Das Tabu afrikanischer Frauen |
21.05.2014 10:40 Uhr |
Von Anja Knecht / Eine Geburtsfistel macht betroffene Frauen häufig zu sozial Ausgestoßenen. Hinter ihnen liegt die Erfahrung einer äußerst schwierigen, oft Tage andauernden Geburt ohne jede medizinische Hilfe. Zurück bleibt eine unnatürliche Verbindung zwischen Scheide und Blase beziehungsweise Scheide und Darm.
Sie entstehen durch Geburtskomplikationen und bedeuten für die betroffenen Frauen weit mehr als körperliches Leiden: die Geburtsfisteln. In den westlichen Ländern größtenteils unbekannt, leiden nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) weltweit etwa zwei Millionen Frauen darunter. Sie stammen vor allem aus Afrika, armen Regionen Asiens und anderen Gegenden ohne Krankenhäuser oder Geburtshelfer.
In westlichen Ländern werden solche Komplikationen durch einen Kaiserschnitt verhindert. Deshalb existiert kaum Wissen über dieses Phänomen. Es gibt keine Lobby, kein Geld und kaum Programme von Hilfsorganisationen. Der Internationale Tag der Geburtsfistel am 23. Mai soll dieses Thema bekannt machen, um mehr Hilfsmöglichkeiten zu schaffen. Denn eine Operation lindert körperliches Leiden und führt zur sozialen Reintegration der betroffenen Frauen.
Komplikation bei der Geburt
Bei komplizierten, langwierigen Geburten kommt es oftmals zum Geburtsstillstand: Ist das Becken der Mutter zu klein für den Kopf des Babys oder zieht sich der Uterus nicht richtig zusammen, kann diese äußerst schmerzhafte Situation für mehrere Tage bestehen. Oftmals sterben die Kinder dabei, auch viele Mütter überleben eine solche Komplikation nicht. Der Druck des Kindskopfes auf das Gewebe im Unterleib ist so stark, dass die Durchblutung aufhört und das Gewebe abstirbt. Es entsteht eine Verbindung zwischen Scheide und Blase, manchmal auch zwischen Scheide und Darm, die sogenannte Geburtsfistel (von lateinisch fistula: Pfeife, Röhre).
Betroffene Frauen sind urin- und häufig auch stuhlinkontinent. Ein entsprechender Geruch umgibt sie. Viele werden vom Ehemann verlassen, von der Familie verstoßen oder sogar aus dem Dorf vertrieben. Sie leben isoliert, arm und voller Scham. Zudem leiden sie an gesundheitlichen Folgeerscheinungen wie Niereninfektionen, Hautgeschwüren und psychischen Erkrankungen.
Der Berliner Arzt Dr. Volker Herzog von der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen leitet Camps für Fisteloperationen in Afrika. Seit sechs Jahren nimmt der Chirurg schwierige Eingriffe mittels einer speziellen Nahttechnik vor, die in mehr als 90 Prozent der Fälle erfolgreich ist. Für die behandelten Frauen geht ein Leben mit Schmerzen, Isolation und seelischen Belastungen zu Ende und sie können in ihre Dörfer und Familien zurückkehren. Es kommt vor, dass sie vor Freude singend und tanzend die Klinik verlassen, berichtet Herzog in einer Pressemitteilung.
Operationen in Hilfscamps
Meist spricht es sich in der jeweiligen Region schnell herum, dass ein Chirurg diese Operationen durchführt. Manche Frauen reisen tagelang zu dem Camp, um sich behandeln zu lassen. Geld, den nach UN-Zahlen etwa 300 US-Dollar teuren Eingriff mit anschließender Physiotherapie vornehmen zu lassen, haben die Frauen nicht. Ärzte ohne Grenzen finanziert dies mittels Spenden.
Damit den Frauen weiterhin geholfen werden kann, darf das Auftreten von Geburtsfisteln kein Tabuthema sein. Eine Aufklärung in westlichen Ländern soll dieses Vorhaben unterstützen. /
Ärzte ohne Grenzen
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