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Neue Arzneistoffe

Schritte und Sprünge

09.06.2015  14:47 Uhr

In den vergangenen zwölf Monaten sind insgesamt 31 neue Wirkstoffe auf den deutschen Markt gekommen. Darunter waren sechs Sprung- und vierzehn Schrittinnovationen. Professor Dr. Hartmut Morck stellte einige ausgewählte Wirkstoffe vor.

Zur Therapie von erwachsenen Patienten mit mittelschweren bis schweren aktiven Formen von Colitis ulcerosa und Morbus Crohn kam im vergangenen Jahr Vedolizumab (Entyvio®) auf den Markt. Der Antikörper hat einen neuen Wirkmechanismus: Er blockiert spezifisch das zelluläre Adhäsionsmolekül α4β7-Integrin auf Memory-T-Helfer­zellen. Diese dringen bei betroffenen Patienten in den Magen-Darm-Trakt ein und lösen dort die chronische Entzündung aus. Durch Vedolizumab kann α4β7-Integrin nicht an das Adressin-Zelladhäsionsmolekül-1 (MAdCAM-1) auf Darmendothelzellen binden. So können Lymphozyten nicht ins Darmgewebe einwandern, und die chronische Entzündung wird eingedämmt.

 

Selektiver als Natalizumab

 

Vedolizumab wirkt selektiv im Magen-Darm-Trakt. Ähnlich, aber unspezifischer wirkt das bereits 2006 zur Therapie von Multipler Sklerose zugelassene Natalizumab (Tysabri®). Dieses bindet an die α4-Kette des Integrins. »Die progressive multifokale Leukenzephalo­pathie, eine Nebenwirkung von Natalizumab, ist daher theoretisch auch bei Vedolizumab möglich«, so Morck. Bislang seien allerdings noch keine Fälle berichtet worden. Aufgrund des neuen Wirkmechanismus und der relativ guten Verträglichkeit könne man den neuen Arzneistoff als Sprunginnova­tion werten.

 

Ebenfalls eine Sprunginnovation ist laut Morck Alipogentiparvovec (Glybera®), das erste zugelassene Gentherapie-Medikament. Es hilft Patienten mit einem seltenen familiären Lipoproteinlipase-Defizit (LPLD), bei denen trotz fettarmer Ernährung schwere Pankreatitis-Schübe auftreten. Bei diesen Patienten ist das LPL-Gen mutiert. Die Aktivität von LPL, einem Enzym, das Nahrungsfette aufspaltet, ist daher stark herabgesetzt oder fehlt ganz.

 

Das Präparat wird intramuskulär injiziert. Ein Vektor, der mit der korrekten Version der LPL-Genvariante beladen ist, dringt in Muskelzellen ein und lädt dort seine Fracht ab. Im behandelten Muskel wird das LPL-Protein exprimiert, die Muskelzelle ist dann in der Lage, den Umbau der Nahrungsfette zu übernehmen. Aufgrund der Seltenheit der Erkrankung ist Alipogentiparvovec bislang nur an 27 Patienten getestet worden. Studien deuten jedoch darauf hin, dass bei allen Patienten drei bis zwölf Wochen nach der Injektion die Fettkonzentration im Blut deutlich abgenommen hatte und deutlich weniger akute Pankreatitiden auftraten.

 

Gleich zwei neue Wirkstoffe gibt es zur Behandlung von pulmonalen Infektionen durch multiresistente Tuberkulose-Bakterien: Bedaquilin (Sirturo®) und Delamanid (Deltyba®). »Beide Wirkstoffe dürfen nur angewendet werden, wenn andere Medikamente aufgrund von Resistenzen oder Unverträglichkeiten nicht infrage kommen«, sagte Morck. Delamanid hemmt die Synthese von Bestandteilen der Zellwand und wirkt damit ähnlich wie etwa Ethambutol oder Isoniazid. Morck bewertete Delamanid daher als Schrittinnovation. Bedaqulin, das immer Bestandteil einer Kombinationstherapie sein muss, konnte ihn hingegen mit einem neuen Wirkmechanismus überzeugen: Die Substanz hemmt die ATP-Synthase und unterbindet damit die Energiegewinnung des Erregers. Sie erhielt von Morck das Prädikat Sprunginnovation.

 

Neuer Therapieansatz bei Alkoholabhängigkeit

 

Als Schrittinnovationen bezeichnete Morck den Opioidrezeptor-Modulator Nalmefen (Selincro®). Er soll den Alkoholkonsum alkoholabhängiger Patienten reduzieren. »Das ist ein neuer Ansatz, denn bisher war das Ziel der Therapie immer die Abstinenz«, sagte Morck. Bislang gründet die Bewertung des neuen Arzneistoffs nur auf Daten aus klinischen Studien, es müsse sich noch zeigen, ob sich die Nalmefen-Therapie in der Praxis bewährt. Eine Schritt­innovation ist auch Dimethylfumarat (Tecfidera®) zur Behandlung der schubförmig remittierenden Multiplen Sklerose. In Studien verringerte der Wirkstoff unter anderem die jährliche Schubrate, das Fortschreiten der Behinderung und das Schubrisiko. Der genaue Wirkmechanismus ist noch nicht geklärt. »Der Wirkstoff ist relativ gut verträglich und könnte eine Alternative zu Interferonen werden«, sagte Morck.

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