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Verbraucherzentrale

»Das Pick-up-Verbot ist richtig«

14.04.2010  09:31 Uhr

Von Nils Franke, Berlin / Dr. Stefan Etgeton vom Bundesverband der Verbraucherzentralen hält das Sparpaket der Bundesregierung für sinnvoll. Nachteile für die Patienten sieht er nicht. Auch gegen ein Ende der Medikamentenabholstellen hat er keine Bedenken.

PZ: Was halten Sie vom Sparpaket?

 

Etgeton: Grundsätzlich ist das ein Schritt in die richtige Richtung: Die kurzfristigen Maßnahmen bringen Einsparungen in Milliardenhöhe. Die neue Preisbildung für patentgeschützte Arzneimittel wird diese hoffentlich langfristig billiger machen. Nach diesen Vorschlägen sollte auch dem letzten forschenden Arzneimittelhersteller klar geworden sein, dass Investitionen in Forschung und Entwicklung lohnender sind Ausgaben für Marketing.

 

PZ: Was halten Sie vom Vorschlag der Regierung, dass Patienten gegen Zuzahlung auch ein anderes als das Rabattpräparat ihrer Kasse erhalten könnten?

 

Etgeton: Ich bin kein Freund der Kostenerstattung, weil dabei die Patientinnen und Patienten meistens draufzahlen. Im Fall der Rabattarzneimittel ist es aber so, dass einige vielleicht lieber bei ihrem gewohnten, etwas teureren Medikament bleiben wollen und bereit wären, die Differenz aus eigener Tasche zu bezahlen. Insofern könnte eine solche Regelung hier Abhilfe schaffen, obwohl ich nicht glaube, dass sehr viele davon Gebrauch machen werden.

PZ: Hätten Sie Rabattverträge lieber ganz abgeschafft?

 

Etgeton: Die Rabattverträge haben besonders im Generikabereich zu erheblichen Einsparungen geführt, auf die ich im Sinne der Versicherten nur ungern verzichten würde. Was die Verträge unterm Strich bringen, können am Ende nur die Krankenkassen beurteilen. Ich hoffe, dass sie ehrlich abwägen. Die Rabatte müssen schon etwas bringen, denn für die Patientinnen und Patienten ist die Umstellung der Medikation ja zumindest lästig.

 

PZ: Sind Sie mit der geplanten Kosten-Nutzen-Bewertung zufrieden?

 

Etgeton: Zunächst gilt es, innerhalb von drei Monaten zu bewerten, ob das neu zugelassene Arzneimittel einen therapeutischen Zusatznutzen im Vergleich zu anderen auf dem Markt befindlichen Medikamenten bietet oder nicht. Ist das nicht der Fall, wird das Präparat sofort in eine bestehende Festbetragsgruppe einsortiert. Der Hersteller müsste dann das Gegenteil beweisen. Anders ist es bei den sogenannten Solisten. Hier müssen innerhalb eines Jahres GKV-Spitzenverband und Hersteller einen Rabatt aushandeln. Erst wenn das nicht gelingt und auch die eingeführte Schiedsstelle zu keinem akzeptierten Ergebnis kommt, setzt die Kosten-Nutzen-Bewertung ein.

 

PZ: Erwarten Sie, dass die patentgeschützten Arzneimittel dadurch wirklich preiswerter werden?

 

Etgeton: Ich hoffe das sehr. Die zahlreichen Analogpräparate, die keinen Zusatznutzen bieten, sich aber den Patentschutz durch einen überhöhten Preis vergolden lassen, kommen sofort unter den Festbetrag. Sollten Pharmafirmen ihren Preis nicht auf das Festbetragsniveau herabsenken, haben die Patienten immer die Möglichkeit, auf ein gleichwertiges Alternativpräparat umzusteigen. Der Hersteller wird sich also gut überlegen, ob er dieses Risiko eingeht, denn er ist mit seinem Produkt dann schnell weg vom Markt.

 

PZ: Könnte sich die Markteinführung dadurch zum Nachteil der Patienten verzögern?

