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Arzneimittel

Das hohe Gut wieder wertschätzen

12.06.2012  17:33 Uhr

Fünfzig Jahre Pharmacon Meran bedeuten fünfzig Jahre intensive und differenzierte fachliche Auseinandersetzung mit einer immer komplexer werdenden Arzneimittelwelt. Im Kontrast dazu stehe der Umgang der Politik mit diesem hohen Gut, kritisierte Professor Dr. Theo Dingermann.

Seit 1975 hätten Politiker das Gesundheitssystem in immer kürzer werdenden Abständen mit Reformen überzogen, sagte Dingermann, und damit die Gesundheitspolitik zum Spielball politischen Experimentierens gemacht. Dass angesichts des demografischen Wandels etwas geschehen müsse, bezweifle wohl niemand. Doch die Bemühungen hätten vor allem die vermeintlich steigenden Kosten im Blick gehabt und dabei die massiven Einnahmeverluste außer Acht gelassen, kritisierte er. Ausgerechnet das Arzneimittel habe man sich als Hauptziel der Sparbemühungen ausgeguckt – mit teils fataler Konsequenz.

Nahezu alles, was mit dem Arzneimittel zu tun habe, scheine zu stören, führte Dingermann gewohnt pointiert aus: Es störten pharmazeutische Innovationen sowie Apotheker und Apotheken – zumindest inhabergeführte – von denen es angeblich zu viele gebe. Hierbei handle es sich jedoch um eine Minderheitenmeinung, betonte Dingermann. Die große Mehrheit der Bevölkerung sei mit dem bewährten System der Apotheken vor Ort zufrieden. Die Geringschätzung stelle einen gewichtigen Meinungstrend dar, der von der Mehrheit der Medien, Krankenkassen und einer wachsenden Zahl von Politikern getragen werde. »Gesundheit und Krankheit werden auf die Kosten reduziert, das Arzneimittel wird zum lästigen Beiwerk degradiert«, kritisierte Dingermann. Dabei könne niemand ernsthaft bezweifeln, dass vor allem Arzneimittel für die Fortschritte in der Medizin verantwortlich seien. Der Erfolg der Pharmakotherapie sei allerdings so ungeheuerlich, dass sie möglicherweise zur Gefahr für das System würden, welches sie erst ermöglicht habe.

 

Der eigentliche Siegeszug des Arzneimittels habe in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts begonnen, erinnerte Dingermann. In den 1950er-Jahren wurden unter anderem Erythromycin und Metformin entwickelt, in den 1960ern folgten Propranolol und Levodopa. Diese und viele weitere Wirkstoffe senkten in der Zeit von 1965 bis 1999 beispielsweise die Sterblichkeit durch Atherosklerose um 68 Prozent, durch Magen- und Zwölffingerdarmgeschwüre um 61 Prozent oder durch Säuglingserkrankungen um 80 Prozent. Doch der Fortschritt bedrohe auch das System, gab Dingermann zu bedenken. So hatten sich um das Jahr 1900 Morbiditäts- und Mortalitätskurven der Bevölkerung nahezu überlagert: Wer krank wurde, verstarb auch daran. Beide Kurven hätten sich jedoch mehr und mehr voneinander entfernt. Konkret: Vor hundert Jahren waren circa 2 Prozent der 70-Jährigen krank, heute ist es mehr als ein Viertel. Die Menschen würden zwar immer älter, aber sie alterten mehr oder weniger krank, sagte Dingermann und fügte hinzu: Bei allem bereits Erreichten warteten weiterhin unbefriedigte medizinische Bedürfnisse auf nichts anderes als auf weitere neue, wirksame und gut verträgliche Arzneimittel. Dies müssten auch Medienvertreter, Krankenkassenfunktionäre und Politiker zur Kenntnis nehmen – schon aus eigener Betroffenheit. Die bisherige Vorgehensweise der Politik, »ganz offensichtlich ohne klare Vorstellungen und Konzepte« mal an diesem, mal an jenem Schräubchen zu drehen, werde »dem wahren Wert unseres Arzneischatzes in keinster Weise gerecht«.

 

Arzneimittel-Schnäppchen im Internet oder Angebote von der Palette bagatellisierten das Arzneimittel, der Patient werde einseitig zum Kunden degradiert, warnte Dingermann. Arzneimittel als »Ramschobjekt« missverstanden, könnten – falsch oder ohne Indikation eingesetzt – selbst zum Morbiditätsfaktor werden. Der Hochschullehrer und Apotheker forderte, sich wieder des Arzneimittels als hohes Gut zu besinnen. Den Apothekern sei von der Gesellschaft aufgetragen, dieses Gut zu verwalten. Daher müssten sie die Entwicklung des Marktes mit in die Hand nehmen. »Der Wert des Arzneimittels ist wahrhaftig größer als eine schnöde Bagatelle«, schloss er.

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