Kurs fällt, Gehe hofft, Oesterle schießt |
21.05.2007 11:16 Uhr |
Von Thomas Bellartz
Im bislang noch zweitgrößten deutschen Pharmagroßhandel Gehe geht die Angst um. Weil immer mehr Apotheker der Gehe nach dem Kauf von DocMorris durch Celesio den Rücken kehren, werden Durchhalteparolen und Anweisungen für Gespräche der Vertriebsmitarbeiter ausgegeben. Parallel dazu macht die Celesio weiter Druck und fordert die Marktliberalisierung - der Aktienkurs sackt derweil ab.
Auch wenn der allgegenwärtige Celesio-Chef Dr. Fritz Oesterle am Dienstag mit dem saarländischen Ministerpräsident Peter Müller »in einem ausführlichen Meinungsaustausch weitgehende Übereinstimmung im Blick auf die kommenden Herausforderungen im europäischen Gesundheitsmarkt« erzielte - der Celesio-Aktienkurs setzte seinen Abwärtstrend fort. daran konnten auch die lancierten Berichte in Zeitungen und Börsen-Newslettern nichts ändern.
Der Kurs, monatelang angestiegen, erholt sich nicht nur, sondern verliert sukzessive an Wert. Am Montagabend war das Papier nur noch weniger als 50 Euro wert. Darin dürfte sich die zunehmende Verunsicherung widerspiegeln. Die Zuwächse der Aktie waren zuletzt häufig auf die medialen Einlassungen Oesterles zurückzuführen, mit der immer gleichen Versprechung: Der Apothekenmarkt wird liberalisiert und wir (Celesio) werden profitieren.
Über das Gespräch mit Müller heißt es, es sei davon auszugehen, dass sowohl die europäische Politik als auch die europäische Gerichtsbarkeit eine Liberalisierung des Gesundheitsmarktes in den Ländern der Europäischen Union vorantreiben wollen. Celesio teilt mit, die saarländische Landesregierung vertrete die Auffassung, dass das sogenannte Fremd- und Mehrbesitzverbot nicht europarechtskonform sei und daher Anpassungsbedarf bestehe. Müller und Oesterle vereinbarten, »den Dialog zwischen der saarländischen Landesregierung und der Celesio AG fortzusetzen«.
In einer E-Mail an die Vertriebsmitarbeiter, die Niederlassungen und das Führungspersonal wurden nicht nur die jüngsten Beiträge aus der PZ mitgeliefert, sondern natürlich auch kommentiert. Hintergrund sind nach PZ-Informationen die kritischen Stimmen aus dem Vertriebslager. Dort staut sich der Unmut gegen die Geschäftspolitik der Celesio an. Zumal immer mehr Apotheken die Geschäftsbeziehungen beenden.
In der E-Mail von Gehe heißt es, es sei nicht anders zu erwarten gewesen, dass die PZ aufmunitioniere. Schließlich handele es sich um die »Prawda« der Apotheker. Es werde »jede Gelegenheit genutzt, unsere Argumente zu verdrehen, oder einfach wegzulassen«, beklagt sich der Großhändler bei seinen eigenen (!) Leuten. Weil die Gehe unzufrieden ist mit der Berichterstattung über die Konzernpläne, Franchise- und Kettenmodelle, springt nun der ISA-Verband in die Bresche. Der kleine Club honoriger Top-Gehe-Kunden beschreibt die Ergebnisse einer Gehe-Informationstagung sicherheitshalber aus seiner Sicht - und versendet das dann als Newsletter an die Kunden. Die Gehe-Motivationsmail macht den Mitarbeitern Hoffnung: »Wer viel schießt, dem geht die Munition aus. So wird es auch der PZ gehen.« Deshalb bleibe man bei der bewährten Strategie, »auf unseriöse und tendenziöse Anwürfe nicht zu reagieren und uns nicht provozieren zu lassen«. Man liefere nicht noch selbst die Munition. »Es ist in einer solchen Situation immer der beste Weg, sachlich zu bleiben und die gute Kommunikationslinie fortzusetzen, selbst wenn das manchmal schwer fällt.« Gehe wolle keine Angriffsflächen bieten - so laufe sich dann auch die gegnerische Kommunikation tot. Der Schlusssatz verrät, worum es wirklich bei der E-Mail geht: »Denken Sie daran auch bei Ihren Kundengesprächen.«
Wie sehr die deutsche Gehe mittlerweile unter Druck steht, zeigt auch der Kommunikationsstrang in die Führungsetage. Zur Kenntnis erhielt die Mail auch der Celesio-Vorstandsvorsitzende Dr. Fritz Oesterle. Für ihn ist die Entwicklung der Gehe in Deutschland mindestens ebenso wichtig wie für den Celesio-Großhandelsvorstand Wolfgang Mähr. Der hatte bis in den Herbst vergangenen Jahres die Gehe geführt. Mit auf der Adressatenliste auch Mathias Kleinert. Dieser kümmert sich für Oesterle um die »Außenbeziehungen«. Punktum: Kleinert ist für die Lobbyarbeit im Ländle und in Berlin verantwortlich.