Pharmazeutische Zeitung online
Vorläufige Stellungnahme der AMK

NDMA-Belastung ist besorgniserregend

01.08.2018  10:11 Uhr

AMK / Lange war nicht bekannt ob, und wenn ja, in welcher Menge NDMA in den vom Rückruf betroffenen valsartanhaltigen Fertig­arzneimitteln enthalten ist. Das Zentrallaboratorium Deutscher Apotheker lieferte hierzu nun erstmals konkrete Zahlen. Basierend auf den Ergebnissen hat die AMK eine vorläufige Stellungnahme zum ­toxikologischen Risiko für betroffene Patienten vorgenommen.

Dimethyl-N-nitrosamin (NDMA) ist ein potentes chemisches Kanzerogen aus der Stoffklasse der N-Nitrosamine. In mehreren tierexperimentellen Studien, unter anderem an Ratten, Mäusen, Hamstern, Meerschweinchen und ­Kaninchen erwies sich NDMA sowohl nach inhalativer als auch nach oraler, subkutaner, intramuskulärer und intraperitonealer Gabe als krebserzeugend in der Leber, Niere, Lunge und den Blutgefäßen. Eine Langzeitbehandlung an Ratten mit (niedrigen) Konzentrationen, führte zur Induktion von Leber­tumoren; eine kurzfristige Exposition hoher Dosierungen vor allem zu ­Nierentumoren.

 

NDMA kann durch Cytochrom P4502E1 (CYP2E1) entweder denitrosiert oder α-hydroxyliert werden. Das α-Hydroxy-NDMA kann dann weiter zu Formaldehyd und Monomethyl-N-­nitrosamin verstoffwechselt werden, aus dem über ein Diazohydroxid-Intermediat das stark alkylierende Methyldiazonium-Kation (CH3N+≡N) gebildet wird. Dieser Metabolit ist aufgrund von DNA-Adduktbildung für die Gentoxizität von NDMA verantwortlich.

 

Mittels der im ZL ent­wickelten ­Methodik wurden NDMA-Gehalte ­zwischen 3,7 und 22,0 µg/Tablette für die untersuchten Stichproben derjenigen Arzneimittel gefunden, die ihren Wirkstoff vom chinesischen Hersteller Zhejiang Huahai Pharmaceutical Co. Ltd. bezogen haben. In Produkten, die nicht vom Rückruf betroffen waren, konnte NDMA nicht nachgewiesen werden.

 

Bei potenten, gentoxischen Kanzerogenen wie im Fall einiger N-Nitros­amine ist nicht zweifelsfrei von einer unwirksamen Schwellendosis auszugehen. So können bereits kleinste Mengen krebsauslösend wirken, allerdings in einem dosisgemäß geringen Ausmaß. Daher wird für solche Stoffe keine maximale, duldbare tägliche Aufnahme (TDI; tolerable daily intake) abgeleitet. Vielmehr wird häufig versucht, die Exposition ­soweit wie möglich zu minimieren und das ALARA-Prinzip (»As Low As Reasonably Achievable«) anzuwenden.

 

Das ZL vergleicht in seiner Stellungnahme den NDMA-Gehalt in gepökeltem Fleisch und Bier, um die ermittelten NDMA-Werte in den Valsartan-­Fertigarzneimitteln einzuschätzen. Für gepökelte Produkte konnte durch ­­diverse Maßnahmen der NDMA-Gehalt auf 2,5 µg/kg reduziert werden. Für Bier existiert ein technischer Richtwert von 0,5 und für Malz von 2,5 µg/kg, die gemäß einer vor kurzem durchgeführten Untersuchung nicht überschritten wurden.

 

In der europäischen EPIC-EURGAST Studie wurde die tägliche NDMA-­Belastung mit der Nahrung auf 0,19 bis 0,34 µg für den Erwachsenen entsprechend circa 3 bis 6 ng/kg KG und Tag für einen Erwachsenen mit 60 kg Körpergewicht (KG) abgeschätzt. Zwischen der Höhe der Belastung und der Magenkrebsinzidenz war kein Zusammenhang erkennbar. Allerdings war nach Einschätzung der Autoren das abgeschätzte Ausmaß der endogenen Bildung von N-Nitrosoverbindungen (aus Nitrat, Nitrit und Aminen) mit circa 20 bis 90 µg/Tag wesentlich höher und korrelierte auch mit dem Magenkrebsrisiko.

 

Im Tierversuch verursachte NDMA, das mit dem Trinkwasser verabreicht wurde, Lebertumoren an Ratten. Diese traten ab einer Dosis von 109 µg/kg KG und Tag auf. Aus den tierexperimen­tellen Daten wurden folgende toxiko­logische Deskriptoren abgeleitet: Der T25-Wert (Tumoren bei 25 Prozent der Tiere) wurde auf 150 µg/kg KG und Tag abgeschätzt. Berechnungen zum BMDL10-Wert (untere Vertrauensgrenze der Dosis, die bei 10 Prozent der Tiere Tumoren auslöst) lagen bei 62 bis 81 µg/kg KG und Tag. Damit lässt sich, zum Beispiel anhand der Daten der EPIC-EURGAST-Studie, ein Margin of Expo­sure (MoE; Verhältnis zwischen dem ­toxikologischen ­Deskriptor und der ­relevanten Human-Dosis) von 62 µg/kg KG und Tag : ­6 ng/kg KG und Tag ­≈ 10.000 berechnen. Dieser MoE kann noch als »may be of low concern« eingestuft werden.

 

Im Vergleich hierzu kann durch die Einnahme einer kontaminierten Tablette aus den vorliegenden Untersuchungsmustern eine tägliche Belastung von bis zu 22 µg NDMA, das heißt von circa 370 ng/kg KG und Tag erfolgen. Daraus würde sich ein MoE von 62 µg/kg KG und Tag : 370 ng/kg KG und Tag ≈ 170 berechnen lassen. Ein derart geringer MoE muss als besorgniserregend eingestuft werden und macht Maßnahmen zur Verhinderung einer weiteren Exposition dringend erforderlich.

 

Die Exposition erhöht und der MoE verringert sich bei Einnahme von täglich zwei Tabletten, wie zur Behandlung der Herzinsuffizienz und nach Myokardinfarkt mit symptomatischer Herzinsuffizienz oder linksventrikulärer systolischer Dysfunktion empfohlen.

 

Folgendes Fazit zieht die AMK: Das ZL konnte in acht von 16 stichprobenartig ausgewählten Valsartan-haltigen Produkten das kanzerogene NDMA in einer Menge von 3,7 bis 22,0 µg/Tablette nachweisen. Anhand der Abschätzung der maximalen täglichen Belastung lässt sich ein MoE von etwa 170 berechnen, der als besorgniserregend einzustufen ist. Im Sinne der Patientensicherheit ist eine weitere Exposition unbedingt zu verhindern. /

 

Literatur bei den Verfassern

Für die AMK

Professor Dr. Dieter Schrenk, Lebensmittelchemie und Toxikologie, Technische Universität Kaiserslautern (Mitglied der AMK).

 

Dr. André Said und Professor Dr. Martin Schulz, Leiter der Geschäftsstelle beziehungsweise Vorsitzender der AMK

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