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TeGenero-Skandal

Das Spiel mit der Gesundheit

12.03.2007  15:08 Uhr

TeGenero-Skandal

<typohead type="3">Das Spiel mit der Gesundheit

Von Christoph Sator, London

 

Es hätte so leicht verdientes Geld sein können: 2000 Pfund (rund 3000 Euro) für eine Spritze, drei Tage im Krankenhaus und anschließend noch ein paar Kontrolltermine. Aber die Männer, die vor genau einem Jahr in London für einen Arzneitest der deutschen Pharmafirma TeGenero ihre Gesundheit aufs Spiel setzten, haben teuer dafür bezahlt.

 

Das katastrophal misslungene Experiment machte Schlagzeilen rund um die Welt. An den Folgen leiden die Opfer bis heute. Auf Schmerzensgeld oder eine angemessene Entschädigung warten sie bislang vergebens.

 

David Oakley war an jenem 13. März 2006 der erste von sechs bis dahin völlig gesunden Männern, die das neu entwickelte Mittel TGN1412 in den Körper gepumpt bekamen. Morgens um acht war das, in einer Versuchsabteilung des Northwick Park Hospitals. Das Präparat, das später einmal gegen Multiple Sklerose, Arthritis oder Blutkrebs helfen sollte, floss sechs Minuten lang über eine Kanüle in seinen rechten Arm. Der 34-Jährige ließ alles still über sich ergehen.

 

Zytokin-Sturm

 

Eine halbe Stunde später bekam Oakley Kopfschmerzen, die sich bis zum Irrsinn steigerten. Dann spielte sein Immunsystem verrückt: Das Herz raste, das Blut klumpte, die Lungen und die Nieren schmerzten. Die Fachwelt nennt das, was sich in seinem Körper abspielte, einen Zytokin-Sturm. Oakley spuckte einen Liter Galle, bevor er auf die Intensivstation kam. Tagelang musste er um sein Leben bangen.

 

Den anderen Versuchsteilnehmern ging es nicht besser. Einige begannen, enorm zu frieren. »Es war, als ob man nackt in der Antarktis ausgesetzt wird«, erinnert sich der 32-jährige Rob. Bei dem Schauspieler schwollen Kopf und Gliedmaßen auf furchtbare Dimensionen an. Er ging als »Elefantenmensch« in die Medizingeschichte ein ­ der Grund, warum Rob seinen Nachnamen nicht in der Zeitung lesen will. Die Schauspiel-Karriere wäre dann wohl vorbei.

 

Das ist aber noch eine der weniger dramatischen Folgen. Dem jüngsten Versuchsteilnehmer Ryan Wilson (20) mussten Finger und Zehen amputiert werden. Bei Oakley stellte man eine Frühform von Lymphdrüsenkrebs fest. Alle sechs leiden unter Müdigkeit und Erinnerungslücken. Vor allem aber werden sie wohl ihr Leben lang um ihre Gesundheit fürchten müssen. »Man wird paranoid«, sagt Rob. »Bei der kleinsten Veränderung denkt man: Oh Gott, wenn das Krebs ist!«

 

Kaum Entschädigung

 

Hinzu kommt, dass die Opfer bislang kaum eine Entschädigung erhalten haben. 10 000 Pfund (rund 15 000 Euro) bekam jeder von ihnen bezahlt. Die Würzburger Firma TeGenero, die den Test mit drei Millionen Euro versichert hatte, ging pleite und verschwand in der Versenkung. Mit dem US-Konzern Parexel (Jahresgewinn: über 150 Millionen Euro), unter dessen Kontrolle der Versuch stattfand, streiten sich die Opferanwälte bis heute herum.

 

Inzwischen haben sie eine beeindruckende Liste aufgestellt, was alles schief gegangen sein soll: Keiner weiß, warum die sechs Freiwilligen praktisch gleichzeitig getestet wurden. Demnach wurde den letzten Kandidaten TGN1412 auch noch gespritzt, als die ersten schon starke Schmerzen hatten. Außerdem sollen die Parexel-Ärzte ihre eigenen Unterlagen nicht richtig gekannt haben, weshalb mit der Vergabe von Gegenmitteln zu lange gewartet worden sei.

 

Schuldfrage ungeklärt

 

Der Konzern beruft sich hingegen auf ein Gutachten der britischen Aufsichtsbehörde MHRA, wonach Parexel keine Schuld trägt. Aber die MHRA ist auch die Behörde, die den Versuch erlaubte. Ursprünglich hätte der Test in Berlin stattfinden sollen - aber dort dauerte es TeGenero nach Angaben der zuständigen Behörden mit der Erlaubnis zu lange. Die Opferanwälte wollen nun, pünktlich zum ersten Jahrestag des Skandals, Entschädigungsklagen auf den Weg bringen.

 

»Wenn dieser Test in Amerika stattgefunden hätte, ginge es um Hunderte von Millionen«, sagte der Anwalt Martyn Day der Tageszeitung »The Guardian«. Jetzt will er pro Versuchsopfer mindestens 1,5 Millionen Euro. »Diese Jungs haben eine furchtbare Zukunft vor sich: Kann sein, dass sie relativ unbeschadet aus der Sache herauskommen. Aber kann auch sein, dass es ihnen ganz schlecht ergeht. Und dann wären 1,5 Millionen nie und nimmer genug.«

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