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Arzneistoffe

Innovationen mit großen Sprüngen

16.06.2009  15:05 Uhr

Pharmacon Meran 2009

<typohead type="3">Arzneistoffe: Innovationen mit großen Sprüngen

Seit 2006 geht die Zahl der Scheininnovationen unter den Arzneimitteln, die neu auf den deutschen Markt kommen, zurück. Die Nase vorn haben Sprung- und Schrittinnovationen. Acht neue Wirkstoffe aus den Jahren 2008 und 2009 bewertete PZ-Chefredakteur Professor Dr. Hartmut Morck in Meran.

 

Seit Februar 2009 ist Tocilizumab auf dem Markt. Das Molekül ist der erste monoklonale Antikörper gegen den Interleukin-6-Rezeptor: laut Morck eine Sprunginnovation. Es wird in Kombination mit Methotrexat (MTX) als Zweitlinientherapie bei Patienten mit schwerer rheumatoider Arthritis (RA) eingesetzt. Wenn die Patienten MTX nicht vertragen, kann der Antikörper auch first-line gespritzt werden. Tocilizumab greift in das Zytokin-Ungleichgewicht bei RA ein und bremst den Einfluss des proinflammatorischen Interleukins-6. In fünf randomisierten Studien verbesserten sich die Beschwerden der Patienten erheblich. Nach Morcks Ansicht müsste der Antikörper bereits in der Frühphase der Erkrankung eingesetzt werden, um deren Fortschreiten aufzuhalten und einer drohenden Invalidität entgegenzusteuern. »Dies wäre trotz des hohen Arzneimittelpreises kosteneffektiv.«

 

Patienten mit Epilepsie können seit Herbst 2008 Lacosamid als Zusatztherapie bekommen. Aus elektrophysiologischen In-vitro-Studien weiß man, dass das Molekül die langsame Inaktivierung bestimmter Natriumkanäle verstärkt. Dadurch soll es die neuronale Überregbarkeit dämpfen. Morck äußerte Zweifel an diesem postulierten Hauptmechanismus. Lacosamid als Derivat von D-Serin wirke als Antagonist zu dieser Aminosäure, die an postsynaptischen NMDA-Rezeptoren angreift. Er vermute vielmehr, dass Lacosamid wie Felbamat an NMDA-Rezeptoren angreift: Damit sei es eine Schritt- und keine Sprunginnovation.

 

Ausführlich ging Morck auf die beiden oralen Antikoagulanzien ein, die seit letztem Jahr zur Verhinderung der Gerinnselbildung bei Patienten nach Hüft- oder Kniegelenks-Ersatzoperation zugelassen sind. Dabigatran ist ein direkter Thrombin-Inhibitor, wie das 2004 eingeführte Ximelagatran, das wenig später wegen Hepatotoxizität vom Markt verschwand. Rivaroxaban ist der erste direkte, peroral bioverfügbare Faktor-Xa-Inhibitor und damit eine Sprunginnovation. Beide Medikamente werden erst nach der Operation eingenommen. In Studien verhinderte Dabigatran venöse Thromboembolien (VTE) ebenso gut wie der Standard Enoxaparin, während Rivaroxaban besser abschnitt. Allerdings wurde hier ein Anstieg der Leberenzym-Werte beobachtet. Bei beiden Medikamenten streben die Herstellerfirmen eine Ausweitung der Indikation an: Schlaganfallprävention bei Patienten mit Vorhofflimmern und Sekundärprophylaxe nach Herzinfarkt (akutes Koronarsyndrom). Laut Morck hat Rivaroxaban hier die Nase vorn: Die erweiterte Indikation könnte bereits im nächsten Jahr zugelassen werden.  

 

Mäßig wirksam, aber möglicherweise nützlich für Patienten mit unvollständig kontrollierter Erkrankung: Dies bescheinigte die europäische Zulassungsbehörde EMEA dem Wirkstoff Ranolazin und genehmigte ihn als Zusatzmedikation bei stabiler Angina Pectoris. Er soll den Blutfluss zum Herzen verbessern und damit die Symptome mildern. Allerdings besteht ein erhebliches Wechselwirkungspotenzial, da Ranolazin über Cytochrom-P450-Enzyme verstoffwechselt wird und Substrat des Transporters p-Glykoprotein ist. 

 

Mäßig wirksam: Dieses Kriterium trifft auch auf Docosan-1-ol zu, das die EMEA zur topischen Behandlung von Lippenherpes zugelassen hat. Dabei wurde erstmals keine Verschreibungspflicht für ein neues Medikament verfügt, sagte Morck. Bei einer deutschen Zulassung hätte dieses der automatischen Verschreibungspflicht unterlegen. In den USA ist Docosanol als Medizinprodukt erhältlich.

 

Mitte Februar 2009 kam ein Antikörper auf den Markt, der sich gegen die Interleukine IL-12 und -23 richtet und für Patienten mit mittelschwerer bis schwerer Plaque-Psoriasis zugelassen ist: Ustekinumab. Die Nomenklatur ist ungewöhnlich, informierte Morck. Die Silbe »kin« soll laut Hersteller auf die Interleukine als Target hindeuten. Ein humaner Antikörper müsste aber »-mumab« heißen. Hergestellt wird Ustekinumab mit rekombinanter DNA-Technologie in murinen Myelomzellen. Laut EMEA variiere die Antikörperbildung von Charge zu Charge, was laut Morck die Allergiegefahr erhöhe. In Studien erlebten 70 Prozent der Patienten eine dramatische Besserung der Psoriasis (unter Placebo nur 3 Prozent), die bei acht von zehn Respondern über eineinhalb Jahre anhielt. »Das ist ein großer Erfolg für die Patienten.«

 

Ebenfalls »eine echte Innovation« ist Icatibant. Das synthetisch hergestellte Dekapeptid ähnelt dem Bradykinin und hemmt selektiv und kompetitiv Bradykinin-Rezeptoren. Damit hilft es Patienten mit hereditärem Angioödem (HAE). Bei dieser seltenen Erkrankung erleiden die Patienten starke Ödeme und Schmerzen. Eine HAE-Attacke ist potenziell lebensgefährlich: Ein Drittel der Menschen, die ein Ödem im Hals entwickeln, sterben daran, informierte Morck. Die einmalige subkutane Gabe von 30 mg Icatibant in einer Fertigspritze kann die Attacke meist unterbrechen.

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