Neue Regeln zur Selbstanzeige |
| 19.07.2011 15:12 Uhr |
Von Oliver Schmitz / Die hohe Zahl der Selbstanzeigen im vorigen Jahr setzte eine politische Debatte in Gang. Strittig war, ob die gesetzlichen Regelungen zur strafbefreienden Nacherklärung von Einkünften beim Finanzamt verschärft werden müssten. Als Ergebnis der Diskussionen trat am 28. April das Schwarzgeldbekämpfungsgesetz in Kraft.
Insbesondere bei Steuerhinterziehern, die mit der Selbstanzeige taktierten, weil sie nur den Teil der Einkünfte nacherklärten, deren Entdeckung durch den Fiskus bevorstand, wurde die gewährte Strafbefreiung als ungerecht empfunden. Die Bundesregierung hatte deshalb das Schwarzgeldbekämpfungsgesetz im Dezember 2010 auf den Weg gebracht.
Um in den Genuss der Steuerstraffreiheit zu gelangen, müssen für alle strafrechtlich noch nicht verjährten Steuerstraftaten einer Steuerart vollständige und zutreffende Angaben gemacht werden. Dies betrifft in der Regel einen Zeitraum von fünf Jahren. Es gilt das Alles-oder-nichts-Prinzip. Wird versäumt, auch nur einen Punkt einer fehlerhaften Erklärung zu korrigieren, geht die Selbstanzeige vollständig ins Leere und der Steuerhinterzieher kann wegen aller Taten, auch der freiwillig offengelegten, bestraft werden. Ein Risiko besteht deshalb bei Steuergestaltungen, die sich im Grenzbereich der steuerlichen Anerkennung bewegen, aber von der Selbstanzeige ausgenommen werden. Wenn hier im Nachhinein der Vorwurf der Steuerhinterziehung erhoben wird, könnte die Strafbefreiung für alle Taten entfallen.
Bisher konnte eine Selbstanzeige erfolgen, bis ein Prüfer zur Prüfung beim Steuerpflichtigen erschienen ist. Da die Prüfungsanordnung zwei bis vier Wochen vor Prüfungsbeginn gegenüber dem Steuerpflichtigen bekanntgegeben wird, verblieb nach altem Recht noch ausreichend Überlegungszeit, ob eine fehlerhafte Erklärung korrigiert werden sollte. Damit ist nun Schluss. Einen solchen »Warnschuss« gibt es nicht mehr. Liegt die Prüfungsanordnung erst einmal im Briefkasten, ist die Selbstanzeige gesperrt.
Vertrauensschutz für Altfälle
Bei Steuerverkürzungen von mehr als 50 000 Euro pro Tat (definiert durch Steuerart, Zeitraum und Steuerpflichtigen) sieht der Staat von einer Strafverfolgung nur dann ab, wenn zusätzlich zu dem Hinterziehungsbetrag ein Geldbetrag von fünf Prozent zugunsten der Staatskasse gezahlt wird. Selbstverständlich sind, wie auch bei geringeren Steuerhinterziehungen, zusätzlich noch Zinsen von sechs Prozent pro Jahr zu entrichten.
Der Gesetzgeber hat für alle Selbstanzeigen, die vor dem 28. April 2011 erstattet wurden, eine Vertrauensschutzregelung eingeführt. Handelte es sich bei den Altfällen um Teilselbstanzeigen, führen diese weiterhin zur teilweisen Strafbefreiung. Das Alles-oder-nichts-Prinzip gilt also erst ab dem Inkrafttreten der Neuregelung. Eine leichtfertige, aber nicht vorsätzliche Steuerverkürzung kann mit einem Bußgeld geahndet werden. Die Rahmenbedingungen für Selbstanzeigen sind insoweit nicht geändert worden. Hier führen auch Teilselbstanzeigen im erstatteten Umfang nach wie vor zur Straffreiheit. Allerdings ist in der Praxis die Abgrenzung zwischen leichtfertiger und vorsätzlicher Steuerhinterziehung äußerst problematisch. Die Entscheidung für eine Selbstanzeige ist für den Steuerhinterzieher durch das Schwarzgeldbekämpfungsgesetz und das nunmehr geltende Alles-oder-Nichts-Prinzip nicht einfacher geworden.
Insbesondere droht nach der Selbstanzeige immer das Risiko, dass die Finanzverwaltung in einer anschließend durchgeführten Außenprüfung zu weiteren steuererhöhenden Feststellungen kommt und einen Hinterziehungsvorsatz unterstellt. Lässt sich diese Auffassung des Finanzamts nicht ausreichend ausräumen, sieht sich der Steuerpflichtige einem »normalen« Steuerstrafverfahren ausgesetzt. /