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Fetales Alkoholsyndrom

Jedes Glas ist eins zu viel

21.02.2012  17:55 Uhr

Von Brigitte M. Gensthaler / In der Schwangerschaft raten Experten zur völligen Abstinenz, denn das Ungeborene trinkt immer mit. An den Folgen leiden jedes Jahr mehrere tausend Neugeborene in Deutschland.

Alkohol und sein Metabolit Acetaldehyd können die Placenta leicht überwinden. Daher haben Mutter und Kind wenige Minuten nach einem Drink den gleichen Alkoholspiegel. Die unreife Leber des Feten kann Ethanol aber kaum abbauen. »Ein Grenzwert, bis zu dem ohne Risiko für das Kind getrunken werden kann, existiert nicht. Alkohol ist in der Schwangerschaft in keiner Menge und zu keinem Zeitpunkt ungefährlich«, warnt denn auch die Deutsche Hauptstelle gegen Suchtgefahren (DHS).

 

Das Gehirn leidet am meisten

 

In der Frühphase der Schwangerschaft verursachen Ethanol und Acetaldehyd als Zell- und Mitosegifte schwere körperliche Schäden, da Zellvermehrung und -teilung gebremst werden. Wird eine Eizelle in den ersten Tagen nach der Befruchtung geschädigt, wird sie meist abgestoßen. In späteren Schwangerschaftsstadien erhöht Alkohol die Abortgefahr und es kommt zu Störungen im Wachstum und der geistigen Entwicklung des Feten. Das Gehirn des Ungeborenen ist besonders empfindlich. Neurotoxisch-enzephalopathische Veränderungen sind daher weitaus häufiger als körperliche Merkmale wie tief sitzende Ohren, extrem schmale Oberlippe und sehr kleine Augen und Nase.

Das Spektrum möglicher vorgeburtlicher Schäden durch Alkohol ist breit. Es reicht vom klinischen Vollbild des fetalen Alkohol­syndroms (FAS) bis hin zu Störungen der intellektuellen Leistung, des Erlebens und Verhaltens. Dies alles wird unter dem englischen Begriff Fetal Alcohol Spectrum Disorders (FASD) zusammengefasst.

 

Die schwerste Form ist das fetale Alkohol­syndrom. Typische Merkmale sind geringes Geburtsgewicht, körperliche Missbildungen wie Nierenschäden und Herzfehler, sicht­bare Auffälligkeiten im Gesicht und Verhal­tens­störungen wie geringer Saugreflex, Ruhelosigkeit und erhöhte Reizbarkeit. Defizite in der geistigen Entwicklung prägen das ganze Leben des Kindes. Kinder mit FAS sind in der Regel dauerhaft auf Hilfe und Fürsorge angewiesen.

 

Leichtere Behinderungen zeigen sich oft erst nach Jahren. Kinder mit FASD entwickeln sich nur langsam. Abstraktes Denken, Lernen, Aufmerksamkeit und Konzentration fallen ihnen schwer. Oft gelten sie in der Schule als hyperaktiv und gleichzeitig – aufgrund eines durchschnittlichen IQ von 70 – als schlechte Lerner. Auch ihr Sozialverhalten ist gestört. Sie können Risiken schlecht einschätzen, sind arglos und naiv und entwickeln wenig soziales Feingefühl. Daher ecken sie bei anderen Menschen oft an oder werden Opfer von Übergriffen.

 

Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Mechthild Dyckmans (FDP), geht von 10 000 geschädigten Kindern pro Jahr in Deutschland aus, darunter etwa 4000 mit dem Vollbild FAS. Damit ist Alkohol in der Schwangerschaft die häufigste Ursache für nicht-genetisch bedingte, kindliche Fehlbildungen. Laut DHS ist er die häufigste Ur­sache einer geistigen Behinderung.

 

Klar ist: FASD ist eine 100-prozentig vermeidbare Behinderung. Die Drogenbeauftragte will daher junge Frauen frühzeitig erreichen und vor Genuss­giften in der Schwangerschaft warnen. Dabei kooperiert sie mit den Apothekern. Im Herbst 2010 stellten Dyckmans und Erika Fink, Präsidentin der Bundesapothekerkammer, ein Faltblatt vor, das auf die Risiken von Alkohol, Tabak und Medikamenten in der Schwangerschaft hinweist (www.abda.de/infoflyer_fuer_schwangere.html).

 

Alles halb so wild?

 

Angeblich trinken 50 bis 80 Prozent der schwangeren Frauen dennoch ab und zu ein Gläschen. Vor einigen Jahren zeigte eine Studie, dass dies möglicherweise nicht so gefährlich ist wie befürchtet.

 

Wissenschaftler um Yvonne Kelly vom University College London werteten Daten der UK Millennium Cohort Study aus, die mehr als 18 000 Kinder der Jahrgänge 2000/2001 begleitet hatte. Im ersten Interview – die Babys waren neun Monate alt – wurden die Mütter nach dem Alkoholkonsum in der Schwangerschaft befragt. Bei der zweiten Befragung füllten die Eltern einen Fragebogen zu Stärken und Schwächen der nunmehr drei Jahre alten Kinder aus. Überrascherweise waren Kinder von Müttern, die ein bis zwei Gläser Wein oder Bier pro Woche getrunken hatten, nicht häufiger, sondern eher seltener verhaltensauffällig oder hyperaktiv als die Sprösslinge von Abstinenten.

 

Ein Freibrief für den Alkohol ist das keineswegs, zumal die Studie methodische Mängel hatte. Solange der untere Grenzwert für sicher unschädlichen Konsum nicht bekannt ist, gilt für jeden Drink in der Schwangerschaft: bitte alkoholfrei. / 

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