Pharmazeutische Zeitung online
Gesetzesverfahren

Ministerien gegen Pick-up-Verbot

29.06.2010  17:25 Uhr

Von Uta Grossmann, Berlin, und Daniel Rücker / Erst hü, dann hott: Das Verbot von Pick-up-Stellen für Arzneimittel in Gewerbebetrieben wie Drogeriemärkten ist in weite Ferne gerückt. Justiz- und Innenministerium lehnen die Regelung ab, obwohl sie im Koalitionsvertrag angekündigt worden war. Führende Gesundheitspolitiker der Koalition sind mit dieser Entscheidung nicht einverstanden.

Anfang Juni war der Referentenentwurf für das Arzneimittelspargesetz öffentlich geworden; in dem es heißt: »Zur Sicherstellung der Qualität beim Versand und im Interesse einer hohen Patientensicherheit darf es keine Sammlung von Rezepten oder Aushändigung von Arzneimitteln beim Versandhandel (»Pick-up-Modell«) außerhalb der Direktzustellung geben.« Wegen des »gesundheitlichen Gefährdungspotenzials von Arzneimitteln« gelte es, den Anschein zu vermeiden, Verbraucher erhielten Arzneimittel wie gewöhnliche Waren in Einzelhandelsgeschäften.

Die Apotheker konnten aufatmen, die Politiker schienen zumindest dieses Wahlversprechen zu halten. Immer­hin steht ein Verbot der Pick-up-Stellen im Koalitionsvertrag und im Eckpunktepapier zur Arznei­mittel­versorgung, das Bundesgesundheits­minister Philipp Rösler (FDP) auf der Grundlage dieses Vertrages vorgelegt hatte. Im Koalititonsvertrag heißt es: »Wir werden die Auswüchse beim Versandhandel bekämpfen, indem wir die Abgabe von Arzneimitteln in den sogenannten Pick-up-Stellen verbie­ten.« Im Eckpunktepapier steht klipp und klar, »dass der Missbrauch des Versandhandels durch sogenannte Pick-up-Stellen unterbunden wird«. Das scheint nun Makulatur. Die Passage zum Pick-up-Verbot ist aus dem Entwurf des Gesetzes zur Neu­ordnung des Arzneimittelmarktes in der Gesetzlichen Krankenversicherung (AMNOG) herausgeflogen.

 

Verfassungsrechtliche Bedenken standen schon länger im Raum. Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig sah in einer Entscheidung vom März 2008 im Falle eines Verbots der Pick-up-Stellen die grundgesetzlich garantierte Berufsfreiheit der Versandapotheker in Gefahr. Nun konkretisierten das Bundesinnenministerium (BMI) und das Bundesjustizministerium (BMJ) ihre Bedenken in Stellungnahmen zum Referentenentwurf, aus denen die »Frankfurter Allgemeine Zeitung« (FAZ) zitierte. Demnach argumentieren die Ministerien allerdings eher politisch als juristisch: Eine Einsparung von Arzneimittelkosten sei nicht erkennbar, ganz im Gegenteil, nur die Apotheker profitierten von einem Verbot, so das Innenministerium. Es bezweifelt das Argument, dass eine sichere Versorgung gefährdet sei. Das Justizministerium sieht keine triftigen Gründe des Gemeinwohls, die eine Beschränkung des Arzneimittelversandhandels rechtfertigen könnten.

 

Politiker der Koalitionsparteien wie der gesundheitspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Jens Spahn (CDU), und der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesgesundheitsministerium, Daniel Bahr (FDP), hatten sich wiederholt öffentlich für ein Verbot der Pick-up-Stellen ausgesprochen, auch in Interviews mit der »Pharmazeutischen Zeitung« (PZ) (Union: »Das Pick-up-Verbot kommt«, PZ 07/2010; Interview: Wettbewerb unter fairen Bedingungen, PZ 33/2009).

 

Zweifel am Willen

 

Nach der plötzlichen Kehrtwende wegen der Stellungnahmen zweier Ressorts stellt sich die Frage nach der Glaubwürdigkeit der Politiker. Allzu groß kann der politische Wille trotz aller gegenteiligen Bekundungen wohl nicht sein, wenn er sich so leicht erschüttern lässt. Der Verdacht drängt sich auf, dass die Nutznießer der Pick-up-Stellen wirksame Lobbyarbeit geleistet und wirtschaftsliberale Überzeugungen sich gegen die Argumente des Verbraucherschutzes und der Arzneimittelsicherheit durchgesetzt haben.

 

FDP-Staatssekretär Daniel Bahr gab gegenüber der PZ als Grund für das Scheitern lediglich die Stellungnahmen von Innen- und Justizministerium an. Es sei kein Konsens für den Vorschlag des Gesundheitsministeriums gefunden worden. Bahr findet das »ärgerlich«. Er bleibt bei seiner Position, dass Pick-up-Stellen eine Verzerrung des Wettbewerbs seien und Drogeriemärkte sich den Anschein von Apotheken gäben, was er ablehnt. Der FDP-Staatssekretär hofft, dass es im weiteren Gesetzesverfahren vielleicht doch noch Chancen für ein Pick-up-Verbot gibt, eventuell im Rahmen der Anhörung im Gesundheitsausschuss im Herbst. Auch für CDU-Gesundheitspolitiker Jens Spahn ist noch nicht aller Tage Abend. Er sagte der PZ: »Die Union hält an dem Ziel eines Verbotes von Pick-up-Stellen fest. Wir suchen nach Wegen, denn wo ein Wille ist, da ist ein Weg.«

Unzufrieden mit dem Votum der beiden Ministerien sind ABDA-Präsident Heinz-Günter Wolf und der stellvertretende Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) Dr. Carl-Heinz Müller. Für den KBV-Vorstand bedeuten Pick-up-Stellen eine Verschlechterung der Versorgung. Müller: »Pick-up ist mit der von ABDA und KBV vereinbarten Stärkung der Arzneimitteltherapiesicherheit nur schwer zu vereinbaren.«

 

Der ABDA-Präsident teilt diese Einschätzung. Er erwartet aber, dass das letzte Wort zum Pick-up-Verbot noch nicht gesprochen ist. Die Politik könne nicht auf der einen Seite mehr Qualität und Sicherheit in der Arzneimittelversorgung fordern, gleichzeitig aber ein ökonomisch ausgerichtetes Geschäftsmodelle tolerieren, das die eigenen Forderungen konterkariert.

 

Die erste Lesung des AMNOG-Kabinettsentwurfs findet am 9. Juli statt. /

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