Königsweg zu mehr Therapietreue |
12.06.2007 14:52 Uhr |
<typohead type="3">Königsweg zu mehr Therapietreue
Treu zu sein ist anstrengend und erfordert Ausdauer, lohnt sich aber - auch bei der Arzneimitteltherapie. Jedoch ist die langfristige Therapietreue bei vielen Kranken eher selten. Allgemein wird die Rate der Non-Compliance auf 12 bis 35 Prozent geschätzt. Schon durch relativ einfache Maßnahmen können Apotheker hier gegensteuern.
Non-Compliance beginnt früh: Jeder zehnte Patient akzeptiert die Verordnung des Arztes nicht und löst sein Rezept gar nicht ein. Andere wenden ihre Medikamente nicht wie verordnet an oder ändern im Lauf der Zeit selbstständig das Dosierungsschema, informierte Professor Dr. Ulrich Jaehde, Bonn. Dies kann schwere Folgen haben: Schwankende Plasmaspiegel können den Therapieerfolg gefährden oder die Heilung verzögern, überhöhte Spiegel unerwünschte Effekte auslösen. Die fehlerhafte Einnahme von Immunsuppressiva kann Patienten nach einer Organtransplanta-tion sogar das Leben kosten.
Die WHO beschreibt die Compliance als mehrdimensionales Phänomen. Denn neben individuellen Faktoren können auch die Therapie selbst, die Krankheit, das System oder soziale und ökonomische Faktoren dazu beitragen, dass Patienten ihre Therapie nicht einhalten. So kommen manche nicht mit kindersicheren Verschlüssen, sehr großen Kapseln, komplizierten Applikationshilfen oder Dosierungsschemata zurecht, erklärte der Klinische Pharmazeut. Mitunter liegt es an der Kommunikation: Wenn Arzt und Apotheker den Kranken nicht aufklären, mit Informationen überschütten oder eine falsche Sprache verwenden, bleibt dieser ratlos mit seinen Medikamenten zurück.
Compliance kann man kontrollieren. Die Messung von Plasmakonzentrationen (drug monitoring) ist die einzige direkte Methode. Viele Apotheken bieten ihren Kunden bereits Medikationsprofile an. Tablettenzählen sowie Patiententagebücher und -gespräche sind vom Patienten leicht steuerbar, geben aber Hinweise auf Gründe der Non-Compliance. Elektronische Systeme wie MEMS® registrieren lediglich das Öffnen der Tablettenbox. »Die Methoden sind nicht optimal, daher sollte man sie kombinieren«, so Jaehde.
Nicht alle Patienten vergessen einfach ihre Medikation (erratische Non-Compliance). Viele setzen bewusst aus, andere nehmen die Medikamente nur kurz vor dem Arztbesuch (»tooth-brush effect«) oder machen Auslassversuche (»drug holidays«). Diese Formen spiegeln sich in Patiententagebüchern wider und liefern wertvolle Ansätze für das Beratungsgespräch in der Apotheke.
Complianceförderung ist eine multidisziplinäre Aufgabe, zu der Apotheker wesentlich beitragen können, betonte Jaehde. Inzwischen gibt es viele Studien, die den Nutzen belegen. Wenn Patienten verstehen, warum die Therapie nötig ist und hoch motiviert sind, halten sie leichter durch. So nahm in einer Studie die Rate der Asthma-bedingten Krankenhaustage nach einer ambulanten Asthmaschulung beim Apotheker deutlich ab. Hilfsmittel wie Dosetten und Tagebücher oder Strategien wie »cue dosing« (Verknüpfung der Medikation mit Alltagstätigkeiten) erleichtern die regelmäßige Einnahme. Kontrolle kann ebenfalls nützlich sein. Mitunter kann man die Therapie erleichtern, zum Beispiel mit einer Retardarzneiform statt dreimal täglicher Einnahme.
»Der Königsweg für die Apotheke ist die Pharmazeutische Betreuung.« In einer prospektiven kontrollierten Studie wird derzeit geprüft, ob die intensive Betreuung von Brustkrebspatientinnen, die peroral Capecitabin nehmen, Vorteile gegenüber der Standardberatung bringt und die Therapietreue verbessert, berichtete Jaehde. Dass intensiv betreute Menschen mit Herzinsuffizienz ihre Medikamente deutlich zuverlässiger einnehmen als andere Patienten, ergab eine niederländische Studie 2003.
Allerdings muss die Pharmazeutische Betreuung kontinuierlich erfolgen, zeigte eine Studie mit Altenheimbewohnern. So stieg die Compliance während der Betreuungsphase von 60 auf 80 Prozent, sank aber nach sechs Monaten Pause wieder auf den Ausgangswert. Nur bei weiter betreuten Patienten blieb die Therapietreue hoch.
Alles kostet Geld: Nehmen Patienten ihre Medikamente regelmäßig, verbrauchen sie mehr und haben ein höheres Risiko für Neben- und Wechselwirkungen. Doch diese Ausgaben werden bei Weitem aufgewogen durch eingesparte Kosten, zum Beispiel für Klinikaufenthalte. Dass die apothekerliche Leistung bares Geld wert ist, zeigt die Schweiz. Hier erhalten die Kollegen eine Vergütung, wenn der Arzt die »Compliancehilfe« verordnet.