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City-BKK

Unerwünschte Versicherte

17.05.2011  18:28 Uhr

Von Daniel Rücker / Die Pleite der City BKK hat die Welt der Gesetzlichen Krankenversicherung in Panik versetzt. Die Chefs vieler Krankenkassen reagierten kopflos und ließen die kassenlosen Krankenversicherten abblitzen, obwohl sie das laut Gesetz gar nicht dürfen.

Zum 1. Juli stehen die 168 000 Versicherten der City BKK ohne Krankenversicherungsschutz da. In der vergangenen Woche hatte das Bundesversicherungsamt entschieden, die insolvente Kasse zu schließen. Nach dem Gesetz sind andere Krankenkassen dazu verpflichtet, die City-BKK-Versicherten aufzunehmen, wenn diese es wünschen. Diese Verpflichtung scheinen viele Kassenfunktionäre nicht zu kennen oder zu ignorieren.

In der Kritik standen vor allem Barmer GEK, AOK und HEK. Deren Kundenberater sollen um Aufnahme ersuchende City-BKK-Versicherte eingeschüchtert haben. Vor allem älteren Versicherten sei mit Nachteilen in der Versorgung gedroht worden. Offensichtlich wollte man ökonomisch uninteressante Bewerber frühzeitig abschrecken. Nach einem dpa-Bericht gingen die Kassen dabei nicht zimperlich vor. Einem Paar jenseits der 70 soll der Kassenmitarbeiter gesagt haben: »Wenn nun alle Alten und Kranken in unsere Kasse wechseln, was dann?« Die Barmer GEK schloss am vergangenen Freitag sogar neun ihrer Hamburger Kunden-Center.

 

In Hamburg suchen 60 000 City-BKK-Versicherte nach einer neuen Kasse. Der starke Andrang von Versicherten habe diese Entscheidung notwendig gemacht, so die Barmer GEK. Die Mitarbeiter müssten sich nun erst einmal um die eigenen Versicherten kümmern, sagte ein Barmer-Sprecher. Tatsächlich dürfte es der Barmer weniger um die Zahl der Bewerber, sondern um deren Durchschnittsalter gegangen sein. »99 Prozent der Anfragen kommen von Rentnern, die viel Beratungsbedarf haben«, betonte der Barmer-Sprecher.

 

Das ist natürlich jenseits der Legalität. Entsprechend harsch fiel die Kritik an der Kassen aus. »Dieses skandalöse Verhalten ist unerträglich und nicht hinnehmbar«, sagte der Präsident des Bundesversicherungsamtes (BVA), Dr. Maximilian Gaßner. Es sei einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft unwürdig, die Rechtspflicht zur Beratung von Versicherten zur Abwehr unerwünschter Mitglieder zu missbrauchen. Die Mitglieder der City-BKK seien in einer »angespannten und rechtlich außergewöhnlichen Lage«. Deshalb stünden die anderen Kassen in der Pflicht die Versorgung weiter zu gewährleisten. Gaßner riet abgewiesenen Versicherten, sich direkt an die Kassenvorstände oder das BVA zu wenden. Das Amt werde jeder Beschwerde nachgehen und gegebenenfalls Aufsichtsmittel gegen Kassen anzuwenden. Nach Informationen des »Tagesspiegel« hat das BVA bereits die Vorstände einiger Kassen für diese Woche einbestellt.

 

Gesundheitsminister warnt die Kassen

 

Auch bei der Politik kam das Verhalten der Kassen überhaupt nicht gut an. Der neue Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr warnte die Krankenkassen davor, City-BKK-Mitglieder abzuweisen. »Behinderungen der Aufnahme von City-BKK-Versicherten bei anderen gesetzlichen Krankenkassen sind nicht akzeptabel«, sagte Bahr der Nachrichtenagentur Reuters. »Ich erwarte, dass die Krankenkassen der geltenden Rechtslage nachkommen.« Weiter sagte Bahr: »Wir verfolgen genau, was da passiert.«

Abgewiesenen Versicherten riet er, sich schriftlich beim Krankenkassenvorstand zu beschweren und die Kassenaufsicht zu informieren. »Die Gesetzeslage ist eindeutig: Kein Versicherter der City BKK darf von einer anderen gesetzlichen Kasse abgelehnt werden«, sagte er der »Bild«-Zeitung. Die Versicherten hätten absolute Entscheidungsfreiheit. »Die Versicherten könnten sich für eine Kasse ihrer Wahl entscheiden. Für den Fall, dass sich Krankenkassen weigerten, könne er »Konsequenzen nicht ausschließen«.

 

Der Koalitionskollege Jens Spahn (CDU) drohte sogar den Kassenvorständen, sie müssten persönlich haften. In seltener Einigkeit mit der Koalition ließen auch der SPD-Gesundheitspolitiker Professor Dr. Karl Lauterbach und Harald Weinberg von der Linken keinen Zweifel an ihrer Abscheu für das Verhalten der Krankenkassen. Lauterbach nannte das Vorgehen der Kassen »verheerend fürs Solidarsystem«, Weinberg sieht darin »das Ergebnis einer verfehlten Gesundheitspolitik, die sich als Wettbewerbspolitik versteht und nicht als Daseinsvorsorge«.

 

Und selbst viele andere Krankenkassen hatten kein Verständnis für die Blockadepolitik. DAK-Chef Herbert Reb­scher sagte dem »Spiegel«: »Das ist ein grob rechtswidriges Verhalten, aber leider ist es in der Branche nicht unüblich.« Kassen, die sich auf gesunde und lukrative Versicherte konzentrieren, handelten aus rein betriebswirtschaftlicher Sicht nachvollziehbar. »Sie optimieren ihre Finanzen.« Diese Anreizsetzung im Gesundheitssystem sei »ein Fehler im System«. Der DAK-Chef forderte deshalb einen Umbau des Gesundheitsfonds. Für die Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbands, Doris Pfeiffer, ist die Lage eindeutig: »Alle Mitglieder der City BKK haben das Recht, sich ihre neue Krankenkasse frei zu wählen. Ich erwarte von jeder gesetzlichen Krankenkasse, dass sie selbstverständlich alle, die bei ihr Mitglied werden möchten, mit offenen Armen aufnimmt. Alles andere wäre unsolidarisch und unakzeptabel.«

 

BKK für Heilberufe in Schieflage

 

Die City BKK ist offensichtlich nicht die einzige Krankenkasse mit finanziellen Problemen. Auch die BKK für Heilberufe befindet sich in finanzieller Schieflage: Laut »Financial Times Deutschland (FTD)« droht auch ihr die Insolvenz. Derzeit suche der Vorstand der Kasse unter den anderen Betriebskrankenkassen händeringend nach einem Fusionspartner. Falls sich bis Ende Mai niemand finde, der die BKK Heilberufe mitsamt ihren noch 130 000 Versicherten ­ – in guten Zeiten waren es einmal 600 000 – übernehmen will, drohe der Kasse in den kommenden Monaten die Zahlungsunfähigkeit.

 

Das soll aus einer Mitteilung des Beirats der BKK für Heilberufe an die Vorstände der anderen Betriebskrankenkassen hervorgehen. Der Sprecher der Kasse, Ulrich Rosendahl, sagte der FTD, seine Kasse arbeite auf die Fusion mit einer anderen Kasse hin. Bislang hat sich aber noch kein Partner gefunden. / 

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