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Studien mit Demenzkranken

Umstrittene Forschung

15.06.2016  09:00 Uhr

Von Annette Mende, Berlin / Der Verband der forschenden Pharmaunternehmen (vfa) distanziert sich von dem Vorhaben, die Regeln für Studien an nicht einwilligungsfähigen Patienten zu lockern. Die umstrittene geplante Änderung des Arzneimittelgesetzes (AMG) habe nicht die Pharmaindustrie gefordert, stellte der Verband jetzt klar.

Der aktuelle Gesetzentwurf der vierten AMG-Novelle sieht vor, klinische Studien etwa mit Demenzkranken unter bestimmten Voraussetzungen auch dann zu erlauben, wenn der einzelne Patient davon keinen Nutzen hat. »Solche Studien wurden vehement von der Akademia gefordert«, sagte Siegfried Throm, vfa-Geschäftsführer Forschung, Entwicklung und Innovation, am vergangenen Freitag in Berlin. Für die im vfa organisierten Arzneimittelhersteller sei eine Ausweitung der Forschungsmöglichkeiten in diesem Bereich nicht notwendig.

 

Gruppennützige Forschung

Bei einer Anhörung im Bundestag hatte etwa Professor Wolfgang Maier von der Universitätsklinik Bonn für die entsprechende Änderung im AMG geworben. Sie sieht vor, dass klinische Studien mit Personen auch dann möglich sind, wenn diese »Wesen, Bedeutung und Tragweite der klinischen Prüfung« nicht erkennen können. Voraussetzung ist, dass die Forschung gruppennützig ist, also beispielsweise im Fall einer Studie mit Demenzpatienten Erkenntnisse generiert, die perspektivisch anderen Demenzpatienten zugutekommen werden. Zudem muss eine Patientenverfügung vorliegen, in der der Betroffene sein Einverständnis hierzu gegeben hat.

 

»Klinische Studien sind im AMG bisher nur in initialen Stadien von Demenzen möglich, das heißt nur bei erhaltener Einwilligungsfähigkeit«, sagte Maier. Mit Fortschreiten der Erkrankung ändere sich jedoch die biologische Grundlage, die Schäden im Gehirn werden umfassender. Wirknachweise aus frühen Demenzstadien seien daher nicht ohne Weiteres auf fortgeschrittene übertragbar. Deutsche Patienten profitierten momentan davon, dass die gesetzlichen Vorschriften in anderen Ländern weniger streng seien als hierzulande, so der Mediziner. »Die Nutzung von Wirknachweisen, deren Erarbeitung hierzulande unzulässig wäre«, hält er für ethisch zumindest problematisch.

 

Das sehen jedoch nicht alle so. Laut Throm war der entsprechende Passus im Referentenentwurf des Gesetzestextes noch nicht enthalten und tauchte erst im Kabinettsentwurf zur AMG-Novelle auf. Danach hagelte es Kritik. Unter anderem Patientenorganisationen und Kirchen warnten davor, die Möglichkeiten der Arzneimitteltestung an nicht einwilligungsfähigen Personen auszuweiten. Auch die Opposition ist kritisch. »Die hohen Standards, die es in Deutschland bei klinischen Studien momentan für nicht einwilligungsfähige Erwachsene gibt, dürfen nicht verwässert werden«, sagte die Gesundheitsexpertin der Grünen, Kordula Schulze-Asche.

 

In der Koalition gehen die Meinungen in dieser Frage ebenfalls auseinander – besonders in Hermann Gröhes eigener Fraktion, der Union. Während Forschungsministerin Professor Johanna Wanka die Pläne ihres Kollegen aus dem Gesundheitsressort und CDU-Parteigenossen verteidigte, sprach der Behindertenbeauftragte der Union, Uwe Schummer (CDU), von einem »humanitären Dammbruch«. Die Gesetzesänderung wurde daher zunächst auf Eis gelegt, um mehr Zeit für Diskussionen zu ermöglichen.

 

EU-Verordnung gilt

 

Ein Kompromiss muss rasch gefunden werden, denn die Zeit drängt. Mit der AMG-Novelle setzt Deutschland eine EU-Verordnung aus dem Jahr 2014 um, die seit dem 28. Mai dieses Jahres hierzulande gilt. Diese ist deutlich weniger restriktiv als die zunächst vorgesehene nationale Regelung, denn sie lässt gruppennützige Forschung an nicht Einwilligungsfähigen auch ohne Vorliegen einer Patientenverfügung zu. Können die Koalitionäre sich also nicht bald auf eine Formulierung einigen, greift die EU-Regelung und damit die noch weitreichendere Erlaubnis solcher Studien. /

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