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Kritischer Blick auf neue Wirkstoffe

12.06.2007  14:52 Uhr

Pharmacon Meran 2007

<typohead type="3">Kritischer Blick auf neue Wirkstoffe

Acht neue Arzneistoffe stellte PZ-Chefredakteur Professor Dr. Hartmut Morck vor und bewertete sie kritisch. Denn nicht alle neuen Arzneistoffe sind wirklich innovativ. Doch die Zahl der jährlich eingeführten Sprunginnovationen steige erfreulicherweise wieder an.

 

Als wertvolle Substanz für die Analgesie bewertete der Apotheker die Neuentwicklung Ziconotid (Prialt®). Das synthetische Polypeptid ist ein Analogon des ω-Conopeptids MVIIA aus der Kegelschnecke Conus magnus. Als Antagonist verschließt es reversibel und dosisabhängig spannungsabhängige Calciumkanäle vom N-Typ, die im zentralen Nervensystem an der Schmerzweiterleitung beteiligt sind. Ziconotid ist zugelassen zur Bekämpfung starker chronischer Schmerzen bei Erwachsenen, die eine intrathekale Analgesie benötigen. Wegen der aufwendigen Applikationsweise und dem beachtlichen Nebenwirkungsprofil sei Ziconotid kein primäres Analgetikum, sondern für schwerkranke Patienten eine Alternative zu den Opioiden, ordnete Morck den Wirkstoff ein.

 

Mit Daptomycin (Cubicin®) kam im April ein bakterizides Antibiotikum auf den Markt, das zur Behandlung komplizierter Haut- und Weichteilinfektionen zugelassen ist. Das zyklische Peptid mit Decanoat-Rest lagert sich in Membranen ein und bildet dort vermutlich Poren, wodurch der Stoffwechsel des Bakteriums zum Erliegen kommt. Daptomycin wirkt gegen ein breites Spektrum grampositiver Keime, jedoch nicht gegen gramnegative Erreger, da es deren äußere Membran nicht durchdringen kann. Bislang wurden keine höhergradigen Resistenzen beobachtet, so Morck. Als wertvolles Reserveantibiotikum solle es vor allem gegen hochresistente Keime eingesetzt werden.

 

Mit Gardasil® ist erstmals ein Impfstoff gegen die Serotypen 6, 11, 16 und 18 des humanen Papilloma-Virus zugelassen worden. Die Typen 16 und 18 sind für einen Großteil der Erkrankungen an Gebärmutterhalskrebs verantwortlich, an dem in Europa täglich etwa 40 Frauen sterben. Daher wertete Morck die Impfung, die inzwischen auch von der STIKO empfohlen wird, als wertvoll für alle jungen Frauen. Sie ersetze aber keinesfalls die gynäkologische Vorsorgeuntersuchung.

 

Eine neue Therapieoption stellt Natalizumab (Tysabri®) für Multiple-Sklerose-Patienten mit hoher Krankheitsaktivität trotz Interferon-b-Behandlung oder bei rasch fortschreitender schubförmig-remittierend verlaufender MS dar. Der humanisierte Antikörper richtet sich gegen Oberflächenrezeptoren (Integrine) auf Leukozyten, mit deren Hilfe diese die Blut-Hirn-Schranke überwinden. Im Gehirn schädigen die weißen Blutkörperchen die Myelinschicht der Nervenzellen, was zum Krankheitsbild der MS führt. Natalizumab sei besser verträglich als Interferon b und könnte aufgrund seines Wirkmechanismus auch zur Therapie anderer Autoimmunerkrankungen wie Rheuma oder Morbus Crohn geeignet sein, sagte Morck.

 

Auch wenn bei dem partiellen Nikotinagonisten Vareniclin (Champix®) ein neues Wirkprinzip vorliegt, stufte Morck den Arzneistoff kritisch ein. So stellte er eine Studie vor, in der der Benefit (Rauchfreiheit nach einem Jahr) gegenüber Placebo nur 7 Prozent betrug. Weiterhin sei das Einnahmeschema kompliziert und Nebenwirkungen wie Übelkeit, Kopfschmerzen und Schlaflosigkeit träten auf. »Raucher sollten erst einmal ohne Tabletten aufhören«, so Morck. Eine psychologische Betreuung während der Entwöhnungszeit sei auf jeden Fall sinnvoll.

 

Auch die beiden Vertreter neuer antidiabetisch wirksamer Arzneistoffklassen behandelte der PZ-Chefredakteur. Als Glucagon-like-Peptide-1-(GLP-1)-Analogon steigert Exenatide (ByettaTM) Sättigungsgefühl sowie Insulinsekretion und verzögert die Magenentleerung. Hier bestehe ein potenzielles Interaktionsrisiko mit peroral einzunehmenden Arzneimitteln. Exenatide senkt den Blutzucker ähnlich effektiv wie Insulin. Ob es die Betazellfunktion verbessern und erhalten kann, bleibe jedoch abzuwarten. Als Dipeptidyl-Peptidase-4-Hemmer verzögert Sitagliptin (Januvia®) den Abbau von GLP-1. Sitagliptin scheint nebenwirkungsarm zu sein. Da es CYP-unabhängig metabolisiert wird, sind pharmakokinetische Interaktionen wenig wahrscheinlich.

 

Mit Spannung wurde die Zulassung von Rimonabant (Acomplia®) im September 2006 erwartet. Der Cannabinoid-1-Rezeptor-Antagonist ist zugelassen zur Gewichtsreduktion bei Menschen mit Adipositas oder Übergewicht plus Risikofaktoren wie Typ-2-Diabetes oder Dyslipidämie. Diät und Bewegung sind weiterhin unverzichtbar. Eine Zulassungsstudie zeigte eine Gewichtsreduktion von zehn Prozent. »Zu wenig für eine Person mit starkem Übergewicht«, urteilte Morck. In der Nachbeobachtungszeit nahmen die Patienten nicht weiter ab, sondern nahmen wieder bis zum Ausgangsgewicht zu. Vorsicht ist geboten bei Menschen mit Dyslipidämien: Zwar erhöht Rimonabant HDL-Cholesterol und senkt Triglycerid-Spiegel, doch LDL- und Gesamtcholesterolspiegel stiegen an. Günstiger wirkte sich Rimonabant auf den HbA1c-Wert bei Typ-2-Diabetikern aus, der im Schnitt um 0,7 bis 0,8 Prozent sank. Morck resümierte: »Bei der derzeitigen Studienlage ist noch keine abschließende Wertung möglich.«

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