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Hitzewellen

Eine zunehmende Gesundheitsgefahr

15.07.2015  09:38 Uhr

Von Christina Hohmann-Jeddi / Hitzewellen stellen bereits jetzt eine ernst zu nehmende Gesundheitsgefahr dar, und sie werden an Dauer, Häufigkeit und Intensität noch zunehmen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) fördert daher den Aufbau von Hitzewarnsystemen weltweit. In Deutschland existiert ein entsprechendes System des Deutschen Wetterdienstes seit 2005.

Die meisten mögen’s heiß, aber zu heiß sollte es auch nicht sein. Hitzewellen mit anhaltend hohen Temperaturen über mehrere Tage sind ein Naturereignis, das die Gesellschaft stark beeinflussen kann: Es wirkt sich auf die Gesundheit der Menschen aus, aber auch auf ihre Nahrungsmittelversorgung und die Infrastruktur.

Aufgrund des Klimawandels wird die Zahl der Hitzewellen weltweit zunehmen, glaubt die WHO. Sie hat die Zusammenarbeit mit der Weltorganisation für Meteorologie (WMO) verstärkt, um die Folgen dieser Entwicklung für die Gesundheit der Bevölkerung abzumildern. »Hitzewellen sind ein gefährliches Naturereignis, das erhöhter Aufmerksamkeit bedarf«, erklärt Maxx Dilley, Leiter der WMO-Abteilung Klimavorhersage und Adaptation. Ihnen fehle die dramatische Kraft von Naturkatastrophen wie Wirbelstürmen oder Überflutungen, dennoch könnten die Auswirkungen enorm sein.

 

Gesundheitliche Schäden und Todesfälle lassen sich durch die Etablierung von Hitzewellen-Frühwarnsystemen reduzieren, so die WHO. Sie hat daher mit der WMO eine Anleitung zum Aufbau von entsprechenden Warnsystemen erarbeitet und nun veröffentlicht. Die Publikation soll Ländern helfen, meteorologische Daten zu nutzen, um ihre Bevölkerung rechtzeitig über bevorstehende Hitzeperioden zu informieren. Einige Regierungen haben solche Systeme bereits erfolgreich etabliert.

 

Eine Vorbereitung ist nötig, denn laut eines Berichts der Lancet-Kommission Gesundheit und Klimawandel, der Ende Juni im Fachjournal »The Lancet« erschien, werden Hitzewellen in vielen Regionen der Welt zunehmen. Extreme Hitze wie derzeit in Indien, 2003 in Europa oder 2010 in Russland wird demnach im Sommer zur Norm werden. »Der Klimawandel ist die größte Gesundheitsbedrohung des 21. Jahrhunderts«, heißt es in dem Bericht (DOI: 10.1016/S0140-6736(15)60854-6).

 

Hitzewellen werden die Norm

 

Die Auswirkungen des Klimawandels seien heute schon spürbar und würden Voraussagen zufolge in Zukunft ein »inakzeptabel hohes und potenziell katastrophales Risiko für die menschliche Gesundheit darstellen«. Die globale Erwärmung kann die Gesundheit dabei auf verschiedene Arten direkt oder indirekt beeinflussen. Eine direkte Bedrohung stellt etwa die Häufung ungewöhnlicher Wetterereignisse wie Hitzewellen, Sturm, Überflutungen, Dürren oder Feuer dar, eine indirekte die dadurch bedingte Verbreitung von Erkrankungen und die reduzierte Verfügbarkeit von Nahrungsmitteln und Wasser.

 

Die Gesundheitsrisiken durch Hitzewellen werden noch verschärft durch den wachsenden Anteil älterer Menschen an der Bevölkerung. Sie sind durch Hitze besonders gefährdet. Ein weiteres Problem stellt die zunehmende Migration in Großstädte dar, denn Städte heizen sich bei hohen Temperaturen stärker auf als ländliche Gebiete, ein Phänomen, das als urbaner Hitze-Insel-Effekt bekannt ist. Gebäude und Straßen speichern die Hitze bei Sonneneinstrahlung und geben sie bei Nacht ab, ohne dass eine Evaporationskühlung entsteht, wie es bei feuchtem Untergrund in ländlichen Gebieten der Fall ist. Dadurch kann die Temperatur in Großstädten um 1 bis 3° Celsius am Tag und um bis zu 12° Celsius in der Nacht höher liegen als auf dem Land.

