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Stress und Anspannung

Reden hilft

26.06.2018  11:20 Uhr

Von Ulrike Abel-Wanek / Dr. Kurt Seikowski leitet die Ambulanz der psychosomatischen Dermatologie am Universitätsklinikum in Leipzig. Der Diplom-Psychologe sprach mit der PZ über die psychische Seite von Hautkrankheiten und wie spezielle Trainingsprogramme Neurodermitis- und Psoriasis-Patienten helfen können.

PZ: Kranke Haut kann bei betroffenen Menschen Stress und Depressionen auslösen. Stress kann eine Hautkrankheit aber auch verschlimmern oder sogar erst zum Ausbruch bringen. Welche Patienten suchen Ihren Rat?

Seikowski: Es kommen beide Gruppen gleichermaßen. Wobei nicht immer eine sichtbare Hautpathologie vorliegen muss. Bei der Venerophobie oder dem Dermatozoenwahn zum Beispiel haben die Patienten panische Angst vor Geschlechtskrankheiten oder fürchten, dass sich Würmer oder Insekten unter ihrer Haut befinden. Diesen Phobien liegen psychische Störungen zugrunde, die wir im therapeutischen Prozess aufspüren und versuchen zu ­lösen. Es kommen aber auch Patienten mit akuten Neurodermitis-Schüben und Psoriasis und der Frage: Wie komme ich jetzt damit in meinem Alltag zurecht?

 

PZ: Liegen bei diesen Patienten spezielle Gründe für die Verschlechterung der Hautsymptome vor?

 

Seikowski: Häufig sind es psychisch belastende Lebensereignisse wie eine Partnertrennung oder der Tod eines Angehörigen, die das Hautbild verschlechtern und den quälenden Juckreiz verstärken. Das können gravierende Ereignisse sein, die die Patienten Monate und manchmal sogar Jahre in Anspannung halten. Bei psychischer Anspannung, das haben Studien gezeigt, kommt es selbst bei der Psoriasis zu starkem Juckreiz, der normalerweise bei der Erkrankung nicht so eine große Rolle spielt.

 

Bei Neurodermitis-Patienten kann schon ein emotionales Mitfiebern während eines spannenden Films oder der vorübergehende Ärger im Büro zur Verstärkung von Juckreiz führen – es reichen also auch kurze, situative Belastungen, um eine Hautsymptomatik negativ zu beeinflussen.

 

PZ: Wie können Sie den Menschen helfen, ihre Beschwerden in den Griff zu bekommen?

 

Seikowski: Indem wir darüber reden. Im psychotherapeutischen Gespräch baut sich Anspannung ab und entlastet die Patienten. Sehr gut untersucht ist dieser Zusammenhang beim kreis­runden Haarausfall, der Alopecia areata, einer ebenso genetisch bedingten Erkrankung wie die Neurodermitis und Psoriasis. Bei der Alopecia areata verschlimmerte sich der Haarausfall bei Patienten unter dem Einfluss einer Lebenskrise signifikant. Durch die Aufarbeitung der psychischen Belastungen im therapeutischen Gespräch verschwanden die kahlen Stellen auf dem Kopf wieder und die Haare begannen erneut zu wachsen.

 

Da ich sowohl tiefenpsychologisch als auch verhaltenstherapeutisch mit den Patienten arbeite, kann ich die Therapie individuell ausrichten. Wir können in einem längeren Prozess zurückliegende Kindheitskonflikte bearbeiten, aber auch verhaltenstherapeutische Regeln aufstellen. Um zum Beispiel die eigenen Bedürfnisse im Alltag besser durchzusetzen. Die Psychotherapie hilft, das Selbstbewusstsein wieder stark zu machen. Speziell Haut­patienten sind oft unsicher im Umgang mit anderen Menschen und ziehen sich aus Angst vor Ablehnung häufig zurück. Da zudem Entspannung sehr wichtig ist, bieten wir parallel zur Psycho­therapie auch autogenes Training an.

 

PZ: Sie führen Schulungen für Eltern von Kindern mit Neurodermitis durch. Warum?

 

Seikowski: Weil wir mit den Elternschulungen viel erreichen. Zehn bis 14 Prozent der Kinder haben eine Neurodermitis. Auch wenn sie bei zehn Prozent irgendwann wieder verschwindet, brauchen die Familien in dieser Zeit Unter­stützung. Wir schulen die Eltern über sechs Wochen jeweils zwei Stunden wöchentlich mit einem interdisziplinären Team. Pneumologen und Pädiater klären beispielsweise über Allergien auf und die richtige Anwendung von Cortison-haltigen Salben und Cremes. Ernährungsspezialisten zeigen, wie eine möglichst allergenarme Nahrung aussehen kann – nach dem Abstillen, aber auch, wenn die Kinder schon größer sind. Und dann komme noch ich als Psychologe ins Spiel. Zum Beispiel bei der Frage: Wie kann ich meinem Kind helfen, wenn es sich die Haut zerkratzt, weil sie so stark juckt?

 

PZ: Und was raten Sie den Eltern dann?

 

Seikowski: Dass man mit Sätzen wie »Hör auf zu kratzen« nicht weiterkommt. Kinder mit Neurodermitis brauchen viel Zuwendung. Man sollte sie in den Arm zu nehmen, sie trösten und auch mal nachts bei sich im Bett schlafen lassen. Aber natürlich geht es auch darum, die Eltern zu stabilisieren und darauf zu achten, wie es ihnen geht. Denn je unruhiger die Eltern, desto stärker ist auch der Juckreiz der Kinder. Deshalb füllen Eltern im Rahmen der Schulung einen Wochenbogen aus, der Aufschluss darüber gibt, wie sie sich fühlen. Außerdem erlernen sie bei uns eine Entspannungstechnik, die sogenannte Progressive Muskelrelaxa­tion. In der letzten Stunde schreiben die Eltern schließlich einen Brief an sich selber mit neuen guten Vorsätzen, was sie in der Betreuung ihrer Kinder zukünftig anders und besser machen wollen. Diesen Brief nehme ich an mich und schicke ihn ein Vierteljahr später zu ihnen nach Hause, damit sie sehen, ob sie sich daran gehalten haben. Die Eltern schätzen diese Kontrolle, da sie wissen, dass der Alltag einen allzu oft wieder zurück in alte Muster fallen lässt. /

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