 

Etegton: Daran, dass ein zugelassenes Arzneimittel sofort erstattungsfähig ist, ändert sich nichts. Insofern ist die Markteinführung weiterhin ungehindert. Es geht lediglich darum, dass die Bedingungen für die Preisbildung zugunsten der Solidargemeinschaft geändert werden. Es kommt daher eine Menge Arbeit auf die Selbstverwaltung zu, insbesondere den Gemeinsamen Bundesausschuss und das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen. Beide Institutionen müssen in ihrer Ausstattung auf diese zusätzlichen Aufgaben vorbereitet werden.

 

PZ: Wo hätten Sie noch gespart? 

 

Etgeton: Der Kostenanstieg bei den patentgeschützten Arzneimitteln war in den letzten Jahren überdurchschnittlich. Hier ist an der richtigen Stelle angesetzt worden. Allerdings reichen die ein bis zwei Milliarden Euro nicht, um das diesjährige Defizit der Krankenkassen auch nur zur Hälfte zu decken. Insofern wird man auch an die anderen großen Ausgabenbereiche, Krankenhäuser und ambulante Versorgung, herangehen müssen.

 

PZ: Halten Sie das von Rösler geplante Pick-up-Verbot für sinnvoll?

 

Etegton: Dahinter steht ja offenbar die Intention, die Grenze zwischen Apotheke und Drogerie aufrechtzuerhalten. Das halte ich grundsätzlich für richtig, denn die Vergabe eines Arzneimittels sollte stets mit der Möglichkeit zu einer fachkundigen Beratung verbunden sein. Das ist beim Drogeriemarkt oder der Tankstelle um die Ecke natürlich nicht der Fall. Wichtig ist mir allerdings auch, dass dem Versandhandel, und zwar für rezeptpflichtige wie verschreibungsfreie Arzneimittel, nicht die Geschäftsgrundlage entzogen wird. Ich bin gespannt, wie die Koalition beides unter einen Hut bringen wird.

 

PZ: Die Regierung will laut Koalitionsvertrag die unabhängigen Patientenberatungsstellen ausbauen, deren Träger auch der Bundesverband der Verbraucherzentralen ist. Ein Erfolg für Sie?

 

Etgeton: In der Modellphase, die in diesem Jahr endet, haben wir mit 22 regionalen Beratungsstellen tragfähige Ansätze für eine unabhängige Patientenberatung getestet. Die Nutzer reagierten durchweg sehr positiv. Auch die wissenschaftliche Begleitung hat festgestellt, dass nun alle Voraussetzungen erfüllt sind, um die unabhängige Patientenberatung in ein Regel-angebot zu überführen. Jetzt muss die Politik die gesetzlichen Rahmenbedingungen herstellen. Wir stellen uns einen behutsamen, bedarfsgerechten Ausbau der Beratung vor, insbesondere in großen Ländern wie Nordrhein-Westfalen.

 

PZ: Leisten nicht auch die Apotheken ein wichtiges Beratungsangebot und sollten deshalb gestärkt werden?

 

Etgeton: Apotheken leisten einen wichtigen Beitrag zur Arzneimittelberatung, und die Apothekerschaft verfügt mit 21 500 Standorten über ein äußerst dichtes Netz von Anlaufstellen. Bei der unabhängigen Patientenberatung erleben wir schon bei 22 Beratungsstellen, wie schwer es ist, eine konstant gute Beratungsqualität zu garantieren. Die Apothekerschaft steht vor demselben Problem und darf in ihren Anstrengungen, die Beratungsqualität zu verbessern, nicht nachlassen. Aber auch die beste Beratung des Apothekers kann eine unabhängige Patientenberatung nicht ersetzen. Es geht hier ja nicht nur um Arzneimittel, sondern auch um Patientenrechte, Kassenleistungen oder Versicherungsfragen. Zum anderen ist es Patientinnen und Patienten eben auch wichtig, von einer Stelle beraten zu werden, die unabhängig von irgendeinem Umsatz sich ausschließlich auf das Anliegen der Ratsuchenden konzentrieren kann. /

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