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Nutzenbewertung

Experten finden zu wenig Gehör

13.04.2016  08:51 Uhr

Von Christina Müller, Berlin / Die Stellungnahmen von Sachverständigen aus Wissenschaft und Versorgung fließen nicht ausreichend in die Beschlüsse des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) zur frühen Nutzenbewertung von Arzneimitteln ein. Zu diesem Ergebnis kam eine Studie des IGES-Instituts, die der Leiter des Bereichs Versorgungsforschung, Hans-Holger Bleß, am Dienstag in Berlin vorgestellt hat.

Bleß und sein Team wollten unter anderem wissen, welche Relevanz die Gutachten von Experten für die Bewertungen des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit (IQWiG) und des G-BA haben. Dazu analysierten sie alle 136 Verfahren, die seit Inkrafttreten des Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetzes (AMNOG) im Jahr 2011 bis August 2015 regulär zum Abschluss kamen.

Die Befragung Dritter ist im AMNOG an zwei Stellen vorgesehen: Zunächst kann das IQWiG externe Fachleute um Rat fragen. Anschließend ermöglicht der G-BA in einem Anhörungsverfahren zum Beispiel Fachgesellschaften eine Stellungnahme, bevor er über den Zusatznutzen eines Medikaments entscheidet. Die Sachverständigen sollen ihr Wissen zum jeweiligen Themen­gebiet einbringen, besitzen jedoch kein eigenes Stimmrecht.

 

Abweichende Bewertungen in drei von vier Fällen

 

Die IGES-Forscher fanden heraus, dass die Meinungen der Wissenschaftler, die vom IQWiG befragt wurden, in insgesamt fast drei Viertel der Fälle von den Bewertungen des Instituts abwichen – vor allem in den Punkten Zusatznutzen (54 Prozent), zweckmäßige Vergleichstherapie (43 Prozent) und patientenrelevante Endpunkte (47 Prozent).

 

Die Fachgesellschaften, die sich am Stellungnahmeverfahren des G-BA beteiligten, sahen sogar in 84 Prozent der Verfahren einen höheren Zusatznutzen als das IQWiG. Nur in zwei Verfahren schätzen sie den Zusatznutzen geringer ein. Auch mit Blick auf die Endpunkte (83 Prozent) und die zweckmäßigen Vergleichstherapien (69 Prozent) waren sie häufig anderer Meinung als das IQWiG. Sofern dieses einen anderen Standpunkt vertrat als die Fachgesellschaften, folgte der G-BA beim Zusatznutzen in 46 Prozent der Fälle dem Votum der Fachgesellschaften, in puncto Endpunkte (24 Prozent) und Vergleichstherapien (18 Prozent) jedoch auffällig seltener.

 

Für Bleß ist dieses Ergebnis keine Überraschung. Die geringe Bereitschaft des G-BA, die Positionen der Fachgesellschaften etwa bei kontrovers diskutierten Vergleichstherapien zu übernehmen, führt er darauf zurück, dass diese von dem Gremium vorab selbst festgelegt wurde. »Der G-BA müsste sich also selbst korrigieren. Das könnte letztlich das gesamte Verfahren gefährden«, erklärte Bleß. Aus seiner Sicht sollte der G-BA die Fachgesellschaften bereits vorab in die Entscheidung einbinden, gegen welche Vergleichstherapien die Hersteller ihre Produkte testen müssen.

 

Darüber hinaus seien die Kriterien des IQWiG bei der Auswahl der Experten nicht transparent genug. Eine Umfrage unter den befragten Sachverständigen belege zwar, dass diese sich selbst für die geeigneten Ansprechpartner zu der jeweiligen Fragestellung hielten. Wa­rum ausgerechnet sie konsultiert wurden, bleibt laut Bleß jedoch unklar. Zudem räume das Institut ihnen lediglich fünf Tage ein, um den entsprechenden Fragebogen auszufüllen und zurückzusenden. Einen Einblick in das Herstellerdossier erhalten sie Bleß zufolge nicht. Für die Meinungsbildung sei dies letztlich sowohl zu wenig Zeit, als auch zu wenig Information.

 

Auch mit Blick auf die Beschlussfindung beim G-BA sieht Bleß Handlungsbedarf: »Wenn dort Uneinigkeit herrscht, entscheidet im Zweifelsfall der Vorsitzende – bekanntlich ein Jurist – über fachliche Fragen.« IGES-Chef Professor Bertram Häussler pflichtete ihm bei und zog einen Vergleich zu der Nutzenbewertung in Großbritannien. Dort treffen laut Häussler Experten die finalen Entscheidungen. »In Großbritannien werden etwa 30 Personen je nach Thema ausgewählt – hauptsächlich Professoren, Forscher und Ärzte. Nur drei bis vier von ihnen stammen aus dem Nationalen Gesundheitsdienst.« Er forderte, auch im G-BA eine sogenannte Expertenbank einzurichten, um einen fachlichen Ausgleich zu den wirtschaftlichen Interessen der Mitgliedsorganisationen zu schaffen. /

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