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Arzneimittelinformation

Die EU-Kommission scheitert am Rat

12.06.2012  17:21 Uhr

Von Michael Jung / Das Pharmapaket der EU-Kommission könnte kleiner ausfallen als bislang geplant. Die umstrittene Richtlinie zur Arzneimittelinformation ist im Rat nicht mehrheitsfähig.

Im Jahr 2008 präsentierte der damalige EU-Binnenmarktkommissar Günter Verheugen sein »Pharmapaket« aus mehreren Richtlinien- und Verordnungsvorschlägen. Während zwei Teile des Pakets zu Arzneimittelfälschungen und Pharmakovigilanz bereits in erster Lesung von Parlament und Rat beschlossen wurden, steht der Teil zur Arzneimittelinformation nun offenbar vor dem Aus. Die dänische Ratspräsidentschaft hat erklärt, es gebe keine Aussicht auf eine Mehrheit für die Kommissionsvorschläge.

Mit ihrem ursprünglichen Richtlinien- und Verordnungsvorschlag zielte die Kommission auf ein besseres Informationsangebot für Patienten über Arzneimittel. Sie sah die pharmazeutische Industrie als kompetenten Autor und Ansprechpartner an. Diese sollte im Vergleich zur aktuellen Situation deutlich einfacher direkt Patienten ansprechen können, insbesondere über das Internet. Das geltende Werbeverbot für verschreibungspflichtige Arzneimittel sollte aber nicht angetastet zu werden.

 

Die Industrie begrüßte die Vorschläge, andere Interessenvertreter sahen dies kritischer. Bei den Spitzenorganisationen der Heilberufe und Krankenkassen stießen die Vorschläge auf Ablehnung: Grundsätzlich unterstützten die Verbände Verbesserungen bei der Patienteninformation über apotheken- und verschreibungspflichtige Medikamente. Solche Informationen müssten aber objektiven Standards genügen, transparent in der Erstellung und von werblichen Einflüssen unabhängig sein. Wichtige Informationsquellen seien vor allem die Heilberufler (in erster Linie Ärzte und Apotheker), aber auch die Zulassungsbehörden und Krankenkassen sowie das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG).

 

Die Vorschläge der Kommission seien dagegen ungeeignet, die genannten Ziele zu erreichen. Sie führten vielmehr dazu, die Grenze zwischen sachlicher Information und Werbung zu verwischen. Eine juristisch handhabbare Definition von »Information« als Abgrenzung zur »Werbung« fehle. Im Gegenteil: Bislang werde es von der Rechtsprechung als Indiz für Verkaufsförderung angesehen, wenn der Hersteller die Quelle der Information sei. Dieses Merkmal würde durch die Vorschläge unbrauchbar. Ferner würden die zulässigen Informationskanäle unangemessen ausgeweitet, ohne dass hinreichende Kontroll- und Sanktionsmechanismen vorhanden seien.

 

Patientenfreundlichere Beilage

 

Nach Auffassung der Spitzenorganisationen sollten die Packungsbeilagen patientenfreundlicher gestaltet und von den Zulassungsbehörden zentral ins Internet gestellt werden. Ferner könnte eine zusätzliche »Drug Facts Box« in der Packungsbeilage Laien ein realistisches Bild über erwünschte und unerwünschte Wirkungen von Medikamenten vermitteln. Die um eine auf Basis wissenschaftlicher und transparenter Standards erstellte Drug Facts Box erweiterte Packungsbeilage würde dem Wunsch der pharmazeutischen Industrie, Patienten über ihre Produkte »neutral« zu informieren, umfassend Rechnung tragen.

 

Das Europäische Parlament befasste sich eingehend mit den Vorschlägen und forderte im November 2010 umfangreiche Änderungen. Dabei verfolgte es das Anliegen, statt des Rechts der Industrie auf Informationsvermittlung das Recht der Patienten auf Zugang zu Informationen in den Mittelpunkt zu stellen. Das Parlament bemühte sich auch um eine bessere Abgrenzung von Werbung und Information. Industrie-Informationen sollen nur noch auf explizite Anfrage und unter behördlicher Kontrolle verbreitet werden dürfen.

 

Die Kommission prüfte die Forderungen des Parlaments und nahm im Oktober 2011 die unter dem jetzt zuständigen EU-Gesundheitskommissar John Dalli geänderten Vorschläge an, die sie dem Rat zur weiteren Behandlung zuleitete.

 

Auch nach erneuter Prüfung und intensiven bilateralen Gesprächen zwischen der Ratspräsidentschaft und den Mitgliedstaaten zeichnet sich nun aber ab, dass diese bei ihrer Blockadehaltung bleiben. Die Vorschläge haben keine Chance auf Zustimmung.

 

Die Staaten kritisieren den hohen Aufwand für den Vollzug der neuen Vorschriften, die wenig Mehrwert böten. Aus ihrer Sicht wäre es sinnvoller, die bereits vorhandenen Informationsquellen besser zu nutzen und zu vernetzen. Zudem verweisen sie auf einen für 2013 angeforderten Bericht der Kommission über eine patientenfreundlichere Gestaltung der Packungsbeilage als wichtigste Informationsquelle.

 

Daher wollen sich die meisten Mitgliedstaaten nicht weiter mit Dossier befassen. Auch wenn die Kommission ihren Vorschlag noch nicht förmlich zurückgezogen hat, bedeutet dies faktisch das Aus, da eine Richtlinie oder Verordnung nicht ohne Zustimmung des Rates in Kraft treten kann. /

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