Pharmazeutische Zeitung online
GKV-Finanzierung

Chancen und Risiken der Prämie

20.07.2010  16:05 Uhr

Von Stephanie Schersch, Berlin / Die Koalition hat Eckpunkte zur künftigen Finanzierung der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) vorgelegt. Eine Kopfpauschale wie der Gesundheitsminister sie ursprünglich geplant hatte, ist darin nicht vorgesehen. Doch welche Chancen und Risiken liegen in einer Pauschalfinanzierung der GKV? Die Erfahrungen europäischer Nachbarn machen deutlich: Der Sozialausgleich ist ein Problem.

Professor Dr. Eberhard Wille stellte die Schwachstellen der jetzigen Finanzierung der Krankenkassen mit deutlichen Worten heraus. »Diesem System fehlt die Nachhaltigkeit«, sagte der Mannheimer Gesundheitsökonom in Berlin auf einem Symposium der Gesellschaft für Recht und Politik im Gesundheitswesen (GRPG). Die Finanzierungsbasis sei konjunkturanfällig und demografieabhängig. »Wenn Menschen in Rente gehen, sinken die Einnahmen der GKV, obwohl der Bedarf wächst«, so Wille. Beiträge werden nur auf Löhne und Gehälter erhoben, auch das sei ein Problem. »Die Nicht-Berücksichtigung anderer Einkünfte überhöht die Anzahl von Unterstützungsempfängern.«

 

Zwei Varianten der Prämie

 

Die Finanzierung der GKV über pauschalierte Solidarbeiträge sei hingegen gerechter und auch nachhaltiger, sagte Wille. Hier seien grundsätzlich zwei Varianten denkbar: So könne sich der Beitrag entweder aus einem lohnabhängigen Anteil von Unternehmen und krankenkassenspezifischen Pauschalbeiträgen von Arbeitnehmern zusammensetzen. »Oder aber der Beitrag wird insgesamt als eine Pauschale erhoben«, so Wille. Übersteige die Pauschale einen festgelegten Prozentsatz des Einkommens, würde ein über Steuern finanzierter Sozialausgleich zum Einsatz kommen. »Damit werden alle Faktoren, die nichts mit Krankheit zu tun haben, wie etwa konjunkturelle und demografische Aspekte, aus dem GKV- in das Steuersystem verlagert.«

In der Schweiz hat eine solche Kopfpau­schale eine lange Tradition. Schon 1911 finanzierte sich das Kranken- und Unfall­versicherungssystem über einen Pau­schal­beitrag der Versicherten. Seit 1996 gibt es ein neues Prämiensystem, das einheitliche Pauschalbeiträge pro Kasse und Region erhebt. Hinzu kam ein Sozial­ausgleich für Geringverdiener, der über Steuern finanziert wird. »Rund 2,5 Millionen Menschen in der Schweiz beziehen diesen Zuschuss«, sagte Stefan Kaufmann, Direktor des Branchenverbandes santésuisse.

 

Der Pauschalbeitrag steigt seit 1996 kon­tinuierlich an, er finanziert den größten Teil des Kostenzuwachses im schweizerischen Gesundheitswesen. »Damit wachsen natürlich auch die Kosten für den Sozialausgleich«, so Kaufmann. Das sei zunehmend ein Problem. Insgesamt entstehe durch die Pauschalfinanzierung aber Transparenz im System. »Die Kopfpauschale legt die Kostenproblematik im Gesundheitswesen offen. Damit wird der Druck auf Politiker aufrechterhalten, etwas gegen die steigenden Prämien zu tun.«

 

Mit dem Problem wachsender Gesundheitskosten und steigender Beiträge haben auch die Niederlande zu kämpfen. Seit 2006 wird das Krankenversicherung hier jeweils zur Hälfte aus einkommensabhängigen Beiträgen und einer einkommensunabhängigen Pauschale finanziert. Ein steuerfinanzierter Sozialausgleich für Geringverdiener wird direkt an die Versicherten ausgezahlt. »Diese Methode ist problematisch«, sagte Dr. Stefan Greß, Professor im Bereich Pflege und Gesundheit an der Hochschule Fulda. »Die Krankenversicherungen leiden zunehmend unter Einnahmeausfällen, weil die Versicherten die Pauschalbeiträge nicht mehr zahlen können oder wollen.« Gleichzeitig hätten die Kassen wenig Sanktionsmöglichkeiten, um gegen säumige Versicherte vorzugehen.