 

Effekte auf die Gesundheit

 

Hitze ist eine Belastung für den menschlichen Organismus. Ist er ihr über einen längeren Zeitraum ausgesetzt, kann die Körperkerntemperatur steigen; im schlimmsten Fall droht ein Hitzschlag. Schon ein geringer Temperaturanstieg wird registriert und löst im Hypothalamus zwei Thermoregulationsmechanismen aus. Zum einen erhöht sich die Durchblutung der Haut, wodurch das Herzzeitvolumen, also die Pumpleistung des Herzens, ansteigt. Die Anpassung stellt eine Belastung für das Herz-Kreislauf-System dar, vor allem bei bereits vorliegender Schädigung. Zum anderen beginnt der Körper zu schwitzen. Bis zu zwei Liter Schweiß kann der Mensch pro Stunde bilden und dadurch erhebliche Mengen an Flüssigkeit, aber auch an Natrium und Kalium verlieren. Dies kann das Herz-Kreislauf-System zusätzlich belasten, vor allem wenn Flüssigkeit und Elektrolyte nicht adäquat ersetzt werden (lesen Sie dazu auch Sportgetränke: Natriumgehalt beachten).

Hitze kann neben Hitzschlag auch zu Beschwerden wie Erschöpfung, Krämpfen, Ohnmacht und Ödemen führen. Außerdem können sich bestehende Erkrankungen der Lunge, des Herzens oder der Niere verschlechtern und schwere Dehydratationszustände entstehen. Die wenigsten Todesfälle oder Komplikationen gingen direkt auf eine Erhöhung der Körperkerntemperatur zurück, sondern auf die Verschlechterung von bestehenden Erkrankungen, so die WHO. Besonders gefährdet sind ältere Menschen, chronisch Kranke, allein lebende und pflegebedürftige Personen sowie Kleinkinder. Aber auch Menschen, die im Freien arbeiten oder in der Nähe von industriellen Wärmequellen wie Hochöfen, haben ein erhöhtes Risiko für hitzebedingte Gesundheitsschäden.

 

Frühwarnsysteme können die hitzebedingte Mortalität und Morbidität senken. Der Deutsche Wetterdienst (DWD) hat ein entsprechendes System bereits im Mai 2005 etabliert. »Auslöser war die extreme Hitzewelle 2003«, berichtet DWD-Pressesprecher Uwe Kirsche der Pharmazeutischen Zeitung. In jenem Jahr überstiegen die Temperaturen die 40°-Celsius-Marke. Schätzungen zufolge starben in diesem Extremsommer in Deutschland zwischen 3500 und 7000 Menschen durch die Hitze, europaweit sogar bis zu 70 000. Danach habe man angefangen, ein bundesweites Hitzewarnsystem aufzubauen, das mit allen Bundesländern abgestimmt werden musste, so Kirsche. Es basiert auf der Berechnung der gefühlten Temperatur, in die unter anderem auch die Luftfeuchtigkeit und die Sonneneinstrahlung mit einfließt. »Es kommt darauf an, wie die Menschen die Hitze erleiden«, sagt Kirsche.

 

Warnsystem in zwei Stufen

 

Das System sieht zwei Warnstufen vor: die erste bei gefühlten 32° Celsius, die zweite bei gefühlten 38° Celsius. Werden die Kriterien erreicht, gibt der DWD an die Landkreise entsprechende Warnungen heraus. »Wir haben mit jedem Bundesland vereinbart, wer die Meldung erhalten soll«, erklärt Kirsche. Empfänger sind Gesundheits- oder Innenministerien, Alten- und Pflegeheime, Krankenhäuser, Rettungsdienste und Katastrophenschutz-Organisationen. Die Warnungen werden in der Regel per E-Mail oder SMS versandt, zusätzlich wird über das Internet auf www.wettergefahren.de die breite Öffentlichkeit informiert. »Das Ziel ist immer dasselbe: die hitzebedingte Mortalität zu senken«, sagt Kirsche.

 

Erhöhte Sensibilisierung

 

Der Erfolg sei offensichtlich. Eine so hohe Zahl an Todesfällen wie im Sommer 2003 habe es seit Einführung des Warnsystems nicht mehr gegeben. Wobei dies nur zum Teil dem Warnsystem, zum Teil aber auch den meteorologischen Verhältnissen zuzuschreiben sei, räumt Kirsche ein. Durch das System konnte aber eine hohe Sensibilisierung für die Problematik erreicht werden. Der Vorteil einer Warnung im Vergleich zur normalen Wettervorhersage sei der Alarmierungseffekt. Dadurch werde die Meldung ernstgenommen und Präventionsmaßnahmen eingeleitet. Gerade in Alten- und Pflegeheimen werde dann verstärkt auf die Trinkmenge der Bewohner geachtet, die Zimmertemperatur kontrolliert und Bewohner vorsorglich in kühlere Räume verlagert. Die Zahl der Todesfälle könne auf diese Weise gesenkt werden. Kirsche ist überzeugt: »Das Hitzewarnsystem ist eine erste erfolgreiche Anpassung an den Klimawandel.« /

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