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Diabetes mellitus

Verbesserung der Therapietreue

17.05.2010  23:33 Uhr

Von Sven Siebenand, Stuttgart / Mit der Therapietreue von Typ-2-Diabetikern steht es nicht zum Besten. Was sind die Gründe dafür und welche Folgen resultieren daraus? Und was können Apotheker und Ärzte tun? Antworten lieferte die Jahrestagung der Deutschen Diabetes-Gesellschaft (DDG).

»Die Therapietreue ist bei chronisch kranken Menschen allgemein verbesserungswürdig«, konstatierte Dr. Renate Quinzler vom Deutschen Arzneiprüfungsinstitut (DAPI). Im Rahmen eines gemeinsamen Symposiums des DDG-Ausschusses »Einbindung der Apotheker in die Diabetikerversorgung« (EADV) und der Bundesapothekerkammer (BAK) nannte die Apothekerin Fakten und Zahlen.

Bei Typ-2-Diabetikern, die orale An­tidiabetika einnehmen, läge die The­rapietreue je nach Beobachtungszeit­raum, Therapieregime und Messme­thode zwischen 36 und 93 Prozent. Bei Patienten, die Insulin injizieren, sei die Adhärenz im Vergleich dazu noch schlechter. »Die Folge davon ist, dass etwa in den USA nur ein Drit­tel der Typ-2-Diabetiker das The­rapieziel, einen HBA1c-Wert unter 6,5 Prozent, erreicht«, informierte die Fachapothekerin für Arzneimittelinfor­mation. Eine geringe Therapietreue sei mit höheren Kosten verbunden. Die Arzneimittelkosten fielen dabei nicht ins Gewicht. Zwar lägen diese für einen Typ-2-Diabetiker mit hoher Therapietreue um die 750 US-Dollar und für einen nicht-therapietreuen bei 55 US-Dollar. Die gesamten Versorgungskosten seien aber bei Letzterem mit 9000 US-Dollar pro Jahr schlussendlich doppelt so hoch wie bei einem therapietreuen Diabetiker. Denn eine schlechte Compliance sei zum Beispiel häufiger mit Krankenhauseinweisung oder (kostenintensiven) Folgeerkrankungen verbunden. Quinzler ging auf eine Studie ein, wonach eine Verbesserung der Therapietreue um 10 Prozent, die Versorgungskosten um 10 Prozent senkt. Nicht zielführend sei es dagegen, einfach die Dosis zu erhöhen, die Medikation umzustellen oder weitere Wirkstoffe hinzuzunehmen. Die Referentin nannte vier wichtige Faktoren, warum es gerade bei Typ-2-Diabetikern oftmals an der Compliance scheitert: die Komplexität des Therapieregimes, das Alter der Patienten, die Angst vor Nebenwirkungen und das Vorliegen einer Depression.

 

Mono- statt Polypharmakotherapie

 

»Es gibt immer mehr Anhaltspunkte, dass eine Steigerung der Adhärenz einen größeren Nutzen bewirkt als die Verbesserung der Therapie«, so Professor Dr. Martin Schulz, ABDA-Geschäftsführer Arzneimittel und Geschäftsführer Pharmazie des DAPI. Das gelte insbesondere im Fall Typ-2-Diabetes. In seinem Vortrag stellte Schulz Strategien zur Verbesserung der Therapietreue bei Diabetes mellitus Typ 2 vor. Zuvor ging er der Frage nach, für welche Interventionen es tatsächlich einen evidenzbasierten Nutzen gibt. Seine Schlussfolgerung: »Für die meisten Maßnahmen existieren keine oder nur sehr schwache, zum Teil auch widersprüchliche wissenschaftliche Evidenzen hinsichtlich ihrer Wirksamkeit.« Die Studienlage sei heterogen und harte Belege für die Wirksamkeit der Interventionen fehlten bislang. Als »wahrscheinlich effektiv« stufte er unter anderem Telefonanrufe und virtuelle Hausbesuche sowie das Zusenden von Schulungsunterlagen. Auch Diabetes-Schulungen seien unabdingbar für die Behandlung von Diabetes mellitus. Von »fraglicher Effektivität« sei zum Beispiel die industrielle Verblisterung ohne Refill-Reminder per Telefon, SMS, E-Mail, Karte oder Brief.

 

Die Strategien zur Förderung der Therapietreue unterteilte Schulz in edukative Maßnahmen (erklären, schulen), verhaltensbeeinflussende Maßnahmen (unterstützen, motivieren), Überwachung der Therapietreue (kontrollieren) und Anpassung der Therapie (vereinfachen). Förderlich für die Therapietreue sei es zum Beispiel so wenig Präparate und Dosen pro Tag wie möglich einzusetzen. Besser einmal täglich statt zwei- oder dreimal täglich, formulierte Schulz eine Richtschnur. In diesem Zusammenhang plädierte er auch dafür, – wo angebracht – Kombinationsmittel einzusetzen. Ferner sprach sich Schulz dafür aus, die Medikation nicht ständig zu wechseln. Das gelte auch im Hinblick auf Generika und das leidige Thema Rabattverträge.

 

Im Folgenden stellte der Referent einen Vorschlag für ein strukturiertes Vorgehen zur Diskussion. Demnach stehen die Erstellung einer Medikationsdatei (Arzt, Apotheker) und das Anfertigen eines Medikationsplanes für den Patienten am Beginn der Handlungskette. Im zweiten und dritten Schritt gelte es, die Therapie zu vereinfachen und den Patienten zu informieren und zu beraten. Unter anderem zeigen zum Beispiel zahlreiche Studien, dass Gespräche mit dem Patienten oder Informationen über mögliche Nebenwirkungen die Arzneimittelanwendung nicht negativ beeinflussen, so Schulz. Im weiteren Prozedere sei es dann wichtig, den Patienten an Arzttermine und (Folge-)Verordnungen zu erinnern. Zudem müsse die Medikationsdatei fortlaufend aktualisiert werden. Da-raus lässt sich dann erkennen, bei welchen Patienten es an Therapietreue mangelt. Das Therapieversagen gelte es dann zu analysieren. So könne es sein, dass die Non-Adhärenz beabsichtigt oder unbeabsichtigt ist. Wichtig sei auch, eine depressive Störung auszuschließen beziehungsweise diese adäquat zu therapieren. Denn zum einen seien Depressionen eine Co-Morbidität bei Diabetes mit hoher Prävalenz, zum anderen sei damit eine niedrigere Therapietreue und damit schlechtere Krankheitskontrolle verbunden.

 

Die Apotheker miteinbinden

 

Dr. Alexander Risse, Mediziner aus Dortmund, ging auf das Thema Medikationsmanagement aus Sicht eines Diabetologen ein. Risse räumte ein, dass Ärzte es häufig versäumen, die Therapieziele vorab mit dem Patienten zu vereinbaren. Die fehlende Auftragsklärung sei sogar die häufigste Ursache einer mangelnden Therapietreue. Im Rahmen einer Pressekonferenz ergänzte Risse zu diesem Thema: »Es ist ein zusätzlicher Weg, die Apotheker miteinzubinden.« Die Aufklärung des Patienten könne der Apotheker gegebenenfalls besser durchführen als der Arzt. /

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