Nahtlose Schnittstelle |
23.04.2014 10:37 Uhr |
Von Torsten Hoppe-Tichy, Michael Ober, Maike Rosenhagen und Stefanie Sauer / Wird ein Patient aus dem Krankenhaus entlassen, kann die lückenlose Arzneimittelversorgung zur Herausforderung werden. Hier hat sich ein Konzept zum Entlassmanagement des Universitätsklinikums Heidelberg bewährt. Wir stellen es vor.
Die Verbesserung der Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) wird seit einigen Jahren von verschiedenen Seiten vorangetrieben, wobei die Schnittstelle zwischen stationärer und ambulanter Versorgung einen wichtigen Punkt darstellt. Im deutschen Gesundheitssystem sind die Grenzen zwischen dem ambulanten Sektor außerhalb des Krankenhauses und dem stationären Sektor besonders ausgeprägt. Diese Schnittstelle zwischen den Sektoren birgt immer wieder Gefahren für Arzneimittelrisiken.
Wird ein Patient aus dem Krankenhaus entlassen, kommt es zum Beispiel vor, dass Informationen nicht oder nur unvollständig weitergetragen werden. Auch die lückenlose Versorgung mit Arzneimitteln bedeutet manchmal eine große Anstrengung. Ist die Versorgung mit handelsüblichen Fertigarzneimitteln noch verhältnismäßig einfach, wird es komplizierter, wenn spezielle Arzneimittel verordnet werden, die importiert oder hergestellt werden müssen.
Kindgerechte Rezepturen
Im Universitätsklinikum Heidelberg stachen hier besonders Verordnungen aus dem Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin ins Auge. Hier gestaltete sich die Weiterversorgung im ambulanten Bereich meist problematisch, da für die Versorgung der kleinen Patienten oftmals keine oder keine geeigneten Fertigarzneimittel zur Verfügung stehen. Während des stationären Aufenthalts werden diese Arzneimittel von der klinikeigenen Apotheke hergestellt, damit eine kindgerechte Dosierung oder Applikation gewährleistet ist. Die hauseigenen, standardisierten Rezepturen werden dann auch in der ambulanten Verordnung rezeptiert. Hier kam es immer wieder zu Rückfragen von öffentlichen Apotheken an die Kollegen im Krankenhaus.
Oft hatten die niedergelassenen Apotheken schon eine kleine Odyssee hinter sich, um den richtigen Gesprächspartner zu erreichen und die aufgetretenen Probleme zu besprechen. Die Fragen betrafen sowohl die Zusammensetzung der Rezepturen, die Herstellweise, Plausibilität oder Stabilität. Des Weiteren offenbarten sich Schwierigkeiten, die Therapie wirklich lückenlos weiterzuführen, da zum Beispiel Rezepturbestandteile zunächst besorgt werden mussten oder es sich um sehr zeitintensive Rezepturen handelte. Nicht selten liegen Entlassungen auch kurz vor dem Wochenende, sodass Bestellungen von Ausgangsstoffen nicht zeitnah möglich waren.
Um diesen möglichen Versorgungsengpass gar nicht erst aufkommen zu lassen, wurde in der Apotheke des Universitätsklinikums Heidelberg ein Formular entwickelt, das schon vor Entlassung des Kindes die weiterführende Medikation regeln soll. Das Formular ist an jedem Computerarbeitsplatz des Klinikums abrufbar und kann bei Bedarf ausgedruckt werden. Soll ein Patient entlassen werden, trägt der Arzt die Patientendaten sowie die Entlassmedikation des Kindes – idealerweise mit Dosierung – ein. Die Eltern ergänzen eine Apotheke in Wohnortnähe, die sie mit der Herstellung und Weiterversorgung beauftragen wollen. Diesen Auftrag quittieren sie mit ihrer Unterschrift. So ist die freie Apothekenwahl gewährleistet, wie es Paragraf 11 des Apothekengesetzes vorsieht. Das ausgefüllte Formular wird dann an die Klinikapotheke gefaxt.
