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Psychose im Film

. . . und Action!

Datum 10.06.2014  11:15 Uhr

Von Yuki Schubert, Berlin / Psychische Krankheiten werden in Film und Fernsehen immer wieder thematisiert. Häufig mangelt es jedoch an einer differenzierten Darstellung der psychisch kranken Filmcharaktere. Das Aktionsbündnis Seelische Gesundheit, der Verband Deutscher Drehbuchautoren und der Verband für Film- und Fernsehdramaturgie (VeDRA) diskutierten auf einem Workshop über die Macht der Bilder und den Abbau von Stigmatisierungen.

Jeder dritte Mensch wird einmal im Leben psychisch krank. Psychische Störungen können also jeden treffen. Das sagte Professor Dr. Thomas Bock, Leiter der Spezialambulanz für Psychosen und bipolare Störungen des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf auf einem Treffen in Berlin. Fachleute aus Psychiatrie und Psychotherapie, Filmschaffende, Betroffene und Angehörige konnten hier gemeinsam darüber diskutieren, was fiktive Geschichten über psychische Erkrankungen in Film und Fernsehen in der Öffentlichkeit bewirken können.

 

Vielfach sind Filmcharaktere mit psychischen Erkrankungen in Kinofilmen, TV-Krimis und Serien die »Bösewichte« und werden als aggressiv, unberechenbar und schuldig dargestellt. Ein Klischee, das aber teilweise schon dabei ist, sich zu ändern. Denn zunehmend werden auch Kommissare und Ermittler in Krimis von Depressionen, Zwängen oder bipolaren Erkrankungen heimgesucht. Das bestätigte Dr. Eva-Maria Fahmüller, stellvertretende Vorsitzende des VeDRA, in ihrem Vortrag. Sie hatte zwischen 2013 und 2014 insgesamt 136 Fernsehspiele, darunter der ARD Tatort und das ZDF Fernsehspiel der Woche, auf psychisch kranke Figuren hin untersucht. Ihr Fazit: 32 Fernsehproduktionen beschäftigen sich mit entsprechenden Filmcharakteren, speziell solchen mit Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen. Psychisch Kranke tauchen im Fernsehen vor allem in Krimis und Dramen auf, weniger in Komödien oder Liebesfilmen. Speziell diese Genres könnten jedoch helfen, Klischees abzubauen, so Fahmüller. »Wenn der Zuschauer gemeinsam mit den Figuren lacht, kann das die Diskrepanz zwischen der sich als normal begreifenden Gesellschaft und den psychisch Kranken aufheben«, so die Drehbuchexpertin. Im Kino sind humorvolle Auseinandersetzungen mit psychischen Störungen häufiger vertreten. Aktuellere Beispiele sind die Nick-Hornby-Buchverfilmung »A Long Way Down« oder der deutsche Film »Vincent will Meer«. Der große Vorteil an diesen Filmen ist ihre Perspektivenvielfalt. Vincent ist weder nur aggressiv noch ausschließlich träumerisch oder verzweifelt. Dass Personen in all ihren Nuancen und Facetten dargestellt werden sollten, forderten auch Donna Reynolds, die selbst an einer bipolaren Störung erkrankt ist, und Janine Berg-Peer, Mutter einer schizophrenen Tochter.

 

Genie oder Ganove

 

Besonders kritisch sah Berg-Peer die Dämonisierung oder Überhöhung von psychisch Kranken. Entweder seien sie eine Gefahr für die Allgemeinheit oder beeindruckende Genies. Diese Extreme trieben die Stereotypisierung voran, so Berg-Peer, die auch Autorin des Buches »Schizophrenie ist scheiße, Mama!« ist. Das Motiv, die Mutter als Auslöser allen Übels darzustellen, kritisierte sie zudem als ein Vorurteil, das sich seit Hitchcocks »Psycho« hartnäckig im Film hält. »Die monokausale Erklärung für eine Störung wird in der Psychologie hinterfragt«, sagte Berg-Peer. Folglich sollten aktuelle Erkenntnisse aus der Wissenschaft ihrer Meinung nach in der Kunst nicht außer Acht gelassen werden.

