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Patientenverfügung

Nur bedingt verwendungsfähig

31.05.2010  17:36 Uhr

Von Daniel Rücker, Meran / Seit dem vergangenen Jahr gibt es eine verbindliche gesetzliche Regelung für Patientenverfügung. Viele Menschen ziehen daraus die Hoffnung auf ein menschenwürdiges Sterben. Professor Dr. Andreas Lob-Hüdepohl sieht aber auch Schwächen in dem vom Bundestag beschlossenen Gesetzestext. Im Eröffnungsvortrag zum Pharmacon Meran erläuterte er seine Kritik.

Grundsätzlich hält der Hochschullehrer von der Katholischen Universität Eichstädt-Ingolstadt eine Patientenverfügung für sinnvoll. Mit der in Deutschland geltenden Regelung ist er allerdings nicht zufrieden. Im Jahr 2009 hatte der Bundestag festgelegt, dass der Patient in seiner Verfügung festlegt, wie er im Krankheitsfall behandelt und gepflegt werden soll, welchen Therapien er zustimmt, welche er ablehnt. Was in der Verfügung steht, das gilt. Die Meinung von Angehörigen oder Ärzten ist nicht entscheidend. Die Parlamentarier wollten mit der Betonung des Patientenwillens die Menschenwürde von Sterbenden und Schwerstkranken in ihrer letzten Lebensphase stärken.

Lob-Hüdepohl bezweifelt, dass dies gelungen ist. Er hätte sich eine Regelung gewünscht, die es Angehörigen oder Ärzten erlaubt, die Niederschrift darauf zu überprüfen, ob sie noch den aktuellen Wünschen des Patienten ent­spricht. Menschen veränderten ihre Meinung im Laufe des Lebens immer wieder. Sie bewerteten ihre Bedürfnisse vor einem gravierenden Ereignis oft anders als nach dessen Eintritt. Sie lehnten dann Behandlungen nicht mehr ab, die sie zuvor für sich ausgeschlossen hätten.

 

Als Beispiel zitierte Lob-Hüdepohl aus dem Buch einer an amyotropher Lateralsklerose (ALS) erkrankten Frau. Diese leidet seit 13 Jahren an der Krankheit. Zu Beginn habe sie eine künstliche Beatmung abgelehnt. Dies aber nicht schriftlich fixiert. Seit neun Jahren wird sie nun künstlich beatmet und ist froh darüber, ihre damalige Einschätzung nicht zu einer für Ärzte verbindlichen Handlungsanweisung gemacht zu haben. Mittlerweile hat sie eine Patientenverfügung verfasst, in der sie Beatmung wünscht. Das Schicksal der Frau zeige, dass die absolute Verbindlichkeit des in der Patientenverfügung hinterlegten Willens bisweilen genau das Gegenteil dessen erreiche, was beabsichtigt war. Die Menschenwürde des Kranken werde nicht gestärkt, sondern geschwächt. Zu einem würdevollen Sterben gehöre nicht nur die angemessene medizinische Versorgung, sondern auch die Befriedigung von Grundbedürfnissen, wie dem Wunsch nach Kommunikation und menschlicher Nähe. Die Kommunikation werde durch die Patientenverfügung gestört, wenn Angehörige diese nicht mehr daraufhin überprüfen dürften, ob die in einem anderen Zustand verfasste Formulierung des Willens mit den aktuellen Bedürfnissen noch übereinstimmt.

 

Nach der Überzeugung von Lob-Hüdepohl spiegelt sich in der deutschen Patientenverfügung auch ein falsches Verständnis von Menschenwürde und Autonomie wider. Es gehe nämlich gerade nicht darum, sich von anderen Menschen abzugrenzen, sondern das wechselseitige Miteinander zu fördern. Deshalb bedeute die Wahrung der Menschenwürde eines Sterbenden nicht in erster Linie, ihn vor anderen Menschen zu schützen, sondern ihm Interaktionen in seinem sozialen Umfeld zu ermöglichen. Dazu gehöre auch, dass enge Angehörige überprüfen dürfen, ob die Patientenverfügung noch den tatsächlichen Wünschen entspricht.

 

Für überdenkenswert hält der Theologe auch die heute verbreitete Einstellung zu Sterben und Tod. Sie habe auch dazu beigetragen, dass der Bundestag in der Patientenverfügung nicht die Möglichkeit einer Überprüfung des Patientenwillens vorgesehen hat. Der Tod sei heute medikalisiert und verwissenschaftlicht. Die Selbstverständlichkeit des Sterbens als letzte Lebensphase sei abhandengekommen. Oft werde der Tod als Verfallsprozess von Organen wahrgenommen, bisweilen auch als medizinischer Skandal oder Kunstfehler. Dabei werde vergessen, dass die letzte Lebensphase eines Menschen auch im gewissen Rahmen gemeinsam mit den Angehörigen bestimmt werden könne. Das Schicksal Tod werde so zum »Gestaltsal«. Dies sei die Grundlage für ein menschenwürdiges Sterben. Eine Patientenverfügung sollte deshalb nicht jedes Detail definieren, sondern Orientierung geben, die schwierigste Lebensphase eines Menschen in dessen Sinn zu gestalten. /

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