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Sammlung Prinzhorn

Künstler in der Irre

07.05.2008  12:51 Uhr

Sammlung

Von Ulrike Abel-Wanek, Heidelberg

 

Sie waren übersensibel, gesellschaftlich unangepasst oder hatten einfach nur Pech: Die Heidelberger »Sammlung Prinzhorn« zeigt zurzeit eine Ausstellung von Malern, Bildhauern und Grafikern, die aufgrund lebensgeschichtlicher Konflikte viele Jahre in einer Anstalt für Geisteskranke verbrachten.

 

Josef Aigner (1850 bis 1912) war erfolgreicher Porträt- und Historienmaler und schaffte es bis zum Hofmaler des »Märchenkönigs« Ludwig II von Bayern. Zwölf Gemälde in Schloss Neuschwanstein sind von ihm, aber es gab während der dortigen Arbeiten harte Auseinandersetzungen mit seinem Auftraggeber. Manches missfiel dem König (Aigner arbeitete an einem Gemäldezyklus über die Sage »Tannhäusers«) der Maler zog sich aufgrund der Kritik tief gekränkt zurück. Erschöpft und überfordert brach er wenig später bei Arbeiten an Fresken auf der Baustelle zusammen und wurde in die Psychiatrie eingeliefert. 30 Jahre blieb er hier, weggeschlossen und von inneren Stimmen gequält. Seine künstlerischen Erfolge waren bald aus dem öffentlichen Gedächtnis gelöscht.

 

Die Werke und außergewöhnlichen Lebensgeschichten von 17 Künstlern (darunter auch zwei Künstlerinnen) sind auf der Ausstellung »Künstler in der Irre« zu sehen. Sie alle hatten sich eine glänzende Karriere ausgemalt, stattdessen scheiterten sie und verloren durch seelische Verletzungen geradezu den Verstand. Durch die oft Jahrzehnte andauernden Anstaltsaufenthalte kannte sie »draußen« bald niemand mehr. Gleichzeitig blieb aber auch ihre in der Psychiatrie entstandene Kunst unbeachtet, da sie das Klischee von »verrücker Kunst« nicht erfüllten. Figürliche Motive und Landschaften sind häufig auf den Bildern zu sehen: Das Festhalten an der Konvention war hier vielleicht auch die beste Überlebensstrategie. Selbstbildnisse sind selten, und auf die Anstalt direkt reagierten nur wenige der ausgestellten Künstler. Eine Ausnahme sind die hervorragenden Zeichnungen von August Richter, dem ein eigener Raum gewidmet ist. Serienweise zeichnete er um 1850 in der Anstalt das, was er sah: unglückliche Insassen. Die freudlosen Gesichter mit klebrig zerzausten Haaren, Menschen mit hängenden Schultern und kraftlos im Schoß liegenden Händen sind Protokolle der Trostlosigkeit. Die Porträts sind sensationell, nicht zuletzt, weil der Zeichner kein Besucher, sondern selbst hospitalisiert war.

 

Richter (1801 bis 1873) war 1830 außerordentlicher Professor für Zeichnen an der Akademie Dresden. Einige Jahre später galt er laut Akademieakten als »kränklich« und »hypochondrisch«. Als eigensinniger Spaziergänger wandte er sich stark der Natur zu, entdeckt die unscheinbaren Stadtränder, zeichnet Feld- und Straßenarbeiter ­ und wurde ein früher Realist. 1844 brachte man ihn als »unheilbar« in die psychiatrische Anstalt Pirna-Sonnenstein, wo er, von der Schwester mit Material versorgt, weiter malte. Sie bezeichnete ihn als »geistreich wie früher«, aber von der alten »Angstidee der Verfolgung mit Todesangst gepeinigt«. Richter starb nach 29 Anstaltsjahren, sein Gesamtwerk (vor und aus der Anstalt) wurde versteigert. Zurück blieb ein Konvolut von Zeichnungen, das um 1900 nach Heidelberg geschickt wurde, wo bereits eine kleine Sammlung »irrer Kunst« bestand. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts hatte unter Psychiatern eine rege Sammeltätigkeit bildnerischer Werke von Patienten begonnen, hauptsächlich in der Hoffnung auf diagnostische Verwertbarkeit.

 

Die heutige Sammlung Prinzhorn geht zurück auf den Arzt und Kunsthistoriker Hans Prinzhorn (1886 bis 1933), der 1919 als Assistent an die Psychiatrische Klinik der Universität Heidelberg kam. Hier wurde er vom damaligen Leiter, Karl Wilmanns beauftragt, die bereits vorhandene Kollektion künstlerischer Arbeiten von Psychiatriepatienten mit Werken aus anderen Anstalten zu erweitern und in einer wissenschaftlichen Studie auszuwerten.

 

Heute umfasst die Sammlung 5000 Werke von rund 450 Künstlern, darunter Zeichnungen, Malereien mit Wasserfarben und Öl, Textilien und Holzskulpturen. Erstmals zeigt die Sammlung Prinzhorn Werke von Künstlern, die bereits vor ihrem Anstaltsaufenthalt eine professionelle künstlerische Ausbildung erhielten.

Informationen

Künstler in der Irre

Universitätsklinikum Heidelberg

Sammlung Prinzhorn

Vossstrasse 2

69115 Heidelberg

Kasse: 06221 56-4739

Internet: www.prinzhorn.uni-hd.de

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