 

Während des Workshops wurden zwei Fernsehprojekte mit einer gelungenen authentischen Darstellung vorgestellt, darunter der Bremer Tatort mit der Folge »Ordnung im Lot«. Regie und Drehbuch übernahmen Professor Peter Henning und Claudia Prietzel, die in der Krimireihe eine Mordzeugin mit einer Psychose in den Fokus stellten. Mit akribischer Recherche und ihrem persönlichen Erfahrungsschatz skizzierten Henning und Prietzel eine Figur, die durch ihre paranoide, schizophrene Psychose eine eigene Sprache entwickelt, die die Kommunikation mit der Außenwelt erschwert – ein Phänomen, das auch Bock aus seinem Berufsalltag als Psychologe beschreibt.

 

Psychische Störungen machen aber auch vor Daily Soaps wie »Gute Zeiten, schlechte Zeiten« nicht Halt. Im Gegenteil. Durch das Format der Endlos-Serie ist die Darstellung sehr detaillierter Entwicklungen der Charaktere möglich. Drehbuchautorin Anke Lutze beschreibt beispielsweise, wie die Figur Lilly Seefeld zunächst ihre erste Teenie-Liebe durchlebt, aber durch ihre schwierigen Familienverhältnisse mit Schwester und Mutter langsam an Bulimie erkrankt. Diese Erzählung erstreckt sich insgesamt über zwei Jahre. Zur Unterstützung ließen sich die Drehbuchautoren vom Selbsthilfeverein Dick & Dünn fachlich beraten. Für die langjährige Arbeit gab es viel Lob von Experten aus Psychologie und Psychiatrie.

 

Hollywood-Mythos

 

Professor Dr. Wolfgang Gaebel, Vorsitzender des Aktionsbündnisses Seelische Gesundheit und Direktor der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie wies insbesondere auf die Vorurteile gegenüber der Institution Psychiatrie hin. »Es gibt einen Hollywood-Mythos der Psychiatrie im Film, der Ärzte meist grenzüberschreitend und inkompetent darstellt. Hier wünsche ich mir mehr Differenzierung«, sagte Gaebel. Aufräumen mit vollkommen unrealis­tischen Vorstellungen wollte auch Dr. Nahlah Saimeh. Es komme nicht vor, dass sich die Psychiaterin bei der Begutachtung in den psychisch kranken Straftäter verliebe, das sei allein ein Produkt aus Hollywood, sagte die ärztliche Direktorin der forensischen Psychiatrie in Lippstadt. Einen Einblick gewährte Saimeh dem Filmteam um Kathrin Bühlig, die den Dokumentarfilm »Restrisiko – Ein Film über Menschen im Maßregelvollzug« in Lippstadt gedreht hat. Bühlig wurde dafür mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet.

 

Die Fähigkeit, über den eigenen Tellerrand hinauszuschauen, spielt für den Abbau von Negativ-Klischees über psychische Erkrankungen eine zentrale Rolle. Filmschaffende können hierfür versuchen sowohl eine differenzierte Darstellung zu erreichen, als auch Zuschauergewohnheiten und Spannungselemente nicht aus den Augen zu verlieren. Und Fachkreise sind gefordert, ihre Einrichtungen zu öffnen und Einblicke in ihre Arbeit zu geben. Der Workshop, um im Filmjargon zu bleiben, setzte genau diese Offenheit und Bereitschaft, neue Wege zu gehen, in Szene. /

Antistigma-Netzwerk

Der Drehbuchautoren-Workshop fand im Rahmen eines dreijährigen Medienprojekts statt, das vom Aktionsbündnis für Seelische Gesundheit koordiniert und durch das Bundesministerium für Gesundheit finanziert und unterstützt wird. Mehr als 70 Bündnispartner beteiligen sich an dem bundesweiten Netzwerk. Beispielsweise Experten der Psychiatrie und Gesundheitsförderung, Betroffene und ihre Angehörigen. Ihre Aufgabe besteht darin, sich für die Belange von Menschen mit psychischen Erkrankungen und ihre Familien einzusetzen. Initiiert wurde das Bündnis von der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde und dem deutschen Antistigma-Verein »Open the doors«.

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