Schaukelstuhl statt Schaukelpferd |
27.05.2008 16:42 Uhr |
<typohead type="3">Gerontologie: Schaukelstuhl statt Schaukelpferd
Deutschlands alte Zukunft: Das Phänomen »Älter werden« wirkt sich sowohl auf jeden Einzelnen als auch auf die gesamte Bevölkerung aus. Ein demografischer, soziologischer und ökonomischer Streifzug.
»Wir werden zahlenmäßig weniger, ethnisch vielfältiger und an Jahren älter«, fasste Hans-Günter Friese, ABDA-Ehrenpräsident und Präsident der Apothekerkammer Westfalen-Lippe, die demografische Entwicklung in Deutschland zusammen. Das sogenannte Medianalter, das die Bevölkerung in zwei gleich große Gruppen von älteren und jüngeren Menschen einteilt, lag 1975 bei 35 Jahren, 2005 bei 40 Jahren und wird im Jahr 2035 vermutlich nicht unter 50 Jahre liegen. »Dass wir älter werden, steht fest. Wichtiger ist aber, wie wir älter werden«, betonte Friese. »Mit oder ohne sanierte Sozialsysteme? Mit oder ohne qualifizierte ältere Arbeitnehmer?«. Derartige Fragen seien zu berücksichtigen.
Auch aus soziologischer Sicht zeichnen sich Problemfelder ab. Friese nannte unter anderem die zunehmende Zahl an Single-Haushalten. Bereits heute gebe es in Deutschland rund 16,5 Millionen Einzelhaushalte - Tendenz steigend. Auch die Multikulturalität könnte aus soziologischer Sicht ein Problem darstellen. Bedingt durch ethnische oder religiöse Aspekte könnte sich zum Beispiel die Pflege schwieriger gestalten, so der Referent. Apropos Pflege: Während heute vor allem die Vereinbarkeit von Kindererziehung und Karriere eine Herausforderung darstellt, scheint dieses Problem mehr und mehr von einer zweiten Aufgabe überlappt zu werden, nämlich der Pflege der Eltern. Slogans wie »Schaukelstuhl statt Schaukelpferd« oder »Inkontinenzhilfe statt Windeln« rütteln wach.
Jugendwahn war gestern. Die Wirtschaft hat längst die »ältere Generation« als Zielkonsumentengruppe, als sogenannte Master-Consumer, entdeckt. »Ganze Industriezweige wollen den Bedarf der Älteren decken, was richtig und sinnvoll ist«, ging Friese auf ökonomische Effekte ein. Vorsicht sei aber geboten, wenn aus Bedarfsdeckung Bedarfsweckung wird. Nicht für alle Produkte, die auf den Markt kommen, bestehe ein tatsächlicher Bedarf. Davon betroffen ist mitunter auch der Arzneimittelmarkt. So finden sich zum Beispiel in der Boulevardpresse häufig zweifelhafte oder bedenkliche Arzneimittelwerbungen. Dann ist der Apotheker gefordert. »Unsere Unabhängigkeit ist unser besonderes Kapital«, sagte Friese. Das bedeute auch, dem Patienten bei Bedenken vom Kauf und von der Einnahme eines entsprechenden Mittels abzuraten. Das schaffe Vertrauen und Glaubwürdigkeit. »Schneller können wir bei den Patienten gar nicht punkten«, fügte Friese hinzu. Und noch ein Plus der öffentlichen Apotheke ergänzte er: Tagtäglich werden hier die zum Arzneimittel nötigen Erläuterungen insbesondere an ältere Personen vermittelt. »Eine fantastische Kommunikationsleistung!«
»Viel stärker als noch vor wenigen Jahren angenommen, sind geistige und körperliche Frische miteinander verknüpft«, fuhr Friese fort. Wenig verwunderlich ist daher, dass ein Training, das gleichzeitig kognitive und motorische Übungen beinhaltet, besonders wirkungsvoll zu sein scheint. Geeignete Sportarten, die dieses Kriterium erfüllen, sind zum Beispiel Tanzen und Golfen. Mit Übungen auf einem kleinen Trampolin können zum Beispiel Osteoporose-Patienten trainieren, wie man Straucheln und Stolpern ausbalanciert. Dadurch sinke die Sturzgefahr im Alltag.
Ingesamt, so Friese, komme es darauf an, den Alterungsprozess aktiv mitzugestalten. Neben körperlichem und geistigem Training spielen auch eine gesunde Ernährung und die Inanspruchnahme von Präventionsmaßnahmen eine wichtige Rolle.
Friese schloss mit einem Zitat der ehemaligen Bundesgesundheitsministerin Professor Dr. Ursula Lehr. »Wir wollen nicht ewig jung bleiben. Wir wollen gesund und möglichst kompetent alt werden.«