Mit Sicherheit kein Königsweg |
27.05.2008 16:42 Uhr |
<typohead type="3">Neuverblisterung: Mit Sicherheit kein Königsweg
Die Neuverblisterung kann einzelnen Patienten Vorteile bringen und die Compliance verbessern. Doch Studien zufolge lässt sich nur eine Minderheit der Arzneimittel verblistern, und Blister müssen häufig umgestellt werden, sodass sich die Technik nicht für die Regelversorgung chronisch Kranker anbietet.
Unter Neuverblisterung versteht man die patientenindividuelle Zusammenstellung mehrerer Arzneimittel in gemeinsamen Blistern, zumeist in Wochenrationen, erklärte Malte Wolff von der Fakultät für Volkswirtschaftslehre der Universität Mannheim. Die einzelnen Tabletten können dabei aus Einzelblistern oder aus Großgebinden stammen. Ziel der Verblisterung sei eine Vereinfachung des Therapieregimes, Verbesserung der Compliance und des Outcomes und somit finanzielle Einsparungen.
Doch nicht alle Arzneimittel lassen sich neu verblistern. Dies ist nur bei festen oralen Darreichungsformen, die dauerhaft in gleicher Konzentration eingenommen werden, möglich, sagte Wolff. Sprays, Säfte und Tropfen sowie zu teilende Tabletten fielen heraus. Da der Therapieerfolg durch eine gesteigerte Therapietreue verbessert werden soll, sind Vorteile nur bei Patienten mit schlechter Therapietreue zu erwarten, und dies auch nur, wenn die Non-Compliance unbeabsichtigt ist. Wenn sie beabsichtigt ist oder auf kognitiven und funktionellen Defiziten beruht, hilft auch eine Neuverblisterung nicht, erklärte Wolff. Zudem sind Vorteile bei der Compliance nur zu erwarten, wenn zur verblisterten Dauermedikation nur wenige Arzneimittel der Bedarfs- oder Akutversorgung und wenig andere Darreichungsformen wie Tropfen oder Sprays hinzukommen.
Als positive Wirkung einer Neuverblisterung nannte Wolff, dass die Einnahme besser kontrolliert werden könne, die Handhabung einfacher und die Fehlerrate niedriger sei. Als negativ wertete er, dass durch die Verblisterung der Bezug der Patienten oder des Pflegepersonals zum einzelnen Arzneimittel verloren ginge. Zudem sei die Therapiefreiheit des Arztes eingeschränkt, da nicht alle Arzneimittel zu verblistern sind.
Wie hoch diese Rate ist, zeigt ein von assist Pharma in Auftrag gegebenes Modellprojekt im Saarland, in dem in mehreren Pflegeheimen die Medikation der Bewohner verblistert wurde. Die wissenschaftliche Auswertung des Projekts von Professor Dr. Karl Lauterbach zeigte, dass nur knapp 30 Prozent der ärztlich verschriebenen Medikation verblistert werden konnte. Der Rest gehörte entweder zur Bedarfsmedikation, war keine feste orale Darreichungsform, war nicht blisterfähig oder nicht Teil des Sortiments des verblisternden Unternehmens, erklärte Wolff. »Wenn nur ein Drittel verblistert wird, reicht dies nicht aus, um die Compliance zu verbessern.« Die direkten Einsparungen bei den Arzneimittelausgaben hätten 4,2 Prozent betragen. Zudem musste jeder zweite bis fünfte Blister im Untersuchungszeitraum umgestellt werden. Die Umstellungsraten lagen zwischen zehnmal pro Jahr und zweimal pro Monat. Insgesamt fiel die Analyse des Modellprojekts wohl wenig günstig aus. »Im Lauterbach-Gutachten ist kein Passus enthalten, in dem die Verblisterung für Pflegeheime im großen Maßstab empfohlen wird«, sagte der Volkswirt.
Im Rahmen von Disease-Management-Programmen (DMP) könnte eine Verblisterung Vorteile bringen, da Chroniker mehrere Arzneimittel als Dauermediaktion erhalten. Hier würden sich DMP zu Diabetes oder zur koronaren Herzerkrankung anbieten. Wer sich für solche Programme einschreibe, sei in der Regel aber motiviert, informiert und werde zudem noch geschult, sagte Wolff. »Die Compliance ist bei diesen Patienten schon gut, eine Verbesserung durch Verblistern ist kaum zu erwarten«, so der Referent. Im Rahmen der DMP könne eine marktgerechte Lösung gefunden werden. Derzeit sei ihm aber keine Krankenkasse bekannt, die sich darum bemühe.
»Verblisterung kann bei einzelnen Patienten eine Verbesserung bewirken«, schloss Wolff. »Ein Königsweg im Sinne einer umfassenden Versorgung ist sie mit Sicherheit nicht.«