Auswahl mit Sachverstand |
12.06.2007 14:53 Uhr |
<typohead type="3">Auswahl mit Sachverstand
Die Gesetzesvorgaben haben die Apothekenwelt zum 1. April dieses Jahres massiv verändert. In den Rabattverträgen treffen die Krankenkassen die Arzneimittelauswahl nur noch unter Kostenaspekten. Fachkundige Auswahl und Bewertung durch den Apotheker sind unerwünscht.
»Ein Skandal«: Mit heftigen Worten kritisierte Dr. Ulrich Krötsch, Präsident der Bayerischen Landesapothekerkammer, die Situation der Apotheker, gegen die sie sich heftig wehren müssten. Die Aut-idem-Regelung im bisherigen Sinn sei verfälscht worden. Ein »gewisses aut idem« sei nur noch bei Stoffen erlaubt, die keinen Rabattverträgen unterliegen. Auch die Ärzte sind geplagt: Die Richtlinien der Kassenärztlichen Vereinigungen zu Leitsubstanzen in der Verordnung seien äußerst kompliziert umzusetzen. Doch Ärzte und Apotheker sind verpflichtet, die gesetzlichen Vorgaben zu realisieren.
Bei der Auswahl von Arzneimitteln und der Substitution berücksichtigen Apotheker neben dem Preis immer auch fachliche Kriterien, erläuterte Krötsch anhand zahlreicher Beispiele. Wichtig zu wissen: Präparate mit gleichen Wirkstoffen können durchaus unterschiedliche Indikationen haben. Dann sind sie nicht austauschbar. Bei diversen Arzneistoffgruppen ist eine Substitution generell kritisch zu sehen, mahnte der Offizinapotheker und nannte beispielhaft Antiepileptika, Glibenclamid, retardiertes Theophyllin, L-Thyroxin, aber auch Topika und Insuline in Pens.
Bewerten muss der Apotheker auch Galenik und Applikationsweise, die häufig die Compliance beeinflussen. Das Retardierungsprinzip kann die Kinetik eines Arzneistoffs und damit seine Wirksamkeit deutlich verändern. Die Teilbarkeit einer Tablette oder die Auflösbarkeit einer festen Zubereitung sind in der Praxis oft wichtig, damit ein Patient die verordnete Therapie genau befolgen kann. Solche Feinheiten werden in den Rabattverträgen nicht berücksichtigt.
Studien mit Asthmapatienten haben gezeigt, dass moderne Applikationssysteme die Arzneistoffdeposition in der Lunge und das Therapieergebnis verbessern, wenn die Patienten damit umgehen können. Krötsch empfahl den Kollegen, Dosiersprays und Pulverinhalatoren auch einmal selbst zu handhaben. Eine wichtige Aufgabe für Apotheker sehe er in der Complianceförderung.
Breiten Raum widmete Krötsch der Berufs- und Gesundheitspolitik. Das italienische Parlament habe vor wenigen Tagen beschlossen, das Apothekenmonopol auch für verschreibungspflichtige Arzneimittel aufzuheben. Für den Kammerpräsidenten eine Katastrophe. Er sprach sich klar für das Subsidiaritätsprinzip in Europa aus. »Wir brauchen keine Globalisierung im Apothekenwesen.« In der Mehrheit der europäischen Länder gebe es die inhabergeführte Apotheke. Das Beispiel Norwegen zeige, dass die Oligopolbildung bei den Apotheken die Preise hochtreibt. Derzeit laufe eine »europäische konzertierte Aktion der Großkonzerne und global player«, die den Berufsstand im Kern gefährdet, warnte Krötsch.
Die einzige Chance für den Heilberufler sieht er in der Qualität der Leistung. Damit könnten die Apotheker ihren Kunden und Patienten den Mehrwert der Apotheke täglich deutlich machen. Glaubwürdigkeit und Vertraulichkeit seien zentrale Elemente der Beratung. Zudem sollten die Kollegen jede Chance zum Gespräch mit Politikern nutzen und dabei die Verantwortung des Apothekers für die Patienten herausstellen.
Krötsch warb für eine intensive Zusammenarbeit mit den Ärzten, zumal diese zurzeit sehr gesprächsbereit seien. Zum Beispiel gebe es Vorschläge für gemeinsame Arzneimittelkommissionen von Ärzten und Apothekern auf Landkreisebene sowie für gemeinsame Qualitätszirkelarbeit. BAK-Präsidentin Magdalene Linz unterstützte Krötschs Appell. Die Apotheker dürften sich nicht aus der Arzneimittelauswahl herausdrängen lassen. Sie sollten vernünftige Konzepte entwickeln und mit den Ärzten diskutieren, sagte sie in der Diskussion. Beide Standespolitiker setzten sich nachdrücklich dafür ein, dass Apotheker wieder zu einer verstärkten heilberuflichen Tätigkeit zurückkommen.