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AOK-Rabattverträge II

BSG kritisiert BGH-Entscheidung

Datum 19.08.2008  16:23 Uhr

AOK-Rabattverträge II

<typohead type="3">BSG kritisiert BGH-Entscheidung

Von Siegfried Löffler, Kassel

 

Zwischen dem Bundesgerichtshof (BGH) und dem Bundessozialgericht (BSG) herrscht dicke Luft. Die BGH-Entscheidung zur Zuständigkeit bei Rabattvereinbarungen hat bei den BSG-Richtern Kopfschütteln ausgelöst. Sie sehen weiter die Sozialgerichte als zuständig an und halten diese nicht für zu langsam.

 

Die Richter des für die Gesetzliche Krankenversicherung zuständigen Ersten Senats des Bundessozialgerichts in Kassel hatten im Beschluss B 1 SF 1/08 R vom 22. April 2008 (also knapp ein Vierteljahr vorher) zugunsten des Rechtswegs vor den Sozialgerichten entschieden. Besonders eine Bemerkung des beim BGH erfolgreichen Anwalts, die Sozialgerichte seien bedeutend langsamer als die ordentlichen Gerichte, stößt in der Sozialgerichtsbarkeit auf Unverständnis. Das kann nicht verwundern, war das BSG doch jahrzehntelang, was die Dauer der Erledigungen angeht, der schnellste der fünf Obersten Gerichtshöfe des Bundes.

 

Schnelle Reaktion

 

Tatsächlich scheint die Kritik an der Prozessdauer nicht wirklich berechtigt zu sein. Die Kasseler Richter zitieren dafür den Vergleich B1 KR 28/05 R vom 27. März 2006. Hier wurde die GKV dazu verpflichtet, einem Versicherten, für dessen lebensbedrohliche Erkrankung es keine allgemein anerkannte Behandlungsmethode gab, die Kosten für eine in dieser Indikation nicht erstattungsfähigen Behandlungsmethode zu übernehmen, »wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht«. Das Bundesverfassungsgericht hat durch den Beschluss 1 BvR 347/98 vom 6. Dezember 2005 ein ablehnendes BSG-Urteil kassiert. Das BSG reagierte knapp vier Monate später. Und auch im Fall der AOK-Rabattverträge vergingen zwischen Eingang des Rechtstreits beim Sozialgericht Stuttgart und Beschluss des BSG nur fünf Monate.

 

Unzufrieden sind die BSG-Richter auch mit einer anderen Position des BGH. Dessen Reaktion auf die Entscheidung des BSG erweckt den (aus Sicht der Kasseler Richter unzutreffenden) Eindruck, das BSG habe die Rechtswegfrage nur für den vom BGH zu beurteilenden Fall entschieden. Das sieht man in Kassel anders.

 

Aus der 25-seitigen Begründung des BSG-Beschlusses ergibt sich eindeutig, dass das BSG die Rechtswegfrage generell geklärt und für Streitigkeiten über die Vergabe von Rabattverträgen den Rechtsweg zu den Sozialgerichten bejaht hat.

 

Bei der gründlichen Lektüre der BGH-Entscheidung spürt man die Verärgerung der Karlsruher Richter, dass nicht sie, sondern die Kasseler Kollegen zuerst die Gelegenheit hatten, über die Rechtswegfrage zu entscheiden und der BGH nur als Zweiter durchs Ziel ging. Hier bietet sich ein aktueller Blick zu den Olympischen Spielen an, bei denen knapp Unterlegene zuweilen einige Zeit brauchen, sich mit den Realitäten abzufinden. Zur Außenwirkung oberster Bundesgerichte passt das eigentlich nicht. Dem BGH ist aus Sicht des BSG jedenfalls gegenwärtig der Weg versperrt, den Oberlandesgerichten die Zuständigkeit für Rabattverträge zuzuweisen.

 

Bei dem Streit über die Zuständigkeit der Zivil- oder Sozialgerichte spielen natürlich auch die unterschiedlichen Interessen von großen Pharmaunternehmen und Krankenkassen eine Rolle. Darauf geht das BSG in seinem Beschluss unter der Randnummer 7 ein: »Im Bereich der GKV ist zu berücksichtigen, dass die Krankenkassen aufgrund ihrer gesetzlichen und unabweisbaren Leistungsverpflichtung gegenüber den Versicherten zur Versorgung mit Arzneimitteln verpflichtet sind und Arzneimittel zu den von den Pharmaherstellern verlangten Preisen beschaffen müssen. Bis zum Abschluss eines Rabattvertrages scheidet damit eine vom Gesetzgeber gewollte Substitution ärztlich verordneter Arzneimittel durch preisgünstigere wirkstoffgleiche Rabattarzneimittel aus. Die in Rabattangelegenheiten getroffene Aufschubentscheidung wirkt deshalb bis zur Zuschlagerteilung endgültig und vereitelt bis zu diesem Zeitpunkt die Möglichkeit der Krankenkassen, Arzneimittel zu rabattierten Preisen zu beschaffen.«

 

Kompliziertes Vergaberecht

 

Der Streit um die Zuständigkeit der Zivil- oder Sozialgerichte macht das Dilemma der optimalen Arzneimittelversorgung zu erträglichen Preisen deutlich: Das Vergaberecht soll einerseits allen Marktteilnehmern die Chance bieten, bei Verträgen der öffentlichen Hand berücksichtigt zu werden. Wenn die öffentliche Hand (also die Krankenkassen) in die Lage versetzt wird, zu den wirtschaftlichsten Bedingungen einzukaufen, schont sie damit die Steuer- und Beitragszahler. Nicht nur aus der Sicht des BSG ist das Vergaberecht derzeit so kompliziert, dass es sich nur wenige Großunternehmen leisten können, spezielles Personal zur Handhabung des Vergaberechts zu beschäftigen. Das führt in der Praxis auf der Abgabeseite zu einer Unausgewogenheit zwischen großen und kleinen Betrieben der Pharmaindustrie.

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