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Krebstherapie

Schwangerschaft ist kein Hindernis

28.02.2012  14:00 Uhr

Von Jasmin Andresh / Eine Krebserkrankung in der Schwangerschaft bringt die betroffene Frau und ihre Angehörigen in eine emotionale Ausnahmesituation. Bei der Wahl der Therapie müssen sowohl der Zustand der Patientin als auch das Kindswohl berücksichtigt werden. In vielen Fällen ist dennoch eine leitliniengerechte Therapie möglich.

Bösartige Erkrankungen in der Schwangerschaft sind selten. Pro Jahr kommen zwischen 500 und 1000 Frauen in Deutschland in eine solche Situation. Eine Schwangerschaft beeinflusst per se nicht das Krebsrisiko. Es handelt sich um ein rein zufälliges Zusammentreffen dieser zwei Ereignisse. Da aber das Risiko für die meisten Krebserkrankungen mit dem Alter steigt und Frauen heute ihre Kinder später bekommen als die Mütter- und Großmüttergenerationen, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass eine Schwangerschaft und eine Krebsdiagnose zusammentreffen.

Generell kann eine Schwangere jede denkbare Krebserkrankung bekommen. Am häufigsten betroffen sind werdende Mütter von Gebärmutterhalskrebs (Zervixkarzinom) – eine von 1200 bis 8000 Schwangeren erhält diese Diagnose. Am zweithäufigsten ist Brustkrebs, der eine von 3000 bis 10 000 schwangeren Frauen trifft. Mit absteigender Wahrscheinlich­keit folgen Schwarzer Haut­krebs (Malignes Melanom) und Hodgkin-Lymphom, Eierstock­krebs (Ovarialkarzi­nom) sowie Leukämie.

 

Fachübergreifend betreuen

 

Für die Behandlung Betroffener braucht es die ärztliche Expertise mehrerer Fachdisziplinen. Auch die psychische Komponente ist wichtig. Jeder schwangeren Krebspatientin wird daher heute von Anfang an ein Psychoonkologe zur Seite gestellt.

 

Die meisten Frauen können adäquat therapiert werden und trotzdem ein gesundes Kind zur Welt bringen. Die Therapie richtet sich nach der Krebsart. Generell versuchen Ärzte so zu behandeln, wie es die Empfehlungen auch für Nicht-Schwangere vorsehen. Operiert wird inzwischen zu jedem Zeitpunkt der Schwangerschaft ohne Gefahr für das Kind. Doch eine Strahlen- oder Hormonbehandlung sollte erst nach der Entbindung begonnen werden.

 

Eine Behandlung mit Zytostatika muss im Einzelfall gründlich abgewogen werden. Die Wirkstoffe werden so ausgewählt, dass ihre schädliche Wirkung auf den Embryo möglichst gering ist. Viel Erfahrung hat man etwa mit der Anwendung von Alkylanzien und Anthrazyklinen. Sie haben geringere negative Auswirkungen als beispielsweise Antimetaboliten.

 

Kontraindiziert sind unter anderem Folsäureantagonisten, Tamoxifen und Biologicals wie Trastuzumab, Lapatinib und Bevacizumab. Einige weitere Wirkstoffe werden aufgrund unklarer Datenlage mit Zurückhaltung eingesetzt, beispielsweise Taxane, Cyclophosphamid und Navelbine.

 

Bei vielen Wirkstoffen hängt ihr schädigendes Potenzial auf das Ungeborene davon ab, in welchem Schwangerschaftsdrittel (Trimenon) sie verabreicht werden. Allgemein wird die fruchtschädigende Wirkung von Zytostatika im ersten Trimenon mit 13 bis 16 Prozent angegeben. In den letzten beiden Dritteln liegt es mit 1 bis 4 Prozent deutlich niedriger. Daher bevorzugt man eine Chemotherapie im zweiten und dritten Trimenon, wenn die Organbildung des Embryos abgeschlossen ist. Unter Berücksichtigung dieser Voraussetzungen scheint eine Chemotherapie während der Schwangerschaft keine Spätfolgen für das Kind zu haben. Das ergab eine kürzlich im Fachjournal »The Lancet Oncology« publizierte Studie (doi: 10.1016/S1470-2045(11)70363-1).

