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Sommerakademie

Appelle an den Unternehmergeist

25.06.2007  14:19 Uhr

Sommerakademie

<typohead type="3">Appelle an den Unternehmergeist

Von Uta Grossmann, Bayreuth

 

Ist DocMorris das Fanal für den Dammbruch im deutschen Apothekenwesen? Kippt der Europäische Gerichtshof das Fremdbesitzverbot? Stehen Hedgefonds in den Startlöchern, um den pharmazeutischen Mittelstand zu ruinieren? In der Bayreuther Sommerakademie ging es ums Ganze: um die Zukunft der Apotheke.

 

Wie kann die Apotheke die Herausforderungen des Gesundheitsmarktes bewältigen? Über 80 Apothekerinnen und Apotheker kamen Ende Juni auf Einladung der Wirtschaftsakademie Deutscher Apotheker (WDA) in die Bayreuther Universität, um sich schlau zu machen und zu diskutieren. Die wissenschaftliche Leitung hatte Peter Oberender.

 

Oberenders einführender Vortrag über das neue Wettbewerbsstärkungsgesetz der Gesetzlichen Krankenversicherung (WSG-GKV) geriet zu einer Abrechung. Das von ihm so genannte Wettbewerbsschwächungsgesetz bedeute »Zentralverwaltung pur« mit wenigen Nischen für Wettbewerb. Nach seiner Meinung löst es weder die Herausforderungen der demographischen Entwicklung noch des medizinischen Fortschritts und ist ein Wechsel zu Lasten zukünftiger Generationen.

 

Der emeritierte Ökonomie-Professor Peter Oberender war bis Anfang des Jahres Inhaber des Lehrstuhls für Volkswirtschaftslehre/Wirtschaftstheorie der Universität Bayreuth und leitet aktuell noch die Forschungsstelle der Uni für Sozialrecht und Gesundheitsökonomie. Er ist wissenschaftlicher Leiter des berufsbegleitenden Studiums für Apotheker, das die WDA an der Uni Bayreuth anbietet. Seine Forderungen nach einer weitreichenden Liberalisierung des Gesundheitswesens sind durchaus umstritten. Auch seine Nähe zu dem arbeitgeberfinanzierten PR-Institut »Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft« schmeckt nicht jedem. Das Institut förderte sein Bayreuther Modell, das einen Systemwechsel weg von der gesetzlichen hin zur privaten, marktwirtschaftlich orientierten Krankenversicherung propagiert.

 

Die Rabattverträge, die das WSG-GKV ermöglicht, nannte Oberender in seinem Vortrag eine Entmündigung des Apothekers, weil sie ihm vorschreiben, welches Arzneimittel er abgeben muss. Für den Apothekenrabatt machte der Gesundheitsökonom folgende Rechnung auf: Der Rabatt ist zum 1. April von zwei Euro auf 2,30 Euro pro Packung für verschreibungspflichtige Arzneimittel gestiegen. Dadurch sparen die gesetzlichen Krankenkassen 165 Millionen Euro im Jahr ein. Geht man für die typische Apotheke von einer Abgabe von 20.000 Packungen im Jahr aus, ergibt sich ein Rückgang des Rohgewinns um 4200 Euro, für die verbliebenen neun Monate 2007 entsprechend um 3150 Euro.

 

»Trauen Sie sich was!«

 

Positiv schlage für die Apotheken zu Buche, dass der Wettbewerb nicht wie ursprünglich geplant durch Zuzahlungs- und Margenverzicht verschärft wurde. Damit seien die für Versandapotheken und Ketten interessanten Instrumente nicht in das Gesetz aufgenommen worden.

 

Oberender appellierte an die Apotheker, die Herausforderungen eines veränderten Marktes anzunehmen. »Wer in diesem Gesundheitsmarkt nicht überleben kann, managt das falsch. Der Markt ist da«, sagte er. Besonders der OTC-Markt, der Handel mit nicht verschreibungspflichtigen Waren sei vielversprechend. Mehr Hochbetagte und veränderte Krankheitsprofile wie die Zunahme chronischer Krankheiten böten ein Feld für Apotheker.

