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NOAK

Antidota auf der Zielgeraden

14.07.2015  16:25 Uhr

Von Kerstin A. Gräfe / Einer der Hauptkritikpunkte an den neuen oder auch direkten oralen Antikoagulanzien (NOAK beziehungsweise DOAK) ist das Fehlen spezifischer Antidota. Es ist allerdings nur noch eine Frage der Zeit, bis erste Substanzen verfügbar sein werden. Denn mit dem gegen Dabigatran gerichteten Antikörper Idarucizumab steht eines bereits kurz vor der Zulassung. Weitere Kandidaten befinden sich in Phase III der klinischen Prüfung.

In Deutschland sind als NOAK derzeit der Thrombin-Antagonist Dabigatran (Pradaxa®) sowie die Faktor-Xa-Inhibitoren Apixaban (Eliquis®), Edoxaban (Lixiana®) und Rivaroxaban (Xarelto®) zugelassen. Für alle vier befinden sich derzeit Substanzen zur spezifischen Aufhebung der gerinnungshemmenden Wirkung in der klinischen Prüfung.

 

Erste Zulassung noch in diesem Jahr

 

Mit Blick auf den Zeitpunkt der Zulassung dürfte der Antikörper Idarucizu­mab, ein Antidot gegen Dabigatran, das Rennen machen. Hersteller Boehringer Ingelheim rechnet noch Ende des Jahres mit der Zulassung, die für Europa, die USA und Kanada beantragt ist. Basis der Zulassung ist die Phase-III-Patientenstudie RE-VERSE AD, deren Ergebnisse im Fachmagazin »New England Journal of Medicine« veröffentlicht wurden (DOI: 10.1056/NEJMoa1502000). Sie zeigen, dass die intravenöse Gabe von Idarucizumab die Wirkung von Dabigatran innerhalb weniger Minuten aufhebt. Das Antikörperfragment bindet spezifisch an Dabigatran-Moleküle und verhindert dadurch deren antikoagulatorischen Effekt, ohne jedoch dabei selbst in die Gerinnungskaskade einzugreifen.

 

Das Studiendesign von RE-VERSE AD war darauf ausgelegt, möglichst reale Notfallsituationen widerzuspiegeln. Dementsprechend wurden Wirksamkeit und Sicherheit bei zwei mit Dabigatran behandelten Patientengruppen getestet: zum einen bei Patienten mit unkontrollierten oder lebensbedrohlichen schweren Blutungen wie nach einem Verkehrsunfall (Gruppe A, n = 51), zum anderen bei Patienten, die eine Notoperation oder -intervention benötigen und bei denen eine normale Hämostase erforderlich war (Gruppe B, n = 39). Als primärer Endpunkt war der Grad der Aufhebung der Dabigatran-induzierten Wirkung binnen vier Stunden nach Verabreichen von 5 g Idarucizumab definiert. Das Ausmaß der gerinnungshemmenden Aktivität wurde dabei anhand der beiden Laborparameter verdünnte Thrombinzeit (dTT) und Ecarin-Gerinnungszeit (ECT) bestimmt.

 

Je nach Gruppe und gemessenem Parameter normalisierten sich die dTT- und ECT-Werte nach der Idarucizumab- Gabe bei 88 bis 98 Prozent der Patienten innerhalb weniger Minuten. Nach 12 und 24 Stunden lagen die dTT-Werte bei 90 Prozent (Gruppe A) und 81 Prozent (Gruppe B) aller Patienten im Normalbereich. Bei fünf Patienten traten thrombotische Ereignisse auf, von diesen war bei keinem zum Zeitpunkt des Ereignisses die Antikoagulationstherapie wieder aufgenommen worden. Insgesamt starben 18 Probanden. Als Ursachen hierfür geben die Autoren der Studie den ursprünglichen Notfall oder Begleiterkrankungen an. Sie sehen keinen Hinweis auf eine Verbindung zur Applikation des Antidots.

 

Köder bindet Faktor-Xa-Hemmer

Ebenfalls in Phase III der klinischen Prüfung befindet sich Andexanet alfa. Auch dieser Wirkstoff wird intravenös gegeben. Das rekombinante Protein ähnelt dem körpereigenen Faktor Xa und ist aufgrund einer strukturellen Veränderung in der Lage, spezifisch und direkt die gerinnungshemmende Wirkung von Faktor-Xa-Hemmern zu revidieren. Andexanet alfa wirkt dabei als eine Art Köder (decoy), der an den nicht proteingebundenen, freien Anteil eines Faktor-Xa-Hemmers im Blut bindet und so dessen Bindung an nativen Faktor Xa und die dadurch induzierte Gerinnungshemmung verhindert. Anschließend wird der Komplex aus Andexanet alfa und Faktor-Xa-Hemmer über die Leber eliminiert.

 

Hersteller Portola Pharmaceuticals plant, Andexanet alfa als spezifisches Universal-Antidot für Faktor-Xa-Hemmer zu etablieren, und kooperiert zu diesem Zweck mit den jeweiligen Herstellern. Für Apixaban und Rivaroxaban liegen erste Ergebnisse aus dem Phase-III-Studienprogramm ANNEXA vor. Untersuchungen mit Edoxaban laufen.

 

Für Apixaban in der Dosierung zweimal täglich 5 mg über vier Tage konnte in der ANNEXA-A-Studie gezeigt werden, dass bei gesunden Probanden ein einmaliger Bolus von 400 mg Andexanet alfa die gerinnungshemmende Wirkung zu 93,5 Prozent aufhebt. In einem zweiten Teil der Studie wurde geprüft, ob der Effekt mit einer auf den Bolus folgenden kontinuierlichen Infusion von 4 mg Andexanet alfa pro Minute über einen längeren Zeitraum erhalten werden kann. Das Ergebnis: Die antikoagulatorische Aktivität von Apixaban blieb zu 92,7 Prozent aufgehoben. Ähnliche Ergebnisse liegen für Rivaroxaban aus dem Studienprogramm ANNEXA-R vor und wurden im »Journal of the American College of Cardiology« publiziert (DOI: 10.1016/S0735-1097(15)60023-7). Portola plant, die Zulassung bei der US-amerikanischen Gesundheitsbehörde FDA Ende 2015 zu beantragen.

 

Ein weiterer Kandidat ist das anorganische synthetische Molekül Ciraparantag (PER977), das als Allzweckwaffe im Gespräch ist und sowohl die Wirkung von direkten Faktor-Xa-Hemmern und Faktor-II-(Thrombin)-Hemmern als auch von unfraktioniertem Heparin und niedermolekularen Heparinen aufheben soll. Gegen Vitamin-K-Antagonisten ist das Breitband-Antidot allerdings wirkungslos. Entwickelt wird PER977 vom US-Startup-Unternehmen Perosphere. In einer klinischen Phase I/IIa-Studie mit Edoxaban an gesunden Probanden, die im »New England Journal of Medicine« erschien, hob Ciraparantag den Effekt des Gerinnungshemmers vollständig auf, gemessen an der Veränderungen der Vollblut-Gerinnungszeit (DOI: 10.1056/NEJMc1411800). /

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