Was darf Innovation kosten? |
29.04.2015 10:27 Uhr |
Von Maria Pues, Frankfurt am Main / Was ist eine Innovation, und was darf sie kosten? Darüber diskutierten Experten beim Perspektivengespräch des House of Pharma in Frankfurt am Main. Beispiel war unter anderem Sofosbuvir, der neue Wirkstoff gegen Hepatitis-C.
Der Preis für eine Therapie dürfe sich nicht allein auf die Herstellungskosten eines Arzneimittels beschränken. Das betonte der Forschungsgeschäftsführer bei Sanofi Aventis, Professor Jochen Maas, in seiner Einführung. Der Preis müsse unter anderem Kosten von rund zwölf bis 15 Jahren Forschung und Entwicklung berücksichtigen. »Von 10 000 Molekülen schafft es nur eines auf den Markt«, sagte er.
Kosten-Nutzen-Bewertung
Einen möglichen Ansatz zu Preisfindung erläuterte der Hepatologe Professor Stefan Zeuzem. Die zentrale Frage dazu lautete: »Was würde es kosten, wenn es die betreffende Therapie nicht gäbe?« Diese Rechnung, die neben den Kosten den Nutzen betrachtet, machte der Referent am Beispiel der neuen interferonfreien Therapiemöglichkeiten bei Hepatitis-C-Virusinfektionen (HCV) mit direkt antiviral wirksamen Arzneistoffen (DAA). Der Nutzen der neuen Therapien ist eindeutig: Statt 24 bis 48 Wochen meist nur noch 12 Wochen Therapiedauer, statt häufiger und schwerer Nebenwirkungen eine gut verträgliche Behandlung mit gutem Ansprechen, statt jahrelang schleichender Verschlechterung der Erkrankung, weniger Fibrosen, Zirrhosen, Leberkrebs und Transplantationen. Die Vorteile sind offensichtlich. Wo ist das Problem?
Vor die Preisverhandlung hat das sogenannte Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetz (AMNOG) die Nutzenbewertung gesetzt. Um einen Zusatznutzen zu belegen, sind Studien erforderlich, die das neue, potenziell teurere Arzneimittel mit der Standardtherapie vergleichen. Grundsätzlich ein guter Gedanke. Weicht die neue Therapie aber erheblich vom Standard ab, entzieht sie sich so der unmittelbaren Vergleichbarkeit.
Es gebe keine prospektiven, randomisierten, doppelblinden Vergleichsstudien, kritisierte das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG). Doch solche Studien sind laut Zeuzem ethisch nicht vertretbar. Bei dem Kriterium der Viruslast handele es sich nur um einen Surrogatparameter, lautete ein weiterer Kritikpunkt. Dem stellt Zeuzem Aspekte wie Heilung und verhinderte Folgeerkrankungen entgegen. Die Kriterien des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) sind seiner Meinung nach dazu ausgelegt, einen geringen Zusatznutzen im Vergleich zu einer bestehenden Therapie zu erkennen. Zeuzem mahnte deshalb, die Kriterien zu überdenken und zu erweitern.
Verunsicherung bei Ärzten
Dass es sich bei den DAA um innovative Arzneimittel handelt, ist unverkennbar. Das Arzneimittelbudget der Kassen für 2015 sieht daher für sie ein Sondervolumen von 3 Prozent vor. Ein wichtiger Schritt in Richtung Erstattung und damit Einigung über die Kosten scheint damit gemacht. Der Weg in eine breitere Anwendung eröffnet sich damit aber möglicherweise nicht. Laut Zeuzem führen verschiedene Umstände zu einer starken Verunsicherung bei den niedergelassenen Ärzten.
Im Fall von Sofosbuvir gehörten dazu teilweise unterschiedliche Angaben in Fachinformation, IQWiG-Dossier, G-BA-Entscheidung und Therapieleitlinien. Auch stifteten konkurrierende Preisverhandlungen Verwirrung. So verhandelte einerseits der GKV-Spitzenverband im Rahmen der Nutzenbewertung mit dem Hersteller Gilead über den Erstattungspreis für sein neues Medikament. Parallel hatten einzelne Kassen aber bereits Selektivverträge mit dem Hersteller abgeschlossen. /