Schule soll Schule machen |
19.07.2011 13:27 Uhr |
Von Ulrike Abel-Wanek / Wenn man von Afrika spricht, geht es nicht immer nur um Hoffnungslosigkeit. Der Verein »Schulbausteine für Gando« zeigt, wie zukunftsweisend und nachhaltig Hilfe auf diesem Kontinent sein kann.
Wer hier geboren wird, hat wenig Chancen auf Bildung und Entwicklung: Burkina Faso gehört laut Statistiken der Weltbank zu den ärmsten Ländern der Erde. Von den rund 11 Millionen Einwohnern des Staates in der westafrikanischen Sahelzone sind rund die Hälfte jünger als 15 Jahre, die Analphabetenrate liegt bei über 80 Prozent. Hinsichtlich Lebenserwartung, Ausbildung und Einkommen rangiert das Land weltweit auf den letzten Plätzen.
Die landestypischen Dörfer in Burkina Faso bestehen aus mehreren, einige Hundert Meter auseinander liegenden Gehöften, die verschiedene Generationen beherbergen. Die meisten Menschen leben hier als Selbstversorger von der Landwirtschaft. Lange Trockenzeiten und kurze Regenperioden bestimmen ihren Lebensrhythmus. Aus einem dieser Dörfer stammt der heute in Berlin lebende Architekt Diébédo Francis Kéré. Kéré wurde im Dorf Gando geboren und als ältestes von 13 Kindern mit sieben Jahren von seiner Familie in die Stadt auf die Schule geschickt. Der Sohn des Stammeshäuptlings kam mithilfe eines Stipendiums nach Deutschland, wo er nach einer Ausbildung zum Tischler schließlich Architektur an der Technischen Universität in Berlin studierte. Noch zu Studienzeiten gründete Kéré 1998 den Verein »Schulbausteine für Gando«. »Im traditionellen Afrika ist jeder Familienangehörige für die Versorgung der gesamten Familie verantwortlich«, sagt er. »Wenn jemand seine Gemeinschaft auf der Suche nach einem besseren Leben verlässt, dann will er seinen Ausfall als Arbeitskraft in der Dorfgemeinschaft durch finanzielle Hilfe ausgleichen.« Kéré wollte aber nicht nur Geld schicken. Sein oberstes Anliegen war es, die soziale, kulturelle und wirtschaftliche Situation der Bewohner von Gando zu verbessern. Mithilfe von Förderprogrammen und Sponsoren baute der Architekt 2001 eine Grundschule im Dorf, die architektonisch hohe Anerkennung fand und 2004 mit dem höchstdotierten Architekturpreis »Aga Khan Award for Architecture« ausgezeichnet wurde. Die moderne Konstruktion der Gebäude zusammen mit dem traditionellen Baustoff »Lehm« überzeugten Jury ebenso wie schließlich auch die anfangs skeptische Dorfgemeinschaft. Lehm galt hier als billiger »Arme-Leute-Baustoff«, den die Hitze ausdörrt und der Regen fortspült. Der Architekt und seine Mitarbeiter veredelten das Material und schafften zusammen mit neuen Konstruktionsprinzipien nicht nur ästhetische, dauerhafte und raumklimatisch hochwertige Gebäude, sondern auch große Akzeptanz bei den Dorfbewohnern.
Das Klima ist der entscheidende Faktor bei dem Projekt. Die massiven Lehmwände und weit auskragende Dächer verzögern die Übertragung der Sonneneinstrahlung ins Innere der Häuser, die ohne Strom und fließendes Wasser auskommen müssen. »Traumhafte Kühlschränke« nennen die Menschen aus der Region zum Beispiel die 2003 erbauten Wohnhäuser für Lehrer. Sie waren das »Lockmittel« für die nun dort unterrichtenden Pädagogen, die zögerten, aufs Land zu ziehen, weil es nur notdürftige Unterkünfte gab.
Bei den Bauten wird darauf geachtet, dass sie so preiswert – Lehm kommt überall in der Natur vor – und einfach wie möglich realisierbar sind. Die Bevölkerung kann so die angewandten Techniken für ihre eigenen Wohnhäuser nutzen. Von Anfang an wurde die Dorfgemeinschaft in alle Arbeitsprozesse miteingebunden. Kinder brachten jeden Tag einen Stein für das Fundament mit in die Schule, Männer pressten Lehmziegel und Frauen stampften den Lehmfußboden. »Hilfe zur Selbsthilfe« lautet der Grundsatz des Projekts. »Im wahrsten Sinn des Wortes soll versucht werden, den Menschen das Fischen beizubringen, statt ihnen immer wieder Fische zum Essen vorzusetzen und sie so in Abhängigkeit zu bringen«, sagt Kéré. »Wenn die Schüler lesen und schreiben lernen, können sie Familienmitglieder bei der Suche nach besseren Jobs unterstützen, Jugendliche, die den Beruf des Krankenpflegers ergreifen, werden sich auch im Dorf sinnvoll einbringen, und die emanzipatorische Wirkung für Mädchen, die durch ihre Schulbildung eine bezahlte Arbeit finden, ist enorm.« So solle »Schule Schule machen«.
Um Sponsoren zu gewinnen, reist Kéré durch ganz Europa und hält Vorträge in Schulen und Institutionen. Mit Unterstützung der Firma Hevert Arzneimittel konnte beispielsweise 2008 ein Erweiterungsbau realisiert werden, der dringend gebraucht wurde, weil die Schule mittlerweile aus allen Nähten platzte. Seit Anfang 2009 läuft außerdem die Aktion »Gemeinsam für Kinder«. Hierbei unterstützt Hevert den Verein mit einem Cent pro verkaufter Arzneimittelpackung. Durch eine weitere Spende des Unternehmens konnte eine Bibliothek gebaut werden. Eine weiterführende Sekundarschule für mehr als 1000 Schüler ist nach Aussage von Hannah Kümmerle vom Verein »Schulbausteine für Gando« wegen des weiter wachsenden Bedarfs geplant.
Nach wie vor gibt es jedoch keine medizinische Versorgung in Gando. Ziel ist deshalb die Errichtung eines Gesundheitszentrums, in dem nicht nur Krankheiten behandelt, sondern vor allem auch Prävention und Aufklärung betrieben werden. In Sachen Aids, Verhütung, Schwangerschafts- oder Ernährungsberatung bleibt viel zu tun.
Starachitekt Mario Botta lobte den Kollegen Kéré im Rahmen der Verleihung des renommierten Schweizer Architekturpreises »BSI« Ende letzten Jahres: Das Projekt diene dem eigentlichen Sinn von Architektur: dem Schutz des Menschen. /
Weitere Informationen: www.fuergando.de, www.hevert.de