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Krebstherapie

Alte Bekannte, verborgene Fähigkeiten

12.08.2008  16:20 Uhr

Krebstherapie

<typohead type="3">Alte Bekannte, verborgene Fähigkeiten

Von Sven Siebenand

 

Methadon und Vitamin C: Zwei Substanzen, die man nicht unbedingt als Krebsmittel bezeichnen würde. Das könnte sich ändern, wenn sich die Ergebnisse bestätigen, die Forschergruppen in der vergangenen Woche veröffentlicht haben.

 

Methadon statt Chemo? Gar nicht so unrealistisch. Per Zufall haben Wissenschaftler des Instituts für Rechtsmedizin der Universität Ulm kürzlich nachweisen können, dass Methadon in der Lage ist, Leukämiezellen abzutöten. Wie das Team um Dr. Claudia Friesen im Fachmagazin »Cancer Research« (Band 68, Seiten 6059 bis 6064) berichtet, ist diese Wirkung des Suchtersatzstoffes sogar bei Chemotherapie- und bestrahlungsresistenten Zellen zu beobachten.

 

Für ihre Versuche verwendeten die Wissenschaftler Zelllinien einer lymphoblastischen T-Zell-Leukämie und einer myeloiden Leukämie, auf deren Oberfläche sich Opioidrezeptoren befinden, die Methadon binden. Warum die Blutzellen überhaupt mit diesen Rezeptoren ausgestattet sind, ist bisher noch unklar. Behandelten die Forscher die Krebszellen mit Methadon, geschah etwas Überraschendes: Die Zellen starben ab. Methadon war ebenso effektiv wirksam wie eine Standard-Chemotherapie oder eine Bestrahlung. Ob für kurze Zeit eine hohe Opioid-Dosis oder langfristig eine niedrige Dosis gewählt wurde, machte dabei keinen entscheidenden Unterschied. Und: Gesunde Zellen überlebten beide Methadon-Dosierschemata problemlos. Was man von gesunden Zellen, die einer Standard-Chemotherapie ausgesetzt sind, nicht behaupten kann.

 

Befehl zum Selbstmord

 

Den Forschern zufolge setzt Methadon Mechanismen der Apoptose, des programmierten Zelltods, in Gang. Dabei spielen Caspasen, genauer gesagt die Caspase-3 und die Caspase-9, eine wichtige Rolle. Die Aktivierung dieser Enzyme, die für die gesunde Entwicklung einer Zelle und für deren Reaktion auf eine schwere Beschädigung oder Infektion verantwortlich sind, leitet den Zelltod ein.

 

Dass Methadon auch solche Krebszellen zerstört, die auf eine Chemo- oder Radiotherapie nicht mehr ansprechen, fand Friesens Team in Versuchen mit Doxorubicin-, Multidrug- und Apoptose-resistenten Leukämiezellen heraus. Als nächstes wollen die Wissenschaftler in Tierversuchen prüfen, ob sich die Ergebnisse bestätigen lassen. Laut Friesen könnte sich Methadon nicht nur zur Leukämie-Therapie, sondern auch zur Behandlung anderer Krebsarten eignen. Die Entwicklung einer möglichen Methadon-Abhängigkeit wäre im Fall einer effektiven Krebstherapie sicher das kleinere Übel.

 

Vitamin-C-Spritze bei Krebs

 

Neben Methadon machte in der vergangenen Woche eine weitere, gut bekannte Substanz als möglicher Hoffnungsträger in der Krebstherapie auf sich aufmerksam: Vitamin C.

 

Hoch dosierte Ascorbinsäure-Injektionen verzögern bei Mäusen das Tumorwachstum. Zu diesem Ergebnis kommt die Arbeitsgruppe um Dr. Mark Levine von den National Institutes of Health in Bethesda. Wie die Wissenschaftler in »Proceedings of the National Academy of Science« (Doi: 10.1073/pnas.0804226105) berichten, ist auch die Anwendung beim Menschen aussichtsreich, vor allem bei der Therapie aggressiver Tumoren mit schlechter Prognose.

 

Den tierexperimentellen Studien waren Laborversuche mit Zelllinien vorausgegangen. Insgesamt testeten die Wissenschaftler die Auswirkung hoher Dosen Vitamin C an 43 unterschiedlichen Krebszelllinien. In drei von vier Fällen konnten sie einen Antitumor-Effekt nachweisen. Andererseits konnten selbst hohe Dosen Ascorbinsäure gesunden Zellen nichts anhaben.

 

Im nächsten Schritt testeten die Forscher das Vitamin an Mäusen, die an einem aggressiven Tumor der Bauchspeicheldrüse, der Eierstöcke oder des Gehirns erkrankt waren. Entweder intravenös oder intraperitoneal spritzten sie den Tieren Ascorbinsäure in einer Dosierung von bis zu 4 g pro kg Körpergewicht. Das Ergebnis: Bei allen drei Krebsarten reduzierten sich Tumorwachstum und -gewicht um 41 bis 53 Prozent. Im Falle der an Hirntumor-erkrankten Mäusen machte Levines Team eine weitere Entdeckung. Bei 30 Prozent der Tiere in der Kontrollgruppe traten Metastasen in anderen Organen auf. Bei Mäusen, die Ascorbinsäure injiziert bekommen hatten, konnten die Wissenschaftler das nicht feststellen.

 

Vom Antioxidans zum Prooxidans

 

Wie lassen sich diese Ergebnis erklären? In normalen Dosen wirkt Vitamin C als Antioxidans, das Zellen vor freien Radikalen schützt. In hoher Konzentration wirkt es genau entgegengesetzt. Aus dem Antioxidans wird ein Prooxidans, so die Forscher. Es komme zur Bildung von freien Radikalen und Wasserstoffperoxid. Bei gesunden Zellen löst das keine akuten Schäden aus, ein Großteil der Krebszellen wird dadurch aber zerstört. Die Wissenschaftler machen darauf aufmerksam, dass dies nicht geschieht, wenn das Vitamin geschluckt wird, da der Körper im Verdauungstrakt Schutzmechanismen gegen Radikale entwickelt hat. Eine orale Aufnahme, zum Beispiel über Vitamintabletten, erzielt demnach nicht diese Wirkung. In weiteren Versuchen wiesen die Wissenschaftler nach, dass sich auch beim Menschen durch die intravenöse Gabe hoher Vitamin-C-Dosen Konzentrationen im Blut erreichen lassen, die für eine Zerstörung von Tumorzellen notwendig sind.

 

Über den möglichen Nutzen einer Hochdosis-Therapie mit Vitamin C bei Krebspatienten wird seit Jahrzehnten immer wieder diskutiert. Schon vor mehr als 30 Jahren gab es Hinweise darauf. In zwei placebokontrollierten Doppelblindstudien aus den Jahren 1979 und 1985 konnte ein Nutzen jedoch nicht nachgewiesen werden. Die Studienteilnehmer hatten hohe Dosen Vitamin C erhalten – allerdings oral, nicht parenteral. Levine kündigte an, dass (aufbauend auf den neuen Erkenntnissen) nun neue Studien zur Behandlung von Onkologie-Patienten mit Ascorbinsäure in Planung sind.

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