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Globale Gesundheit

Deutschland ist gut, aber zu geizig

12.07.2017  10:27 Uhr

Von Jennifer Evans / Anlässlich des G20-Gipfels in Hamburg hat sich das britische Fachmagazin »The Lancet« in einer Artikelserie der Frage gewidmet: Hat Deutschland das Zeug dazu, eine Führungsrolle in der globalen Gesundheit einzunehmen? Die Voraussetzungen dafür sind demnach gut, aber beim finanziellen Engagement halten sich die Deutschen zu sehr zurück.

Die Autoren eines Artikels um Professor Reinhard Busse von der TU Berlin loben zwar das robuste deutsche Gesundheitssystem, das bereits 135 Jahre überdauert hat und einst als erstes Sozialversicherungssystem weltweit gestartet ist. Es habe alles überstanden: Kriege, Wirtschaftskrisen sowie die Trennung und spätere Wiedervereinigung des Landes. Heute seien nahezu alle Deutschen krankenversichert.

Und auch zunehmender Wettbewerb habe die Grundprinzipien von Solidarität und Selbstverwaltung nicht zerstört. Gerade in den vergangenen Jahren habe das Land sich etwa beim Kampf gegen Antibiotikaresistenzen und mit dem Einsatz während der Ebola-Epidemie als gesundheitspolitischer Player hervorgetan. Aber das reicht nicht, meinen die Autoren. Es gebe einige Schwachstellen.

 

Keine Reformen nötig

 

»Die steigende Zufriedenheit der Bevölkerung mit ihrem Gesundheitssystem hat in Deutschland keine fundamentalen Reformen nötig gemacht. Aber die Praxis der Selbstverwaltung, die der Staat nur eingeschränkt kontrollieren kann, hat zu einer Überversorgung mit Medikamenten, einer Überkapazität an Krankenhausbetten und Engpässen in der Pflege geführt«, so die Kritik von Busse und seinem Team. Demnach liegt die Bettenkapazität in deutschen Krankenhäusern 65 Prozent über dem Durchschnitt der 15 EU-Gründungsmitglieder. Zudem verbringen die Bundesbürger mehr Zeit in der Klinik als ihre europäischen Nachbarn. Während hierzulande ein Patient pro Aufenthalt durchschnittlich 1,74 Tage im Krankenhaus bleibt, sind es etwa in Dänemark lediglich 0,71 Tage. Auch die Überversorgung mit Arzneimitteln ist dem Autorenteam ein Dorn im Auge. Der deutsche Medikamentenkonsum sei zwischen den Jahren 2004 und 2015 um mehr als 50 Prozent gestiegen.

 

Ein weiterer Beitrag kritisiert die akademische Landschaft in Deutschland. Um in der weltweiten Gesundheitspolitik an der Spitze mitmischen zu können, muss sich die Bundesrepublik nach Ansicht der Autoren um Ilona Kickbusch von der Universität Genf (DOI: 10.1016/S0140-6736(17)31460-5) finanziell mehr beteiligen. »Deutschland hat das Potenzial, als Geldgeber ein starker Partner zu sein, und dazu, die medizinische Forschung weltweit voranzutreiben, besonders in Ländern mit niedrigem Einkommen.« Aber es werde seine Expertise in Sachen globale Gesundheit steigern sowie die akademischen Einrichtungen in diesem Bereich ausbauen müssen. Weniger als ein Drittel aller Studiengänge im Gesundheitsbereich beinhalten dieses Thema.

 

Mit einem Kommentar (DOI: 10.1016/S0140-6736(17)31617-3) kommt auch Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) zu Wort. Er betont, dass Deutschland jährlich 850 Millionen Euro in medizinische Entwicklungshilfe schieße. Die Summe fließe hauptsächlich in den Kampf gegen Aids, Tuberkulose und Malaria. Außerdem gebe es hierzulande durchaus exzellente Spezialisten: Auf Seuchenbekämpfung sei das Robert-Koch-Institut spezialisiert und zu Impfstoffen und biopharmazeutischen Arzneimitteln besitze das Paul-Ehrlich-Institut hervorragende Expertise.

 

Gemessen am Standard der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist der deutsche Anteil an der medizinischen Entwicklungshilfe aber nicht hoch. Die WHO sieht nämlich vor, dass 0,1 Prozent des Bruttoinlandprodukts in den Kampf gegen Krankheiten fließen. Deutschland zahlt aber nur ein Drittel dieses Betrags, nämlich 0,03 Prozent. Nicht genug für ein Land, das womöglich die Führungsposition einnehmen soll, beklagen die Autoren um Kickbusch.

 

Zuverlässiger Partner

 

Und das könnte den Wissenschaftlern zufolge durchaus passieren. Nach dem Brexit-Votum der Briten und dem Einzug Donald Trumps ins Weiße Haus könnten die großen Geldgeber der globalen Gesundheitspolitik, USA und Großbritannien, womöglich nun zu sparen beginnen. Schnell laste dann die Verantwortung auf Deutschlands Schultern. Gröhe sieht dieser Aufgabe gelassen entgegen. Er setze bei den He rausforderungen der globalen Gesundheit auf die Kooperation aller Nationen. Zudem sei Deutschland für die Zukunft immer »ein zuverlässiger Partner«, auf den man setzen kann. /

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