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Emil Noldes Grotesken

»Ein Super-Thema«

09.05.2017  12:20 Uhr

Von Ulrike Abel-Wanek, Wiesbaden / Der Spuk geht um im ­Museum Wiesbaden. Das Landesmuseum ist Gastgeber der ­Internationalen Tage Ingelheim, die dieses Jahr »Die Grotesken« von Emil Nolde präsentieren. Erstmals sind die burlesken und ­fantastischen Bildkompositionen des berühmten Expressionisten damit Mittelpunkt einer Einzelausstellung.

Es brauchte nicht viel Überredungskunst, den Wiesbadener Museums- Direktor, Dr. Alexander Klar, zu überzeugen, der außergewöhnlichen Nolde-Ausstellung Asyl zu gewähren. Sein Haus ist für seine Expressionisten, vor allem die wertvolle Jawlensky-Sammlung, weithin bekannt. Wegen anhaltender Baumaßnahmen können die Internationalen Tage zum zweiten Mal auch 2017 nicht in den historischen Räumen des Alten Rathauses in Ingelheim stattfinden. Die Kunstpräsentationen des seit 1959 bestehenden Kulturengagements von Boehringer Ingelheim finden international große Beachtung.

Wer mit Emil Noldes bunten Blumengärten, seinen leuchtenden Landschaften oder berühmten Südsee-Bildern rechnet, wird in dieser Ausstellung nicht fündig. Dennoch wird er nicht enttäuscht. Denn der Leiter der Internationalen Tage, Dr. Ulrich Luckhardt, hat gemeinsam mit Dr. Christian Ring, Direktor der Nolde-Stiftung Seebüll, mehr als 100 großartig »groteske« und zum Teil noch nie gezeigte Werke des Künstlers zusammengetragen. »Nolde mag bekannt sein – die Grotesken sind es nicht«, sagte Luckhardt zur Ausstellungseröffnung am Freitag vergangener Woche. Und freut sich, nun der Öffentlichkeit ein »Super-Thema« präsentieren zu können, das explizit so noch nie Gegenstand einer Ausstellung oder wissenschaftlichen Untersuchung war. Tatsächlich fallen die 20 Gemälde und rund 90 Aquarelle und Radierungen aus dem Rahmen der hinlänglich bekannten Nolde-Bilder. Eine ganz andere Facette des vermeintlich »ausgeloteten« Künstlers zu zeigen, entspricht dabei dem Profil der Internationalen Tage, die mit ihren jährlichen Ausstellungen nicht nur den künstlerischen »Mainstream« bedienen wollen.

 

Um 1900 war die Groteske in Künstlerkreisen allgegenwärtig. Fantastische, surreale Werke schufen unter anderem Paul Klee, Alfred Kubin oder später Lyonel Feininger. Nolde zeigte mit seinem ersten Ölgemälde »Die Bergriesen« von 1895/96 schon früh einen Hang zur burlesken Komposition. Ab 1894 malte der damals als Kunstgewerbelehrer im schweizerischen St. Gallen lebende Nolde die Berggipfel der Alpen in Gestalt grotesker Sagen- und Märchenfiguren und verkaufte sie als »Bergpostkarten« gedruckt so gut, dass er seinen Brotberuf als Lehrer aufgeben konnte.

Finanziell solide abgesichert, konnte der erst Dreißigjährige von da an ausschließlich als freier Künstler arbeiten. Nach seinem Aufenthalt in der Schweizer Bergwelt zog es den 1867 an der deutsch-dänischen Grenze in Nordschleswig geborenen Nolde wieder zurück in den Norden. In Dänemark und Berlin entstehen 1905 eine Reihe von Radierungen – die meisten davon ohne Titel. Auch viele spätere Werke Noldes tragen keine Namen. Wenn doch, geben sie selten Aufschluss über die Bedeutung der geheimnisvollen Bildmotive.

 

Abkehr von der Realität

 

Von den Anfängen bis in die Jahre des Berufsverbots durch die Nationalsozialisten durchzieht Noldes Werk immer wieder die Abkehr von der Realität – hin zu einer grotesken Gegenwelt. In der Abgeschiedenheit von Utenwarf an der westschleswigschen Küste und Hallig Hooge in Nordfriesland entstehen 1918/19 zahlreiche Aquarelle mit zwittrigen Wesen und drachenartige Fabeltiere in amphibischen Landschaften. »Vielleicht muss man an den Rand der Welt gehen, um so etwas ›sehen‹ zu können«, meint Ausstellungskurator Dr. Roman Zieglgänsberger mit Blick auf die skurrilen Bildthemen des Künstlers.

Kuriose Gestalten und Kobolde dominieren auch bei den zwischen 1931 und 1935 entstandenen, großformatigen Aquarellen, den sogenannten Phantasien. Wie ein roter Faden zieht sich dabei das Motiv des »Paares« durch die Bilder – mal Mensch, mal Tier, mal beides zugleich. Waren die fratzenhaften Figuren Noldes auf den frühen Bergpostkarten noch aus dem akkuraten Bild der Bergwelt herausgearbeitet, entwickelten sich die Motive seiner späteren Arbeiten eher zufällig aus den noch feuchten, ineinanderlaufenden Farben. Bei dieser »Nass-in-Nass-Technik« konturierte Nolde nachträglich mit Tuschefeder die im Farbverlauf entdeckten Gesichter und Figuren. Die »Grotesken«, seien ein »Werk im Werk« Noldes, so Luckhardt, und nähmen eine einzigartige Stellung in der Kunst der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ein.

 

Die Exponate der Wiesbadener Ausstellung stammen zu 100 Prozent von der Nolde-Stiftung im schleswig-holsteinischen Seebüll, wo der Maler ab 1927 im selbst entworfenen Haus – Sitz des heutigen Museums – lebte und arbeitete. Nach dem Berufsverbot durch die Nationalsozialisten 1941 zog er sich hierher zurück.

Nolde war bekennender Nationalsozialist und Antisemit, seine Kunst jedoch galt als »entartet«. In der Abgeschiedenheit von Seebüll schuf er die »Ungemalten Bilder« – rund 1500 kleinformatige, farbgewaltige und fantastische, meist figürliche Aquarelle. »Kunstgeschichtlich einzigartig«, sagt Ring. Speziell diese Arbeiten bildeten nach dem Zweiten Weltkrieg die Grundlage für die Rezeption Noldes als verfemter Künstler, was seine tatsächlichen Verstrickungen mit dem Regime für viele Jahre überlagerte. Die Arbeit der Nolde-Stiftung trage dazu bei, in dieses Kapitel der Kunstgeschichte Transparenz und Klarheit zu bringen, so Luckhardt. /

Emil Nolde: Die Grotesken. Eine Ausstellung der Internationalen Tage Ingelheim – zu Gast im Museum Wiesbaden

30. April bis 9. Juli 2017

www.museum-wiesbaden.de

www.internationale-tage.de

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