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Herstellung

Multitalent Ethanol

Datum 21.02.2012  15:58 Uhr

Von Ulrike Viegner / Ethanol wird seit jeher für die Zubereitung pflanzlicher Wirksubstanzen verwendet, und daran hat sich bis heute nichts geändert. Denn etwas Besseres gibt es nicht.

Ethanol, der Klassiker unter den Alkoholen, ist ein Multitalent. Das Grundgerüst dieses kurzkettigen Alkohols besteht aus zwei Kohlenstoffatomen, von denen eines die alkoholtypische Hydroxygruppe trägt. Diese Molekülstruktur verleiht Ethanol besondere Fähigkeiten. Erstens ist Ethanol ein hervorragendes Lösungsmittel – vielleicht sogar das beste überhaupt. Er kann nämlich zweierlei: In der bei Raumtemperatur farblosen Flüssigkeit lassen sich sowohl hydrophile Stoffe als auch lipophile Stoffe in Lösung bringen.

Seine Eigenschaften werden maßgeblich durch die Hydroxygruppe bestimmt. Dominant ist deshalb der hydrophile Charakter. Die asymetrische Elektronendichte entlang der Hydroxygruppe macht Ethanol zu einem Dipol mit ähnlichen Eigenschaften, wie sie auch Wasser besitzt. Deshalb ist Ethanol so gut und in jedem Verhältnis mit Wasser mischbar. Die geringere Fähigkeit, auch lipophile Stoffe in Lösung zu bringen, kommt durch den apolaren Kohlenstoffrest zustande.

 

Ideal für Pflanzen­extrakte

 

Zweitens wird Ethnaol in großem Stil bei der Herstellung von Phytopharmaka genutzt. Das hat schon eine Jahrhunderte lange Tradition und ist auch heute nicht anders. Mit seiner Hilfe lassen sich Pflanzeninhaltsstoffe sehr gut extrahieren. Vor allem ätherische Öle und glykosidische Verbindungen werden so gewonnen.

 

Nachdem die wirkstoffrelevanten Pflanzenteile zerkleinert worden sind, werden sie mit Ethanol versetzt. Der Alkohol kann pflanzliche Zellwände und Zellmembranen leicht passieren und löst die Inhaltsstoffe schonend aus den Zellen heraus. Diese werden dann in einem mehrstufigen Extraktionsprozess immer weiter angereichert und gereinigt.

 

Je nachdem, ob das Fertigarzneimittel in flüssiger oder fester Form vorliegt, wird das Extraktionsmittel mehr oder weniger verdampft. Tinkturen und Fluidextrakte sind beide flüssig, wobei in Fluidextrakten die Droge in höherer Konzentration enthalten ist. Durch stärkeres Verdampfen entstehen zähflüssige Spissumextrakte, und für die Gewinnung von Trockenextrakten, die zum Beispiel Tabletten weiter verarbeitet werden, wird das Extraktionsmittel komplett entfernt.

 

Drei auf einen Streich

 

Drittens ist Ethanol ist ein sehr guter Konservierungsstoff mit bakterizider und fungizider Wirkung. Zudem lässt sich mithilfe des Alkohols die Resorption mancher Wirkstoffe deutlich steigern, was vor allem bei ätherischen Ölen ein nützlicher Zusatzeffekt ist.

Wollte man Ethanol als Lösungsmittel ersetzen, würde sich die Herstellung von Phytopharmaka erheblich komplizieren: Ethanol als Extraktionsmittel müsste komplett verdampft werden, dann müssten die Wirkstoffe unter Mithilfe von Lösungsvermittlern in Wasser gelöst werden, und letztendlich müssten Konservierungsstoffe zugesetzt werden. Das heißt, verschiedene Hilfsstoffe wären notwendig, um auf alternativem Wege stabile und haltbare Phytopharmaka herzustellen – und das wäre der Verträglichkeit eher abträglich als zuträglich. So steigt mit der Anzahl der Zusatzstoffe nachweislich das allergene Potenzial.