 

Verzögertes Wachstum

 

Keine Spätfolge, sondern eine mögliche direkte Auswirkung einer Chemotherapie im zweiten und dritten Trimenon ist die intrauterine Wachstumsverzögerungen (IUGR). Sie tritt – je nach Medikament – mit einer Wahrscheinlichkeit von bis zu 40 Prozent der Fälle auf. Durch diese Retardierung kommen die Kinder mit einem geringeren Geburtsgewicht zur Welt. Manchmal finden aber auch gravierende Veränderungen im Stoffwechsel des Feten statt, die mit einem erhöhten späteren Risiko für chronische Erkrankungen wie der Koronaren Herzkrankheit verbunden sind. In wenigen Fällen kann eine IUGR zum Tod des Ungeborenen führen.

»Um das Risiko zu minimieren, gibt es in der Schwangerschaft keine Therapie mit ganz neuen Medikamentenklassen, die vielleicht irgendwo in einer Studie angeboten wird«, sagt Professor Dr. Alexander Strauss, stellvertretender Direktor und leitender Oberarzt der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe an der Universität Kiel. »Das heißt aber nicht, dass wir auf veraltete Medikamente zurückgreifen«, stellt er klar. Die Wirkstoffe, die Schwangere bekämen, seien Standardmedikamente. »Wenn ich während der Schwangerschaft nur eine zweitklassige Therapie anbieten würde, wäre das ethisch nicht vertretbar.« Wenn die bestmögliche Therapie bedeute, dass das Kind gefährdet ist, müsse man das der Schwangeren sagen und die Entscheidung bewusst machen.

 

Krebs wird erst spät bemerkt

 

Und die Prognose? »Wir gehen davon aus, dass die Schwangerschaft an sich kein negativer Prognosefaktor ist«, erläutert Strauss. Der Verlauf der Krankheit sei durch die Schwangerschaft nicht beschleunigt oder aggressiver. Dass die Überlebensrate dennoch niedriger sei, läge daran, dass der Krebs bei Frauen in anderen Umständen meist später diagnostiziert würde. »Oder Frauen verzichten eine Zeitlang auf Therapie, sodass sich ihre Gesamtsituation verschlechtert«, berichtet er.

 

Spät entdeckt werden bei Schwangeren besonders häufig Brustkrebs­erkrankungen, da werdende Mütter Veränderungen oder Schmerzen in der Brust in dieser Zeit meist keine große Aufmerksamkeit schenken. Eine Mammographie ist auch während der Schwangerschaft möglich, die Strahlenbelastung kann durch Abschirmung des Bauchraumes so niedrig gehalten werden, dass sie für das Ungeborene ungefährlich ist. Doch das Drüsengewebe ist bei schwangeren Frauen verändert, daher liefert eine Mammographie oft keine verlässlichen Bilder. Aus diesen Gründen wird die Erkrankung meist erst in einem fortgeschrittenen Stadium diagnostiziert. Bei der Therapie hingegen hat eine Frau mit Brustkrebs viele Optionen, ohne das Kind zu gefährden: Eine Operation an der Brust ist möglich, ebenso wie eine medikamentöse Behandlung.

 

Beim Gebärmutterhalskrebs ist die bestmögliche Therapie für die Frau eine Operation. Das bedeutet, dass die Schwangerschaft nicht fortzuführen ist. Ist der Fetus lebensfähig, versuchen Ärzte alles, um das Kind früher, aber gesund zur Welt zu bringen. Wird ein Zervixkarzinom jedoch im ersten Schwangerschaftsdrittel festgestellt, ist das nicht möglich. Kann die Frau sich in einem solchen Fall nicht zu einem Abbruch der Schwangerschaft entschließen, verschlechtert das ihre Prognose. Strauss berichtet aus seiner Erfahrung, dass sich in dieser Situation fast keine Frau für den Abbruch entscheidet. »Praktisch alle setzen auf die Fortsetzung der Schwangerschaft«, sagt der Gynäkologe. / 

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