Zielpreise müssen endlich kommen |
04.05.2010 16:26 Uhr |
Welche Aufgaben kommen auf die Apotheker in den kommenden Jahren zu? Was bedeutet dies für ihre Honorierung und wie lassen sich die Ausgaben für Arzneimittel am besten kontrollieren: Über die ökonomischen Aspekte der zukünftigen Arzneimittelversorgung diskutierten Professor Dr. Bertram Häussler (Iges-Institut) und Dr. Ulrich Orlowski (Bundesgesundheitsministerium), Claudia Korf (Barmer GEK) mit KBV-Vorstand Carl-Heinz Müller und DAV-Chef Fritz Becker.
Iges-Chef Häussler geht davon aus, dass sich die Anforderungen an die Apotheker in den kommenden Jahren maßgeblich verändern. Die Zahl der beratungsintensiven Medikamente in den Apotheken werde als Folge des medizinischen Fortschrittes und der demografischen Entwicklung weiter steigen. Da gleichzeitig die ambulante Versorgung heute noch stationäre Aufgaben übernehme und in ländlichen Gebieten die Zahl der Ärzte weiter abnehmen werde, müssten sich die Apotheken darauf einstellen, in Zukunft weitaus mehr Zeit in die Beratung ihrer Patienten zu investieren und neue Dienstleistungen für Senioren anzubieten.
Was erwartet die Apotheker in der Zukunft? Darüber diskutierten Dr. Carl-Heinz Müller, Claudia Korf, Thomas Bellartz (Moderation), Dr. Ulrich Orlowski, Professor Dr. Bertram Häussler und Fritz Becker (von links).
Häussler hält deshalb Veränderungen in der Vergütung der Apotheker für sinnvoll. Heute hänge das Apothekereinkommen an der Anzahl der abgegebenen Packungen. Da aber die Mengenkomponente in der Arzneimittelversorgung stagniere, garantiere sie keine ausreichende Vergütung für eine deutliche Ausweitung der Dienstleistungen. Langfristig müssten deshalb die Beratung und andere Angebote direkt honoriert werden. Grundsätzlich müsse sich die Vergütung apothekerlicher Leistungen in der Zukunft an der Morbidität orientieren.
Über einen anderen Aspekt des Apothekenhonorars echauffierte sich der DAV-Vorsitzende Becker. Er forderte Orlowski auf, die Bundesregierung möge sich dafür einsetzen, dass Schiedsstellenentscheidungen auch beim Apothekenabschlag bindend werden. Für die Apotheker sei es unerträglich, dass die Höhe des Apothekenabschlages für 2009 immer noch nicht feststehe und sich für 2010 auch eine Hängepartie abzeichne. Für diese beiden Jahre sei womöglich keine Änderung mehr möglich, für nachfolgende Verhandlungen zwischen Apothekern und Kassen, sollte das Votum der unparteiischen Schiedsstelle aber bindend werden. In anderen Bereichen des Gesundheitswesens sei dies bereits die Regel. Orlowskis Reaktion auf Beckers Wunsch lag irgendwo zwischen ablehnend und unentschieden. Grundsätzlich erkennt er das Problem natürlich auch, verwies aber auf die Rechtslage, nach der Einsprüche gegen die Schiedsstellenentscheidung aufschiebende Wirkung haben.
Wünsche an die Politik hatte auch KBV-Vorstandsmitglied Carl-Heinz Müller. er forderte die Bundesregierung auf, die Ärzte endlich von der Preisverantwortung in der Arzneimittelversorgung zu befreien. Voraussetzung dafür sei eine Ablösung der Rabattverträge durch das vom Deutschen Apothekerverband (DAV) entwickelte Zielpreis-Modell. »Zielpreise sind der richtige Weg«, sagte Müller. Die KBV habe mit der ABDA ein Gesamtpaket für die zukünftige Aufteilung der Arzneimittelversorgung entwickelt. Danach stellt der Arzt die Diagnose, sucht den Wirkstoff aus und legt Dosierung und Einnahme fest. Der Apotheker sucht dann im vereinbarten Preiskorridor das passende Medikament aus. So könne gewährleistet werden, dass Patienten langfristig mit demselben Präparat versorgt würden. Der mit Rabattverträgen verbundene häufige Präparatewechsel entfalle dann. Dies verbessere die Compliance des Patienten deutlich.
Professor Dr. Bertram Häussler vom IGES-Institut unterstützte Müllers Forderung, den Ärzten die Bürde der Preisverantwortung zu nehmen. Häussler: Preisverantwortung und die damit verbundenen Regressandrohungen sind ein schwerer Mühlstein auf den Schultern der Ärzte.« Auch der DAV-Vorsitzende Fritz Becker machte sich ein weiteres Mal für das Zielpreismodell stark. Es sei den Rabattverträgen in jedem Fall überlegen, selbst wenn die Bundesregierung über eine geplante Aufzahlungsregelung Wahlmöglichkeiten für die Patienten schaffe. Und auch ABDA-Präsident Heinz-Günter Wolf verdeutlichte Orlowski noch einmal die Vorzüge der Vereinbarung mit der KBV. Im Gegensatz zu den Rabattverträgen wählten im Zielpreiskonzept die Apotheker und nicht die Kassen nach der ärztlichen Wirkstoffverordnung die Marke aus. Dies schaffe deutlich mehr Kontinuität in der Versorgung, mit deutlichen positiven Aspekten für die Compliance der Patienten.
Ziemlich zurückhaltend nahm Dr. Ulrich Orlowski aus dem Bundesgesundheitsministerium die Initiative pro Zielpreise auf. Schon heute seien Absprachen über Zielpreise möglich. Es sei die Aufgabe der Selbstverwaltung, diese Option wahrzunehmen. Müller und Becker sahen dies anders. Die Kassen seien keinesfalls zu einer Abkehr von den Rabattverträgen bereit. Verhandlungen über Zielpreise wären deshalb von vorneherein zum Scheitern verurteilt.
Claudia Korf von der Barmer GEK ließ auch keinen Zweifel daran, dass die Kassen eine Abkehr von den Rabattverträgen ausschließen. Sie kritisierte zwar die von der AOK favorisierte Variante mit nur einem Gewinner pro Los. Das Konzept von Barmer GEK mit drei Lieferanten pro Wirkstoff sei deutlich patientenfreundlicher. Grundsätzlich würden die Kassen sicherlich an den Rabattverträgen festhalten.
Das Zielpreismodell weist den richtigen Weg. Wir brauchen für Arzneimittel ein flexibles System, das die individuellen Bedürfnisse des Patienten berücksichtigt. Denn anders als bei den Rabattverträgen steht bei Garantiepreisen nicht das reine Geldsparen im Mittelpunkt. Der Apotheker wählt innerhalb eines Preiskorridors das für den Kunden am besten geeignete Arzneimittel aus. Damit verbessern sich die Compliance des Patienten und die Qualität der Versorgung insgesamt. Die Verunsicherung durch die Rabattverträge wäre damit endlich vorbei. Die Apotheker sind bereit, mit dem Zielpreismodell mehr ökonomische Verantwortung im GKV-System zu übernehmen. Auch die Politik muss endlich ihrer Verantwortung nachkommen - und zum Wohl des Patienten das Rabattvertragssystem ablösen.
Stephanie Schersch
Redaktion