 

Darüber hinaus kommt der Alkohol aber auch selbst als pharmazeutischer Wirkstoff zum Einsatz. Seine bereits erwähnte antimikrobielle Wirkung macht Ethanol zu einem viel verwendeten Desinfektionsmittel. Geeignet für diesen Zweck ist ein Gemisch aus 70 Teilen Ethanol und 30 Teilen Wasser. Mit einer 70-prozentigen Ethanol-Lösung werden Bakterien durch Eiweißdenaturierung zuverlässig abgetötet, wobei der Wasseranteil durch seine Quellwirkung wie ein Türöffner funktioniert. In 100-prozentigem Ethanol dagegen wird lediglich das Bakterienwachstum gehemmt.

 

70-prozentiges Ethanol wirkt nicht nur bakterizid, sondern auch zuverlässig fungizid. Sporen von Pilzen und Bakterien lassen sich so allerdings nicht vernichten. Die viruzide Wirkung von Ethanol ist ebenfalls gut, weist aber eine Lücke bei den nackten Spezies ohne Virushülle auf. Die mikrozide Wirkung von Ethanol tritt innerhalb weniger Minuten ein. Für die Anwendung als Hautdesinfizienz ist auch von Vorteil, dass Ethanol kein allergenes Potenz ial besitzt. Von Nachteil ist dagegen das Brennen auf offenen Wunden.

 

Zwei weitere – wenn auch zahlenmäßig kleine – Einsatzgebiete für Ethanol als Pharmakon sind die Verödung von Tumoren und die Verödung von Nervenganglien. Beim Leberzellkarziom kann man unter Umständen durch Injektion von 95-prozentigem Ethanol in den umkapselten Tumor eine Nekrose auslösen. Die Alkoholneurolyse kommt zum Einsatz bei schweren, anders nicht beherrschbaren Schmerzzuständen. Dabei wird hochprozentiger Alkohol in relevante Nervenganglien gespritzt, um sie zu veröden.

 

Alkohole als Arzneimittel

 

Neben Ethanol spielen auch andere Alkohole pharmazeutisch eine Rolle. Einer ist Glycerol, besser bekannt als Glycerin. Im Gegensatz zu Ethanol ist Glycerin ein dreiwertiger Alkohol, woraus völlig andere Anwendungsgebiete resultieren. Glycerol ist in diversen Arzneimitteln als Hilfsstoff enthalten: als Lösungsvermittler, Feuchthalter, Weichmacher und als Mittel zur Erhöhung der Viskosität.

Zudem wird es in verschiedenen Indikationen als Arzneistoff angewendet. So wird es in Form von Zäpfchen oder Klistieren als Abführmittel appliziert. Altbewährt ist Glycerol auch als Inhaltsstoff von Hautpflegemitteln. Hier wird seine hygroskopische Wirkung genutzt, mit deren Hilfe sich der Feuchtigkeitshaushalt der Haut nachweislich stabilisieren lässt. Zudem wird Glycerol zur Behandlung eines Hirnödems nach ischämischem Schlaganfall eingesetzt. Die Therapie erfolgt nach dem Prinzip der Hyperosmolarität, Glycerol wird dazu als 10-prozentige Lösung infundiert.

 

Noch Gegenstand der Forschung ist die vermutete Fähigkeit von Glycerol, die Hirnfunktion und andere Organfunktionen bei einer künstlichen Absenkung der Körpertemperatur aufrechtzuerhalten, was bei langwierigen Operationen von großem Vorteil sein könnte. Wie man darauf gekommen ist? Man hat dieses Wirkprinzip der Natur abgeschaut: Der kanadische Laubfrosch reichert bei kalten Temperaturen Glycerin in seinen Körperzellen an und kann so erfolgreich überwintern. / 

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