nicht mehr über die Auswahl der Krankenkasse. »Vielmehr suchen die Versicherten ihre Krankenkasse dann verstärkt nach der Qualität der angebotenen Leistung und nach speziellen Angeboten aus.«

 

So erlaubt der Gesetzgeber den gesetzlichen Krankenkassen schon seit April 2007, Wahltarife anzubieten. »Diese Tarife scheinen den Wünschen der Versicherten zu  entsprechen«, sagte Ahrens. Für die Selbstbehaltstarife der AOK hätten sich bereits 50.000 Versicherte eingeschrieben. »Derzeit entwickeln wir weitere Wahltarife, darunter auch einen über Arzneimittel der besonderen Therapierichtungen. Denn laut Meinungsumfragen wünschen sich über 60 Prozent der GKV-Versicherten, dass ihre Krankenkasse einen Wahltarif für die Übernahme pflanzlicher Arzneimittel anbietet.«

 

Der Wahltarif der AOK sehe für einen 30-Jährigen eine Prämie von monatlich 7,50 Euro vor. Dafür bekomme er 90 Prozent der apothekenpflichtigen Naturarzneimittel erstattet, die der Arzt auf dem grünen Rezept verordnet. Der Jahresrechnungshöchstbetrag liege bei 200 Euro. »Durch diesen Wahltarif bekommen Versicherte die von ihnen ausdrücklich gewünschte nebenwirkungsarme Naturarznei wieder erstattet«, sagte Ahrens. »Zugleich stellen wir die Versorgung mit qualitativ hochwertigen pflanzlichen Arzneimitteln sicher, da wir die Verordnung durch den Arzt und die Abgabe durch den Apotheker zu Voraussetzungen machen.«

 

In seinem Vortrag begrüßte Professor Dr. Michael Popp den Vorstoß der AOK. Der Apotheker ist Vorstandsvorsitzender von Bionorica, einem Unternehmen mit Sitz in Neumarkt in der Oberpfalz, das pflanzliche Arzneimittel herstellt. Diese sind durch das Gesundheitsmodernisierungsgesetz seit 2004 von der Erstattung durch die  Krankenkassen ausgeschlossen. In der Folge fiel 2004 nach Popps Angaben das Netto-Umsatzvolumen des Phytopharmaka-Marktes, gerechnet auf den Apothekeneinkauf, von etwa 900 Millionen auf rund 800 Millionen Euro. 2007 lag der Wert etwas unter 800 Millionen Euro. Popp sagte: »Dass der Abfall nicht größer ist, zeigt die hohe Bereitschaft der Patienten, pflanzliche Arzneimittel aus eigener Tasche zu bezahlen.«

 

Die Bionorica AG hat in den vergangenen Jahren sogar deutlich zugelegt. Ihr Nettoumsatz kletterte Popp zufolge von 61,6 Millionen Euro im Jahr 2003 auf 105,6 Millionen Euro im Jahr 2007. Teils führte Popp diesen Trend auf die Erschließung neuer Märkte zurück, vor allem in Osteuropa. »Doch beobachten wir auch, dass Ärzte und Apotheker unsere Produkte empfehlen, da sie moderne medizinische Anforderungen erfüllen.«

 

Unter anderem baue das Unternehmen alle vermarkteten Heilpflanzen unter kontrollierten, standardisierten Bedingungen an und nutze für jede Sorte ein einheitliches, selbst entwickeltes Saatgut. Popp erläuterte die Notwendigkeit: »Aufgrund der genetischen Ausstattung, der klimatischen Bedingungen, der Bodenbeschaffenheit, des Erntezeitpunktes und weiterer Faktoren schwankt das Muster der Inhaltsstoffe innerhalb ein und derselben Heilpflanzenart erheblich. Diese Unterschiede beeinflussen die Qualität der Medikamente, die aus den Pflanzen stammen.« Dasselbe gelte auch für die Trocknungsweise der Ernteprodukte und die Extraktion, mit der sich die Inhaltsstoffe aus dem biologischen Material lösen lassen. »Deshalb erfolgen auch diese Verfahren bei uns standardisiert.«

 

Weiterhin intensiviere das Unternehmen seine Naturstoffforschung, um bislang unbekannte wirksame Inhaltsstoffe von Heilpflanzen als Grundlage neuer Medikamente aufzuspüren. »Auch unsere bereits am Markt erhältlichen Extrakte erforschen wir mit Hilfe von Zell- und Tierversuchen noch genauer auf ihre pharmakologischen Eigenschaften.« Weiterhin führe das Unternehmen kontrollierte klinische Studien nach modernen wissenschaftlichen Maßstäben durch, um die Wirksamkeit ihrer Extrakte zu überprüfen.

 

Mehr klinische Studien gefordert

 

In diesem letzten Bereich engagierten sich die Hersteller pflanzlicher Arzneimittel nicht ausreichend, mahnte Dr. Jürgen Bausch, Ehrenvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen und Mitglied des Gemeinsamen Bundesausschusses. »Die Beleglage für die klinische Wirksamkeit pflanzlicher Arzneimittel ist ausgesprochen schlecht, wie Literaturanalysen des Gemeinsamen Bundesausschusses zeigen.« Abhilfe schaffen könnte möglicherweise ein Vorschlag, den Popp beim Symposium machte: Die Krankenkassen sollten pflanzliche Arzneimittel wieder erstatten, wenn ihre Wirksamkeit in kontrollierten klinischen Studien belegt ist. »Auf diese Weise könnte jeder Phytopharmaka-Hersteller prüfen, ob es ihm unternehmerisch wert ist, teure klinische Studien durchzuführen.«

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