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Homöopathie ist sozial validiert

30.05.2006  15:08 Uhr

Pharmacon Meran 2006

<typohead type="3">Homöopathie ist sozial validiert

Der Arzt Dr. Samuel Hahnemann hat die von ihm selbst so benannte Homöopathie vor dem Hintergrund der medizinischen Konzepte seiner Zeit entwickelt. Obwohl diese längst wiederlegt sind und es kaum naturwissenschaftliche Belege für die Wirksamkeit seiner Heilweise gibt, halten viele Menschen daran fest. Medizinhistoriker sprechen von einer sozialen Validierung.

 

Der Kampf zwischen Anhängern der Homöopathie und der Allopathie, beide Begriffe prägte Samuel Hahnemann (1755 bis 1843), tobte nicht nur zu seinen Lebzeiten. Auch heute noch wird die Diskussion überwiegend emotional geführt. »Die unvoreingenommene historische Betrachtung ermöglicht ein wissenschaftliches Herangehen an die fast per definitionem unwissenschaftlichen komplementärmedizinischen Methoden«, leitete Privatdozent Dr. Axel Helmstädter, Eschborn, seinen Vortrag ein.

 

Hahnemann war ein nach damals modernsten Methoden ausgebildeter Arzt und als Übersetzer vieler wissenschaftlicher Werke mit den Erkenntnissen seiner Zeit bestens vertraut. Die Unzufriedenheit mit Theorien und Behandlungskonzepten ließ ihn jedoch nicht ruhen. Im Frühjahr 1790 führte er den legendären Selbstversuch mit Chinarinde durch; sechs Jahre später veröffentlichte er seine Gedanken zum Simile-Prinzip, das als Ähnlichkeitsregel zu einem Grundpfeiler der Homöopathie wurde. Sein zentrales Werk ist das »Organon der rationellen Heilkunde«, das 1810 erstmals erschien.

 

Streitbar setzte Hahnemann sich mit medizinischen Konzepten seiner Zeit auseinander. Er kritisierte sowohl die Humoralpathologie, die den Patienten mit Aderlass, Brech- und Abführmitteln quälte, als auch die Irritabilitätslehre nach John Brown, wonach hohe Dosen »erregender« Mittel wie Opium, Alkohol, Moschus oder Campher das »Erregungsniveau« der Patienten anheben sollten. Seine Arzneimittel, ausschließlich Hochpotenzen, waren wesentlich nebenwirkungsärmer als damalige medizinische Therapien: ein wichtiger Vorteil, den Patienten heute noch schätzen.

 

Große Sympathie zeigte Hahnemann für die vitalistische Idee der »Lebenskraft«, die von Georg Ernst Stahl entwickelt und dem Botaniker Friedrich Casimir Medicus in Deutschland popularisiert wurde. Die »Lebenskraft« galt im Konzept des Vitalismus als Triebfeder des Organismus. Hahnemann nutzte dies zur theoretischen Begründung seiner Lehre. So schreibt er im Organon: »Einzig die krankhaft gestimmte Lebenskraft bringt die Krankheiten hervor.« Die Arzneien sollten darauf einwirken. Auch wenn das Vitalismus-Konzept schon zu Lebzeiten Hahnemanns verlassen wurde und die »Lebenskraft« naturwissenschaftlich nicht nachweisbar ist, glauben seine Anhänger bis heute daran. Dieses Festhalten an überkommenen medizinischen Konzepten sei ein wichtiges Charakteristikum komplementärmedizinischer Verfahren, sagte Helmstädter . 

 

Seit Ende des 19. Jahrhunderts setzte sich mit der naturwissenschaftlichen Medizin der kausale Denkansatz durch, auf vielen Gebieten mit großem Erfolg. So wurden Bakterien als Krankheitserreger identifiziert und mit Antibiotika bekämpft. Diabetes als Insulinmangel-Krankheit wurde mit Insulin behandelt. »Der kausale Ansatz ist fast notwendigerweise allopathisch.«

 

Heutige Versuche, die Effekte der Homöopathie physikalisch zu begründen, sind höchst umstritten. Eine Informationsspeicherung in flüssigem Wasser, die während des Potenzierungsvorgangs erfolgen soll, sei aus physikalischer Sicht kaum denkbar, sagte Helmstädter.

 

Im Zeitalter der Evidenz-basierten Medizin (EBM) schneidet die Homöopathie schlecht ab: Es liegen keine Belege höherer Evidenzgrade vor, so der Pharmaziehistoriker. Dennoch hat diese Heilmethode viele Anhänger. Gerade weil der vitalistische Gedanke der Stärkung einer »Lebenskraft« sehr plausibel ist, halten sie, quasi gegen besseres Wissen, an der Homöopathie fest. Für dieses Phänomen hat der kanadische Medizinhistoriker John Crellin 2001 den Begriff der »sozialen Validierung« geprägt. Auch wenn dieser Denkansatz noch sehr umstritten ist, könne eine »Akzeptanz der sozialen Validierung als nachrangiges Evidenzkriterium den Gegensatz zwischen Komplementär- und Schulmedizin entschärfen«. Helmstädter sieht darin eine gute Möglichkeit, die Diskussion um die Homöopathie zu versachlichen.

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