 

Sozialausgleich nicht nachhaltig

 

Die Kopfpauschale ist seit ihrer Einführung jährlich angestiegen, das Transfervolumen wird immer größer. Um den steigenden Steuerzuschuss zu stabilisieren, sind inzwischen mehr Selbstbeteiligungen und eine Reduzierung des Leistungskataloges im Gespräch. Sogar eine Abschaffung des Sozialausgleichs und die Reduktion des pauschal zu finanzierenden Ausgabenanteils von 50 auf 15 Prozent werden diskutiert. »Die Erfahrungen in den Niederlanden zeigen, dass ein steuerfinanzierter Sozialausgleich nicht nachhaltig ist, weil ein steigender Transferbedarf langfristig nicht zu finanzieren ist«, sagte Greß. Auch auf Deutschland würden diese Probleme bei Einführung einer entsprechenden Prämie zukommen. »Von einem solchen Schritt ist daher abzuraten.« / 

Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
 
FAQ
SENDEN
Wie kann man die CAR-T-Zelltherapie einfach erklären?
Warum gibt es keinen Impfstoff gegen HIV?
Was hat der BGH im Fall von AvP entschieden?
GESAMTER ZEITRAUM
3 JAHRE
1 JAHR
SENDEN
IHRE FRAGE WIRD BEARBEITET ...
UNSERE ANTWORT
QUELLEN
22.01.2023 – Fehlende Evidenz?
LAV Niedersachsen sieht Verbesserungsbedarf
» ... Frag die KI ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln. ... «
Ihr Feedback
War diese Antwort für Sie hilfreich?
 
 
FEEDBACK SENDEN
FAQ
Was ist »Frag die KI«?
»Frag die KI« ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums versehen, in denen mehr Informationen zu finden sind. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung verfolgt in ihren Artikeln das Ziel, kompetent, seriös, umfassend und zeitnah über berufspolitische und gesundheitspolitische Entwicklungen, relevante Entwicklungen in der pharmazeutischen Forschung sowie den aktuellen Stand der pharmazeutischen Praxis zu informieren.
Was sollte ich bei den Fragen beachten?
Damit die KI die besten und hilfreichsten Antworten geben kann, sollten verschiedene Tipps beachtet werden. Die Frage sollte möglichst präzise gestellt werden. Denn je genauer die Frage formuliert ist, desto zielgerichteter kann die KI antworten. Vollständige Sätze erhöhen die Wahrscheinlichkeit einer guten Antwort.
Wie nutze ich den Zeitfilter?
Damit die KI sich bei ihrer Antwort auf aktuelle Beiträge beschränkt, kann die Suche zeitlich eingegrenzt werden. Artikel, die älter als sieben Jahre sind, werden derzeit nicht berücksichtigt.
Sind die Ergebnisse der KI-Fragen durchweg korrekt?
Die KI kann nicht auf jede Frage eine Antwort liefern. Wenn die Frage ein Thema betrifft, zu dem wir keine Artikel veröffentlicht haben, wird die KI dies in ihrer Antwort entsprechend mitteilen. Es besteht zudem eine Wahrscheinlichkeit, dass die Antwort unvollständig, veraltet oder falsch sein kann. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung übernimmt keine Verantwortung für die Richtigkeit der KI-Antworten.
Werden meine Daten gespeichert oder verarbeitet?
Wir nutzen gestellte Fragen und Feedback ausschließlich zur Generierung einer Antwort innerhalb unserer Anwendung und zur Verbesserung der Qualität zukünftiger Ergebnisse. Dabei werden keine zusätzlichen personenbezogenen Daten erfasst oder gespeichert.

Mehr von Avoxa