Weiterversorgende Apotheke wird vorbereitet
Der Apotheker in der Klinikapotheke nimmt daraufhin mit der angegebenen Apotheke Kontakt auf und kündigt die Entlassung des Patienten an. Er gibt die angegebene Medikation weiter und versorgt den Apotheker in der öffentlichen Apotheke mit Informationen zur Rezeptur im Allgemeinen, zu einzelnen Rezepturbestandteilen einschließlich Bezugsquellen und zur Herstellung. Somit ist die weiterversorgende Apotheke vorbereitet und kann sich um die zeitnahe Bereitstellung der Medikamente kümmern.
Zusammenfassung Ablauf:
Mittlerweile wird dieses Dokument schon seit vier Jahren im Universitätsklinikum zur Entlassung der Kinder eingesetzt, wodurch eine gute und kontinuierliche Versorgung der Patienten sichergestellt werden konnte. Die Rückmeldungen aus öffentlichen Apotheken waren durchweg positiv. Da sich nach dieser Zeit herauskristallisierte, dass in der Versorgung der Kinder häufig die gleichen Rezepturen verordnet wurden und zudem die Zahl der Anfragen kontinuierlich hoch blieb, wurde weiter an der besseren Transparenz gearbeitet.
Standardisierte Rezepturen hinterlegt
Den Ärzten in der Klinik ist oft nicht bewusst, dass die verordneten Rezepturen zwar im eigenen Haus ein Standard, aber in der öffentlichen Apotheke nahezu unbekannt sind. Daher unterstützt nun die hauseigene Software die Rezeptausstellung. Seit März 2014 lässt sich neben dem Namen auch die genaue Zusammensetzung der Rezepturen sowie eine Angaben zur Haltbarkeit und Lagertemperatur aufdrucken, was die Herstellung in der öffentlichen Apotheke ebenfalls erleichtert. Durch Drucken des Rezepts ergeben sich auch keine Leseprobleme, wie das oft bei handschriftlichen Rezepten der Fall ist.
Das Einzugsgebiet des Universitätsklinikums Heidelberg ist sehr groß. Daher sind die öffentlichen Apotheken oft mehrere 100 km vom Klinikum entfernt. Zudem kam es zu Anfragen in Zeiten, in denen die Klinikapotheke nur notfallmäßig besetzt war. Um auch hier möglichst schnell umfangreiche Informationen zur Verfügung stellen zu können, wurden die gängigsten Rezepturen mit einigen Hinweisen zur Zusammensetzung, zum Packmittel, zur Herstellung und Stabilität auf der Homepage der Apotheke veröffentlicht. Sie sind in einem durch DocCheck-Passwort geschützten Bereich abgelegt.
Die hier aufgezeigte Vorgehensweise hat die Entlassungen speziell aus der Kinderklinik des Universitätsklinikums Heidelberg im Hinblick auf die lückenlose Arzneimittelversorgung schon deutlich verbessert. Ärzte und Apotheker – sowohl in der Klinik als auch in der öffentlichen Apotheke – arbeiten hier Hand in Hand. Jeder streut Wissen und Informationen seines Arbeitsfeldes ein und so gelingt der Übergang von stationärem Aufenthalt zu ambulanter Weiterversorgung sehr gut.
Bindeglied Apotheker
Einen generellen Beitrag zur AMTS können Apotheker auf Stationen sein, die sowohl das ärztliche als auch das Pflegepersonal mit pharmazeutischen Dienstleistungen unterstützen. Dies kann im Rahmen der Aufnahme, des stationären Aufenthalts oder eben der Entlassung des Patienten geschehen. In einigen Krankenhäusern sind diese schon etabliert, aber sicher wäre hier ein weiterer Ausbau wünschenswert. Gerade im Bereich des Entlassmanagements stellen Apotheker im Krankenhaus ein wichtiges Bindeglied zwischen stationärem Aufenthalt und ambulanter Weiterversorgung dar. /