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Palliativtherapie

In Würde bis zum Schluss

Datum 12.07.2011  14:58 Uhr

Von Maria Pues, Frankfurt am Main / Nicht das Sterben erleichtern, sondern die Lebensqualität der vielleicht wenigen verbleibenden Zeit verbessern – dazu dienen palliative Maßnahmen. Nicht alle helfen zu jedem Zeitpunkt.

Wann beginnt der Anfang vom Ende? Anders gefragt: Zu welchem Zeitpunkt sollte eine palliative Therapie beginnen? Welche Maßnahmen sind wann erforderlich und sinnvoll? Und auch: welche nicht? Darüber informierte Dr. Jutta Hübner, Frankfurt am Main, während ihres Vortrags zum Thema »Supportive und palliative Therapie in der Onkologie«, der im Rahmen einer Vortragsreihe der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft in Frankfurt am Main stattfand.

»Austherapierte Patienten gibt es nicht«, sagte die Medizinerin mit Nachdruck. »Wir können immer etwas für unsere Patienten tun.« Es sei jedoch ein Vorurteil, palliative Maßnahmen allein als Erleichterung für die letzten Tage und Stunden aufzufassen, wie es häufig geschehe. Wenn der Palliativmediziner naht, ist die letzte Stunde auch nicht mehr weit, so könne man die Wahrnehmung mancher Patienten zusammenfassen, welche sie zusätzlich zu ihrer schweren Krankheit belaste. Für den Arzt ist es wichtig zu wissen, in welcher Phase des Lebens (oder des Sterbens) sich ein Patient befindet, um therapeutisch die richtigen Entscheidungen zu treffen. Da es sich um fließende Übergänge handelt, fällt dies zumeist nicht ganz leicht.

 

So überschätzten Ärzte im Rahmen einer Studie die Zeit, die ihren schwerkranken Patienten noch blieb, durchschnittlich um das 4,2-Fache. Auch Prognose-Scores wie der Palliative prognostic index (PPI) oder der Palliative Prognostic Score (PaP-S) nützten häufig wenig. Arzteinschätzung und Scores zeigten zwar untereinander eine große Übereinstimmung, nicht jedoch mit dem realen Überleben.

 

In der Folge besteht nicht nur die Gefahr, dass palliative Maßnahmen zu spät ergriffen werden. Auch die Ungewissheit der Patienten über die Zeit, die ihnen noch bleibt, verstärkt sich.

 

Dabei sei eine offene und ehrliche Kommunikation über die Prognose den Patienten besonders wichtig, zitiert Hübner drei weitere Untersuchungen. Eine Studie an Patienten mit inoperablen Tumoren zeigte, dass der Bedarf an Schmerzmitteln sowie Ängste und Depressionen bei jenen am höchsten war, die nicht über ihre Situation aufgeklärt worden waren. Sogar Eltern krebskranker Kinder im ersten Jahr nach der Diagnose bestätigten Ähnliches in einer Befragung: Die Hälfte von ihnen stimmte die Kommunikation grundsätzlich hoffnungsvoll. Eine weitere Studie zeigte, dass nicht vor allem Therapie bis zum Schluss, sondern Aufklärung und damit verbundene Selbstbestimmung die Lebensqualität signifikant erhöhen.

 

Werden dann zum richtigen, frühen Zeitpunkt palliative Maßnahmen ergriffen, so erleichtern diese nicht das Sterben, sondern können auch dafür sorgen, dass Patienten bis zum Schluss besser und sogar länger lebten – und zwar in einem Maße, wie dies keine medizinische Therapie vermocht hätte. Das belegt eine Studie aus dem vergangenen Jahr an Patienten mit Lungenkarzinom.

 

Essen, trinken, atmen

 

Eine Aussage, die Ärzte und sicher auch Apotheker von Angehörigen schon häufig gehört haben: »Wenn er wenigstens ordentlich essen würde, ginge es ihm sicher bald wieder besser.« In einem frühen Stadium sowie wenn der Patient eine gute Prognose und ausreichend Lebenswillen besitzt, hilft es diesem, wenn man ihn dabei unterstützt, genügend Kalorien und Nährstoffe zu sich zu nehmen (siehe Kasten).