 

»Haben Sie den Mut zu Innovationen«, rief er den Akademie-Teilnehmern zu. Der selten um eine provokante Zuspitzung verlegene Emeritus fügte hinzu: »Auch wenn man mal gegen Standesrecht verstößt, dann lässt man sich eben abmahnen!« Und schob rasch hinterher, das sei natürlich keine Aufforderung, Standesrecht zu brechen, aber: »Trauen Sie sich was!«

 

Seine Einschätzung, im europäischen Binnenmarkt seien Arzneimittel Güter wie andere auch, provozierte den Widerspruch eines Teilnehmers. Oberender spielte den Ball zurück: »Sie als Apotheker müssen das Arzneimittel als besonderes Gut hochhalten, gegen den Zeitgeist.«

 

Wenn das Fremdbesitzverbot fällt

 

Zwingt die Europäische Union zur Aufhebung des Fremdbesitzverbotes bei deutschen Apotheken? Der Jura-Professor Lutz Michalski beantwortet die Frage mit Ja. In seinem Vortrag in der WDA-Sommerakademie in Bayreuth prognostizierte Michalski, dass der Europäische Gerichtshof (EuGH) bereits in einem halben Jahr eine Entscheidung fällen wird.

 

Der Inhaber des Lehrstuhls für bürgerliches Recht, Handels- und Gesellschaftsrecht der Universität Bayreuth geht davon aus, dass das Fremdbesitzverbot fällt. Doch er hofft, dass der EuGH eine Modifizierung vornimmt, die den Apotheker als Freiberufler rettet und verhindert, dass Nicht-Apotheker in pharmazeutische Bereiche des Apothekerberufes hineinreden. Das könnte nach Michalskis Vorstellung über das Gesellschaftsrecht erreicht werden. Es müsste zwischen Fremdbesitz und Fremdbetrieb unterschieden werden, so die Argumentation des Juristen.

 

Der Fremdbetrieb ist bereits jetzt durch den eingeschränkten Mehrbetrieb möglich: Ein Apotheker darf bis zu drei Filialen mit angestellten Apothekern betreiben. In den Filialen ist also der Besitzer nicht wie in der inhabergeführten Apotheke gleichzeitig auch der Betreiber. Fremdbetrieb existiert auch im Fall der Krankenhausapotheke, die von einem angestellten Apotheker geleitet, aber vom Krankenhaus betrieben wird.

 

Apotheker als Gesellschafter

 

Für problematisch hält Michalski nicht den Fremdbesitz, sondern den Fremdbetrieb etwa durch eine ausschließlich an Gewinnmaximierung interessierte Kapitalgesellschaft, was legalisiert würde, wenn der EuGH das Fremdbesitzverbot kippt. Bei der von Celesio übernommenen DocMorris-Kette ist das bereits Realität.

 

Der EuGH sollte nach den Vorstellungen Michalskis für den Fall des Fremdbetriebs einer Apotheke durch eine Kapitalgesellschaft vorschreiben, dass auf Gesellschafter- und Geschäftsführerebene Apotheker vertreten sind. So würde sichergestellt, dass Pharmazeuten die Ziele der Qualitätssicherung und Beratungskompetenz der Apotheken gegen rein ökonomische Interessen verteidigen.

 

»Es geht darum, den Einfluss von Fachfremden auf die Wahrnehmung des Gesundheitsschutzes im Apothekenbereich zurückzudrängen«, sagte Michalski. Wenn Apotheker die Mehrheit der Gesellschafter und Geschäftsführer von Kapitalgesellschaften stellen, die Apotheken betreiben, wäre das nach Michalskis Auffassung auch ein Schutz vor Hedgefonds, die sonst ungehindert in den Apothekenmarkt einfallen könnten. Nur so hätte das Standesrecht der Apotheker eine Überlebenschance.

 

Peter Oberender machte seinerseits keinen Hehl daraus, dass er Michalskis Argumentation nicht folgt. Er hielt die Fahne des Marktliberalismus hoch und erinnerte an das Sterben der Tante-Emma-Läden, die sich gegen die Konkurrenz der Supermarktketten nicht hätten behaupten können. Das Argument der flächendeckenden Versorgung mit Lebensmitteln auch in ländlichen Gebieten habe den Einzelhändlern nichts genutzt und die Entwicklung hin zur Dominanz der Supermärkte nicht aufhalten können.

 

Auch die Privatisierung von Kliniken zog Oberender zum Vergleich heran um zu demonstrieren, dass er Michalskis Vorschlag zur Modifizierung des Fremdbetriebs von Apotheken keine Chance einräumt. In den Vorständen privater Krankenhausbetreiber säßen keine Ärzte, sondern Betriebswirte. Oberender: »Ich habe keine Angst vor Hedgefonds, Hauptsache, ein approbierter Apotheker ist da.«

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