Das erhöht den Appetit

Mehrere kleine Mahlzeiten statt eines starren Speiseplans

Abwechslungsreiche Wunsch­menüs

Nichts fertig Gewürztes, sondern die Möglichkeit, selbst zu würzen, da die Erkrankung das Geschmacksempfinden akut verändern kann

Essen in angenehmer Atmosphäre

Gegebenenfalls Ergänzung durch »Astronautennahrung« oder geschmacksneutrale Eiweißzusätze zum Selbstzubereiten

»Astronautennahrung« mit herzhaftem Geschmack erhitzen

»Astronautennahrung« mit süßen Aromen eher kühlen

Gegebenenfalls enterale oder parenterale Ernährung; aber so lange wie möglich oral ernähren

 

Für Patienten am Ende ihres Lebens gelten andere Empfehlungen in Sachen Ernährung und Trinken – wobei es oft schwierig ist zu entscheiden, wann dieser Zeitpunkt gekommen ist. Der Nutzen einer parenteralen Ernährung sei in diesem Stadium fraglich, erläuterte Hübner. Studien zeigten keine Verlängerung der Überlebenszeit, eine Verbesserung der Lebensqualität wird vermutet. Hinzu kommen mögliche Probleme wie eine erhöhte Infektanfälligkeit der Patienten, die die Anwendung von Kathetern schwierig mache. Das Signal »wir tun noch was« richte sich dabei eher an die pflegenden Angehörigen, die häufig befürchten, sie würden ihren Patienten verhungern lassen, wenn der nicht wie erhofft isst oder trinkt. Medikamentöse Therapien, zum Beispiel mit Dexamethason oder Megestrol würden dabei nur kurzzeitig helfen. Metoclopramid sei wegen möglicher Nebenwirkungen häufig problematisch, Cannabis besitze hingegen ein gutes Potenzial, so Hübner.

 

Trinken löscht nicht immer den Durst

 

Auch die erforderlichen Trinkmengen sind in diesem Stadium geringer, als Angehörige es häufig vermuten. Zwar leiden die Patienten häufig unter einem Durstgefühl. Dieses wird jedoch selten durch einen Mangel an Flüssigkeit verursacht und kann daher auch durch reichliches Trinken oft nicht gestillt werden. Zudem besteht die Gefahr, dass die enterale Resorption aus dem Gastrointestinaltrakt nicht mehr sicher gewährleistet ist. Häufig hilft ein Befeuchten der Mundschleimhaut und der Zunge, zum Beispiel mit Wasser, Säften oder künstlichem Speichel. Nach Möglichkeit sollte der Patient nach seinen Bedürfnissen und seinem Geschmack befragt werden. Besonders bei Krebspatienten kann sich dieser rasch ändern.

 

Eine Sedierung in den letzten Stunden kann das Bewusstseinsniveau reduzieren, um für den Patienten unerträgliche Symptome und Belastungen zu lindern. Sie sollte jedoch möglichst nur nach Aufklärung und schriftlicher Einverständniserklärung des Patienten erfolgen. Meistens wird unter Kontrolle von Bewusstsein und Unruhe Midazolam eingesetzt. Bei Schmerzpatienten müsse unbedingt zuerst eine ausreichende Schmerztherapie erfolgen, betonte Hübner. Und: Eine Sedierung sei keine Lösung, um sich die aufwendige Pflege mancher Patienten zu erleichtern.

 

Von den Angehörigen nur schwer ertragen würde das sogenannte Todesrasseln, das von den Patienten selbst im Allgemeinen gar nicht wahrgenommen werde, erklärte Hübner. Ursache für die beängstigenden Geräusche ist eine zunehmende muskuläre Schwäche. In der Folge wird Speichel nicht mehr geschluckt, und auch Schleim kann aus der Luftröhre nicht mehr abgehustet werden. Rechtzeitig Trinkmengen oder die Flüssigkeitszufuhr per Infusion zu vermindern, kann diese Phase erleichtern. Die Wirkung medikamentöser Therapien wie Scopolamin, Butyl­scopolamin oder Atropin ist laut Hübner eher fraglich. Sicher sinnvoll sei es jedoch, die Angehörigen aufzuklären. / 

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